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Zutritt verboten

Geheimhaltung ist Markenzeichen der Bilderberg-Konferenzen. Jetzt trifft sich die Elite in der Demo-Hochburg Dresden.

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Von Karin Schlottmann und Alexander Schneider

Sie hätten sich einen einsameren Ort suchen können. Ein Luxushotel in den Bergen oder ein Kloster in der Lausitz, dort, wo wirklich niemand Notiz von ihnen nimmt. Aber die Bilderberger, ein auf strenge Geheimhaltung bedachter privater Debattier-Club, trifft sich in diesem Jahr ausgerechnet in der Hauptstadt des Protests gegen die vermeintliche Elite des Landes. Vom 9. bis zum 12. Juni haben die Veranstalter das Hotel Taschenberg-Palais in Dresden unweit von Zwinger, Schloss und Semperoper komplett gebucht.

Anfang des Jahres erhielt die Dresdner Polizei die ersten Hinweise auf die Promi-Konferenz. Die Informationen blieben allerdings vage. Ein Treffen der Airbus-Group stehe bevor, hieß es. Dass sich hinter „Airbus-Group“ das hochkarätige Bilderberg-Treffen mit rund 150 internationalen Führungskräften verbirgt, erfuhr Polizeidirektor René Demmler aus der Zeitung. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch die Fotos des G-7-Treffens im bayerischen Elmau im vorigen Jahr vor Augen gehabt, sagt er. „Ich dachte mir, das wird sportlich.“

Zu dem Zeitpunkt steckte Demmler mit einem Aufbaustab namens Unitas schon in den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit. Jetzt plant er zusätzlich mit seinem etwa 30-köpfigen Stab den Schutz der Bilderberg-Gäste. Dazu wird der Eingangsbereich des Taschenberg-Hotels mit einem großen Sicherheitszaun abgeschirmt. Das Innenministerium hatte den Zaun zum G-7-Finanzgipfel 2015 angeschafft. Am 6. Juni beginnen die Aufbauarbeiten. Der Zaun soll vor allem die An- und Abreise der Teilnehmer sichern, erläutert Einsatzleiter Demmler. Der Tagungsort gehört zum Sicherheitsbereich 1, der Zutritt ist für die Allgemeinheit verboten. Sicherheitsbereich 2 ist größer. In diesem Gebiet kann die Polizei, wenn nötig ,weitere Straßen oder die gesamte Fläche sperren. Er umfasst unter anderem die Kleine Brüdergasse, die Sophienstraße und die Freifläche vor dem Grünen Gewölbe. Außerdem sind verdachtsunabhängige Kontrollen von Marien- bis Augustusbrücke möglich. Zwei Marathonläufe an dem Wochenende sorgen für zusätzlich Aufwand.

Größere Zwischenfälle hat es bei den Bilderberg-Konferenzen bisher nicht gegeben. In den vergangenen Jahren traf sich die Elite aus Politik, Wirtschaft, Adel, Finanzwirtschaft und Militär in Telfs-Buchen (Österreich), Kopenhagen, Hertfordshire (Großbritannien) und Chantilly (USA). Kritiker der angeblichen Weltregierung haben sich schon in Dresden zum Protestieren angemeldet. Während der vier Tage sind rund 20 kleinere und größere Demonstrationen geplant. Das Anmelderspektrum reicht von der rechtsextremistischen NPD bis zum Kunst- und Sozialprojekt Lovestorm People. Demmler sagt, er rechne nicht mit gewalttätigen Ausschreitungen. Ihm obliegt die Verantwortung für die Sicherheit außerhalb des Hotels. Die Kosten dafür trägt der Freistaat. Die Finanzierung des Aufenthalts ist Sache der Veranstalter.

Es gehört zu den Traditionen der Bilderberger, die Liste der prominenten und weniger prominenten Teilnehmer erst kurz vor Beginn der Konferenz zu veröffentlichen. Nicht nur diese Eigenart unterscheidet die Tagung von anderen hochrangigen Zusammenkünften dieser Art, sei es das Weltwirtschaftsforum in Davos oder die Münchner Sicherheitskonferenz. Die strenge Geheimhaltung und die Aura des Besonderen weckt nicht nur Argwohn in der Öffentlichkeit, sie übt womöglich auch besonderen Reiz aus auf den einen oder anderen Teilnehmer. Seit Gründung der Bilderberg-Konferenzen haben regelmäßig einflussreiche deutsche Politiker teilgenommen. Helmut Schmidt kam 1973, Helmut Kohl 1980, Angela Merkel 2005.

Zu den prominentesten Wirtschaftsvertretern gehörten in den vergangenen Jahren die Konzern-Chefs Thomas Enders (Airbus), Michael O‘Leary (Ryanair), Eric Schmidt (Google), Mathias Döpfner (Springer), Klaus Kleinfeld (Aluminiumhersteller Alcoa) sowie Silicon-Valley-Investor Peter Thiel. In diesem Jahr haben seitens der Bundesregierung drei Minister zu- und zwei abgesagt. Die Kanzlerin reist nicht nach Dresden. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir erhielt eine Einladung. Er könne wegen anderer Termine nicht kommen, teilte eine Parteisprecherin mit. Grünen-Politiker Jürgen Trittin gehörte 2012 zu der illustren Runde. Er halte Kontakt- und Redeverbote nicht für sinnvoll, verteidigte er sich gegen Kritiker aus den eigenen Reihen.