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Zu viele Helfer, die nicht helfen dürfen

Der Bundesfreiwilligendienst hat auch in Sachsen den Zivildienst abgelöst. Diese gute Idee sorgt aber für unerwartete Probleme.

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Von Gunnar Saft

Die Stunde null begann am 1.Juli des vergangenen Jahres. An diesem Tag startete die Bundesregierung ein Experiment, mit dem zumindest das Allerschlimmste verhindert werden sollte. Zuvor hatte die beschlossene Abschaffung der Wehrpflicht nämlich an einer wichtigen Stelle einen hohen Preis gefordert: Das Aus für die Wehrpflicht bedeutete auch das Aus für den alternativen Zivildienst.

Doch gerade die jungen Männer, die soziale Arbeit dem Dienst in der Armee vorzogen, schienen kaum ersetzbar. Unter dem Motto „Betten machen, vorlesen und beim Einkauf helfen“, waren sie bei Pflege- und Wohlfahrtsverbänden gern gesehene und dringend benötigte Helfer. Weil die nun fehlen, hatte die Politik in ihrer Not eine interessante Idee: Den „Zivis“ sollten die „Bufdis“ folgen. Letzterer Begriff steht für den im Sommer 2011 gestarteten Bundesfreiwilligendienst. An dem können nun sowohl Männer als auch Frauen nach Abschluss ihrer Schulausbildung teilnehmen, eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. Für ein Taschengeld von maximal 330 Euro und in vielen Fällen der Übernahme der Kosten für Verpflegung und Dienstkleidung kann jeder ein „Bufdi“ werden. Die Einsatzzeit beläuft sich auf mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre. Im Regelfall dauert der Freiwilligendienst allerdings ein Jahr.

Kapazität zu schnell am Limit

Und was kaum einer erwartete: Das Angebot wurde ein riesiger Erfolg. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten stieg die Nachfrage nach freien „Bufdi“-Stellen immer mehr und sorgt nun für Probleme ganz anderer Art. Der größte Haken: Die Bundesregierung will nur maximal 35.000 Plätze fördern. Doch dieses Limit ist längst erreicht. Gerade und vor allem im Freistaat Sachsen. Hier gibt es aktuell 3600 „Bufdis“ und der Bedarf nach mehr Plätzen ist da. „Mit der Einführung des Freiwilligendienstes konnte ein Notstand an freiwilligen Leistungen in Krankenhäusern, Altenheimen, bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung oder anderen Leistungen verhindert werden“, erklärt Ralf Schreiber, Sprecher des sächsischen Sozialministerium. Tatsächlich konnte das Betreuungsangebot oft wieder ausgebaut werden. Zum Vergleich: Im letzten Jahr des Zivildienstes waren in Sachsen weniger als 3.000 Zivildienstplätze besetzt.

Bis Sommer keine neuen Plätze Doch die Aussichten für interessierte „Bufdi“-Bewerber sind im Moment auch zwischen Görlitz und Plauen sehr schlecht bis absolut chancenlos. Obwohl sich Kommunen und Sozialverbände bundesweit für eine Aufstockung der Plätze einsetzen, droht ab morgen ein offizieller Einstellungsstopp. Lediglich einzelne Bewerbungen, die bis heute eingehen, sowie Restplätze bei großen Trägern wie der Caritas oder dem Deutschen Roten Kreuz sollen noch genehmigt werden. Dann ist erst mal Schluss.

Kritiker eines Einstellungsstopps laufen bereits Sturm. „Ein Erfolgsrezept soll nicht abgewürgt werden“, fordert unter anderem der Deutsche Städte- und Gemeindebund, dessen Vize-Präsident der Bautzner Oberbürgermeister Christian Schramm ist. Doch bisher gibt es keine Signale dafür, dass der Bund tiefer in die Kassen greift und das Kontingent weiter aufstockt.

Für die meisten Interessierten heißt es deshalb abwarten. Ministeriumssprecher Ralf Schreiber verweist auf den Sommer. Dann laufen auch in Sachsen die ersten Freiwilligendienste aus. „Wir rechnen damit, dass das Angebot ab dann wieder größer wird.“ Wer helfen will, muss also auch geduldig sein.