Merken

Zu zweit zur Polizei

Nancy und Erik Ludwig sind Geschwister. In der Riesaer Arena wurden sie jetzt vereidigt – mit 698 anderen.

Teilen
Folgen

Von Christoph Scharf

Hunderte Uniformierte drängen sich in der Arena – und offensichtlich haben alle gute Laune. Das liegt sicher daran, dass sie hier keinen Polizeieinsatz absolvieren. Hier gilt es nicht, Demonstranten von schreienden Gegnern zu trennen oder randalierende Fußballfans auf Abstand zu halten. Hier haben die 700 jungen Frauen und Männer gerade einen emotionalen Moment hinter sich: Der komplette neue Polizeinachwuchs für Sachsen wurde soeben in der Sachsenarena vereidigt.

Nancy und Erik Ludwig gehören dazu. Und die Geschwister aus Eibau scheinen sogar noch bessere Laune zu haben als ihre neuen Kollegen. Dabei werden sie voraussichtlich zwei Jahre länger brauchen als die anderen, bis sie ihren Abschluss als Polizeimeister haben: Denn die 18-Jährige und der 17-Jährige werden in den nächsten viereinhalb Jahren immer nur vier Monate pro Jahr in der Polizeifachschule Chemnitz zubringen. Die anderen acht Monate bleiben ihnen, um in Görlitz zu trainieren. Das Geschwisterpaar gehört zur sogenannten Sportfördergruppe der Polizei – die den Leistungssport und die Ausbildung als Polizeibeamter kombiniert.

Als Gewichtheber kommen sie auf Europameisterschaften durch halb Europa – der Kosovo, Polen, Italien standen zuletzt auf dem Reiseplan. Während Erik Ludwig in der Gewichtsklasse bis 89 Kilogramm antritt und zuletzt Vierter bei der Jugend-EM wurde, ist seine ein Jahr ältere Schwester in der Klasse bis 64 Kilogramm erfolgreich. Sie bereitet sich nach einer Verletzung auf die deutsche Juniorenmeisterschaft im Dezember vor. Für beide steht allerdings seit April bei der Polizei unter anderem auch noch Verkehrsrecht, Schießen und Nahkampf auf dem Programm. „Ich habe mich bei der Polizei beworben, damit ich nach meiner Sportkarriere einen richtigen Beruf in der Hand habe“, sagt Erik Ludwig. Der Bedarf ist jedenfalls da: So viele Polizisten wie dieses Jahr hat der Freistaat in den vergangenen 28 Jahren noch nie auf einen Schlag vereidigt. Schon 2017 war die Polizei mit ihrer Vereidigung in der Arena zu Gast. Damals waren es aber noch rund 100 Polizisten weniger.

Die Anwärter stellen sich in den Dienst der Sicherheit des Landes, sagt Innenminister Roland Wöller (CDU) in Riesa. Sachsen sei als grenznahes Bundesland besonders von der internationalen Kriminalität betroffen, auch die Terrorgefahr nehme zu. Darauf reagiere man – und halte als Freistaat eine der am besten ausgerüsteten Länder-Polizeien vor.

Was dringend nötig sei, sei das neue Polizeigesetz. „Wir dürfen zwar Wählscheiben-Telefone überwachen, aber nicht Whatsapp und Messengerdienste. Das sehe ich nicht ein. Denn Kriminelle nutzen diese Dienste.“ Riesas OB Marco Müller (CDU) fordert, dass Gesellschaft und Justiz hinter der Polizei stehen. „Ich bin schockiert, wie viele tätliche Angriffe es auf Polizisten gibt. Nicht nur bei G-20-Gipfeln, sondern auch bei unterklassigen Fußballspielen“, sagt Müller. Immerhin: 81 Prozent der Bürger stünden hinter der Polizei, hat der Minister einer Umfrage entnommen. „Man merkt auch jetzt in Chemnitz wieder, dass bei allem Zorn die Arbeit der Polizei anerkannt wird“, so Wöller. Auch Nancy und Erik Ludwig haben für ihre Berufswahl nur positive Reaktionen aus dem Umfeld bekommen. „Unsere Angehörigen sind stolz auf uns“, sagt Nancy Ludwig mit einem verlegenen Lächeln. Am liebsten würden sie nach ihrer sportlichen Karriere zur Bereitschaftspolizei, um dort in einer Hundertschaft Dienst zu verrichten. „Einen Job im Büro könnte ich mir nicht vorstellen“, sagt die 18-Jährige. „Ich auch nicht“, sagt ihr Bruder. „Deshalb bin ich ja zur Polizei gegangen.“