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Zusammen repariert man schneller

Im Löbtauer Repair-Café helfen sich Tüftler gegenseitig, Kaputtes wieder ganz zu machen – vom Schuh bis zum Drucker.

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Bis zum Kondensator reicht die Spannung, dann ist Schluss. Nullen blinken auf dem Spannungsmesser und in den Gesichtern Ratlosigkeit. „Ich bin raus, keine Ahnung, wo ich auf der Leiterplatte messen muss“, gibt Björn Steiniger zu und widmet sich wieder den Filzpantoffeln auf seinem Schoß. Als Chemiker liegen ihm Dinge, wie das aufgebohrte Netzteil des kaputten Druckers, einfach nicht, Handfestes schon eher. Toaster, Bleistiftspitzer oder Holzstühle aus alten Tagen zum Beispiel. Oder eben Schwiegervaters Pantoffeln. Die hält er gerade in den Händen. Ihre Naht ist aufgedröselt. Für Björn Steiniger ist das noch lange kein Grund, sich von ihnen zu trennen. Mit der Ahle zieht der 38-Jährige neue Fäden ein und erklärt dabei, wie es zum Reparatur-Treff in Löbtau kam.

Wegschmeißen sei nämlich so gar nicht seine Art. Auch deswegen gefiel ihm die Idee eines Treffs für all die Selbermacher und Reparierer der Stadt so gut. Dass die kleine Werkstatt seit dem Spätsommer nun regelmäßig ihre Türen öffnet, ist auch sein Verdienst. Ein Zeitungsartikel gab ihm und einer Handvoll Kollegen den Ruck dazu. Vor gut einem Jahr stand der in der Presse. Von Repair-Cafés war darin die Rede. Von Räumen also, in denen sich Tüftler, Bastler und Wegwerfgegner treffen, um gemeinsam zu werkeln, erklärt Steiniger.

Rettung vor der Mülltonne

Für alle möglichen Reparaturen gibt es Material. Und Werkzeug, vom Lötkolben bis zur Nähmaschine. Wer kaputte Dinge bringt, bekommt kostenlos Hilfe beim Reparieren. Ein reiner Reparaturservice ist das nicht. Gemeinsam zu werkeln ist das Prinzip, Selbstorganisation sowieso. Aus Holland ist diese Welle nach Deutschland geschwappt – und mit der Löbtauer Werkstatt auch in Dresden angekommen.

Zweimal im Monat treffen sich Björn Steiniger und die übrigen Repair-Café-Gründer mittlerweile zum Tüfteln. Im „WerkStadtLaden“ auf der Wernerstraße haben sie sich für ihre Reparaturnachmittage eingemietet. Unzählige Kisten stapeln sich dort, Werkzeug so weit das Auge reicht. Dazwischen Unmengen an Einzelteilen. Omas altes Nähkästchen findet genauso einen Platz wie all die Schraubenschlüssel und Drähte. Der Lötkolben auf dem großen Tisch schickt kleine Dampfwolken in die Luft. Es riecht nach Öl und Kaffee. Den schüttet sich Björn Steinigers Kollege Peter Galjynski gerade nach. Im Alltag ist er Sozialwissenschaftler, in freien Momenten Selbermacher. Gerade lässt er die löchrige Jeans seines Sohnes unter der betagten Nähmaschine entlangrattern. Warum er sie flickt, ist für den 41-Jährigen eine Einstellungssache. „Das Wegschmeißen ist doch das Erklärungsbedürftige, nicht das Reparieren“, sagt er. Die Idee der Schrauber kommt gut an, längst nicht nur bei den Löbtauern. Jeden ersten und dritten Mittwoch ist die braune Eingangstür geöffnet. Ständig schaut jemand vorbei, sagt mal Hallo, fragt, ob das hier das Repair-Café sei, von dem man so viel höre, oder sucht einen Plausch. Fünf bis sechs Leute bringen pro Nachmittag Kaputtes vorbei. Mal sind es Rentner, mal Studenten, mal ein Vater mit seinem Sohn, der einen alten Verstärker aus DDR-Zeit wieder flottmachen will.

„Zu uns kommen alle, das ist total gemischt. Junge meist mit Handys, aber auch viele Alte“, erzählt Björn Steiniger. Die sind ihm oft lieber. „Die wissen noch, dass man Dinge reparieren kann.“ Und sie bringen meist solche Sachen, die sich auch bauen lassen. Bei all der neuzeitlichen Elektronik sei das nämlich gar nicht so leicht. „Dieser E-Kram überflutet uns“, ruft Peter Galjynski von der Nähmaschine herüber, „dabei liegt da die Erfolgsquote beim Reparieren vielleicht bei eins zu drei.“ Gedacht sei das so nicht gewesen. Als ihre Werkstatt die ersten Male öffnete, hofften sie noch auf kaputte Stühle oder betagte Nähmaschinen. Dinge eben, die sich reparieren lassen. Der Alltag sieht anders aus – im Moment wie ein moderner Tintenstrahldrucker. Mit Tasten und Display, doch das leuchtet längst nicht mehr, zum Ärger von Thomas Gajewski. Das ganze Geografie-Studium tat der Drucker seinen Dienst, dann kam das Aus, ausgerechnet beim Drucken der letzten Studienarbeit. „Blinken in bunten Farben, dann eine Fehlermeldung und seitdem kein Mucks mehr“, beschreibt der Diplomand das Problem. Dass es hier kostenlose Hilfe beim Schrauben gibt, hat ihm seine Mutter erzählt. Nun hofft er auf Björn Steiniger und seine Kollegen. Die haben die Patronen ausgebaut und den Druckkopf gesäubert. Auf Küchenkrepp liegen die Einzelteile vor ihnen, doch nichts will helfen.

Ahnung von Druckern hat hier kaum jemand, am wenigsten Thomas Gajewski. „Mehr als kaputtgehen kann er ja nicht mehr“, witzelt er noch, da surrt schon der Akkuschrauber. Jemand bohrt das Netzteil auf. Und nun? „Die Leiterplatte sieht gut aus, die Sicherung scheint intakt“, schwirren die Wortfetzen durch die Werkstatt. Also wird wieder die Spannung geprüft, aber diesmal mit System. „Wo muss man hier denn genau messen?“, fragt Björn Steiniger in den Raum. Er ist raus, gibt auf, ein anderer Kollege übernimmt. Einer, der Elektrotechnik studiert und eben dem kaputten Radio eines Rentners neue Töne entlockt hat. Schnell wischt er sich noch die Hände sauber und widmet sich dem Spannungsmesser.

Thomas Gajewski schöpft neuen Mut. „Bis zum Kondensator reicht die Spannung, dann ist Schluss“, lautet die Diagnose. Für diesen Nachmittag allerdings auch.

Beinahe zwei Stunden dauert die Suche nach dem Fehler schon. Thomas Gajewski sieht das gelassen. Er will wiederkommen. Wenn nichts hilft, geht es dem Kondensator an den Kragen. Dann wird gesucht, bis der Fehler ertappt ist. Solange bis der Drucker läuft. Denn zum Wegschmeißen ist er ihm allemal zu schade.

www.repaircafe.fueralle.org