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Zwei Jahre länger arbeiten für eine geringere Rente

Die große deutsche Reformmaschine entpuppt sich als Schredder für Politikerzitate. Es gebe bis 2010 keine Notwendigkeit für eine weitere Rentenreform, sagte im November SPD-Generalsekretär Olaf Scholz....

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Von Verena Schmitt-Roschmann

Die große deutsche Reformmaschine entpuppt sich als Schredder für Politikerzitate. Es gebe bis 2010 keine Notwendigkeit für eine weitere Rentenreform, sagte im November SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Sozialministerin Ulla Schmidt lehnte damals die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre „auf absehbare Zeit“ ab. Beide Sozialdemokraten haben umgedacht. Nun kommt eine weitere Rentenreform, die den Erwerbstätigen schrittweise längere Arbeit und den Rentnern geringere Renten bescheren wird.

Nur einer hat seine Ansichten in diesem halben Jahr kaum ändern müssen. Regierungsberater Bert Rürup hatte die schrittweise Erhöhung des Rentenalters zwischen 2011 und 2035 bereits im Herbst angemahnt. Gestern präsentierte der Darmstädter Ökonom seinen Vorschlag als Mehrheitsbeschluss der nach ihm benannten Reformkommission. Außerdem einigte sich die Kommission auf einen neuerlichen Eingriff in die Rentenformel, die nun wirklich und langfristig die Beitragssätze der gesetzlichen Rentenversicherung bei 22 Prozent oder weniger stabil halten soll.

Nachbesserung einer „Jahrhundertreform“

Dieses Ziel hatte bereits die Reform des damaligen Sozialministers Walter Riester im Jahr 2000. Schon damals wurde beschlossen, das Niveau der gesetzlichen Rente schrittweise abzusenken, indem von den jährlichen Erhöhungen zwischen 2003 und 2010 etwas abgezwackt wird. Statt den Anstieg der Nettolöhne zu übernehmen, werden jeweils 0,5 Prozentpunkte abgezogen. Die langfristigen Einbußen sollen die Erwerbstätigen wettmachen, indem sie zusätzlich mit Hilfe des Staates privat fürs Alter sparen. Eine Jahrhundertreform sei das, hieß es damals.

Zwei Jahre später muss nachgebessert werden – weil die Berechnungsgrundlage nicht stimmte, wie Rürup unverblümt einräumte. Schon damals hätten Experten die Daten zur Alterung der Gesellschaft angezweifelt, betonte Rürup und meinte offenbar sich selbst. Nun hat die Kommission neue Zahlen von den Wissenschaftlern der Republik zusammengetragen und festgestellt: Die Riester-Reform reicht nicht. 2030 lägen damit die Beiträge nicht bei den gewünschten 22, sondern mindestens bei 24,5 Prozent.

Zwei Faktoren kämen zusammen, erklärte Kommissionsmitglied Axel Börsch-Supan. Die Leute werden älter, was einen längeren Rentenbezug bedeutet. Und es werden weniger Kinder und damit weniger künftige Beitragszahler geboren. Der Rentenbezug soll nun damit verkürzt werden, dass die Menschen zwei Jahre länger arbeiten. Der Beitragszahlerschwund wird mit weiteren Abschlägen bei den Rentenerhöhungen der kommenden Jahrzehnte glattgebügelt. Damit wird das Rentenniveau über 30 Jahre hinweg um weitere 2,2 Prozentpunkte abgesenkt. Die Riester-Reform brachte bereits ein Minus von sechs Prozent.

All das braucht künftige Rentner finanziell nicht zu berühren, meinen die Experten. Denn wer zwei Jahre länger arbeite, habe auch längere Beitragszeiten und Ansprüche. Und wer gleichzeitig immer schön privat anspare, brauche die Abschläge der gesetzlichen Rente nicht zu fürchten. (AP)