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Zündeln mit Umweg über den großen Teich

Angela Merkel konnte ihrer ohnehin schon reichen Ehrungen-Sammlung am Freitag eine weitere Auszeichnung hinzufügen. Wenige Tage vor ihrer USA-Reise verlieh der „Förderkreis Politische Rhetorik“ der CDU-Chefin...

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Von Ulrich Scharlack

Angela Merkel konnte ihrer ohnehin schon reichen Ehrungen-Sammlung am Freitag eine weitere Auszeichnung hinzufügen. Wenige Tage vor ihrer USA-Reise verlieh der „Förderkreis Politische Rhetorik“ der CDU-Chefin auch für ihr Rednertalent den Titel als „Frauenpersönlichkeit des Jahres“.

Nun gehört zu einer guten Rhetorikerin auch die Kunst, das Publikum zu überraschen, mitunter zu zündeln, um sich die Aufmerksamkeit der Hörerschaft zu sichern. Dass Merkel dieses Handwerk beherrscht, hat sie nun erneut mit ihrem Artikel in der „Washington Post“ bewiesen. Ein Angriff auf den Kanzler wegen seiner Haltung im Irak-Konflikt über den Umweg einer Publikation jenseits des großen Teiches – das war eine von Merkel einkalkulierte Provokation.

Text verfehlt seine

Wirkung nicht

Dass der Text mit dem Titel „Schröder spricht nicht für alle Deutschen“ seine Wirkung nicht verfehlt hat, zeigte sich auch am Tag nach seinem Erscheinen. Nach der beißenden Kritik rot-grüner Politiker zischte nun auch Regierungssprecher Bela Anda, dass eine Kritik über das Ausland ja „nicht üblich ist“. Er glaube auch nicht, dass dies Politikern anderer Länder „in den Sinn kommen würde“.

Eines hat Merkel auf alle Fälle erreicht. Ihre USA-Reise, die wegen der schwelenden Irak-Krise und des innenpolitischen Streits darüber ohnehin schon brisant war, wird nun noch genauer beobachtet werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering mutmaßte ja bereits, sie bereite den seit der Bundestagswahl geplanten und am Sonntag beginnenden Fünf-Tage-Trip „mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und einem Bückling gegenüber der US-Administration vor“.

Bei genauerem Hinsehen hat Merkel in dem Artikel eigentlich nur ihre bekannte Kritik am Kurs von Bundeskanzler Schröder wiederholt. Sie gipfelt in dem Vorwurf, Schröder habe aus „Wahlkampfmotiven“ „die wichtigste Lehre deutscher Politik“ beiseite gewischt – nämlich die, dass Deutschland nie wieder einen deutschen Sonderweg beschreiten dürfe. Und sie erneuert die Aufforderung, die Regierung möge sich bei den UN an den Beschluss des EU-Sondergipfels halten, der Gewalt als letztes Mittel nicht ausschließt.

Für ihre Gesprächspartner in Washington – Vizepräsident Cheney, Sicherheitsberaterin Rice und Verteidigungsminister Rumsfeld – sind spätestens seit der Münchner Sicherheitskonferenz vor gut zwei Wochen die Differenzen zwischen Rot-Grün und der Union kein Geheimnis. Insofern hat Merkel ihre Position nur verdeutlicht. Klar ist, dass Merkel mit ihrem Standpunkt in Washington, wo rot-grüne Politiker derzeit kaum so ein Besuchs- Programm bekommen würden, gern gehört werden wird. (dpa)