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Zweifelhafter Gewinn

Eine Zittauerin geht beinahe Betrügern in die Fänge. Der Fall zieht Kreise bis Düsseldorf zu einer verärgerten Anwältin.

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© Claudia Hübschmann

Von Anja Beutler

Zittau. Christine B. kommt mächtig ins Staunen, als sich am 17. Januar ein Berater der Deutschen Bank aus der Konzernzentrale in Frankfurt am Main bei ihr meldet. Er erklärt der 69-Jährigen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Sperrung ihres Bankkontos verlange, weil sie eine Steuerschuld nicht beglichen habe. Diese Schuld rühre von einem Gewinnspiel her. Christine B. wird misstrauisch und wittert eine Abzockmasche: „Ich habe ihm gleich gesagt, dass ich nirgendwo mitmache und nur Sachsenlotto spiele“, erinnert sie sich. Umso verblüffter war sie, als der angebliche Bankangestellte dann erklärte: „Ja, die Abbuchungen vom Sachsenlotto sehe ich hier auf ihrem Konto.“

Ob der Mann tatsächlich auf ihre Bankdaten schauen konnte oder nur geblufft hat, weiß die Zittauerin nicht. Sie erinnert sich aber, dass der Anrufer ihre korrekte Kontonummer kannte, sehr seriös geklungen und mit keinerlei Akzent gesprochen habe. Er erklärte ihr in der Folge, dass sie vielleicht einmal zufällig ein Spiel mitgemacht habe. Den Gewinn – 36830 Euro – habe sie jedenfalls nie abgerufen und so liege das Geld in der Türkei, wo der Veranstalter des Gewinnspiels seinen Sitz habe. Deshalb seien dort auch 12130 Euro Steuerschulden aufgelaufen. Um eine Kontosperrung zu vermeiden, empfahl er ihr, eine Rechtsanwältin zu Hilfe zu nehmen. Die Bank helfe ihr bei der Kontaktherstellung.

In der Tat rief Dr. Stefanie Kunz einige Stunden später bei Christine B. an. „Auch sie klang sehr seriös und erklärte mir, dass sie gegen ein Honorar von 1990 Euro die Sache umgehend bereinigen werde“, erinnert sich die Zittauerin und ergänzt: „Ich habe gesagt, ich überlege es mir und rede erst einmal mit meinem Mann, aber sie wollte, dass ich das gar nicht erst weitererzähle.“ Christine B. hat sich seither nicht mehr gerührt, auch als die Nummer von der vermeintlichen Rechtsanwältin noch einmal im Telefondisplay auftauchte. Ohnehin waren die Festnetznummern des Bankangestellten und der Anwältin als auch die Handynummer der Juristin nicht echt: Bei einem SZ-Versuch hieß es nur: „Falsche Nummer“ oder „Außer Betrieb“. Möglicherweise haben die Anrufer die Nummer übers Internet gebucht und gewissermaßen vorgeblendet, dass es normale Festnetzanschlüsse seien.

Den echten, richtigen Anschluss zur Juristin Dr. Stefanie Kunz gibt es allerdings wirklich. Und die Nummer der Düsseldorfer Strafrechtlerin haben seit November 2017 einige Personen gewählt, die sie bislang nicht kannte. Sie alle erzählten gleiche oder ähnliche Geschichten wie Christine B. „Die ersten Anrufer habe ich mir noch gar nicht notiert, aber als es sich häufte, habe ich eine Akte angelegt“, erklärt die Juristin der SZ. Zehn bis 15 Fälle seien es inzwischen, in denen Betrüger ihren Namen missbraucht haben. Und in einigen dieser Fälle haben die Angerufenen den Betrügern durchaus Geld überwiesen. „Ich habe Strafanzeige beim Polizeipräsidium in Düsseldorf erstattet“, erklärt die Anwältin, die verständlicherweise besorgt ist, dass ihr Ruf Schaden nimmt. Inzwischen befasst sich schon die Staatsanwaltschaft mit den Fällen. Außerdem hat sich die Juristin auch mit Banken in Verbindung gesetzt, um vor der Masche zu warnen: „Eine Anruferin hat mir berichtet, dass der angebliche Bankangestellte ihren Kontostand benennen konnte“, erzählt Frau Kunz.

Wenn Anrufer solche Informationen haben – und dazu noch am Telefon darüber sprechen – sollte man skeptisch werden, bestätigt auch ein für Sachsen zuständiger Sprecher bei der Deutschen Bank auf Nachfrage. Mitarbeiter würden definitiv keine Kontodaten oder Sicherheitsnummern abfragen oder am Telefon erwähnen. Und wenn gar eine Kontosperrung im Raum stehe, kläre man das definitiv nie am Telefon, sondern bitte den Kunden immer in die Filiale, betont er außerdem. In welchem Maße Kunden der Deutschen Bank gegebenenfalls von solchen Betrügereien betroffen sind und ob es derzeit eine Welle gebe, kann er mit Blick auf die Datensicherheit nicht sagen.

Fest steht aber, dass derartige Betrugsmaschen dauerhaft Konjunktur haben und immer wieder in mehr oder minder großen Wellen auffallen. Das bestätigt auch Madeleine Urban von der Pressestelle der Polizeidirektion Görlitz. Ob es noch mehr oder ähnliche solche Anrufe gab, wie sie Frau B. aus Zittau erlebt hat, konnte sie derzeit nicht mit Gewissheit sagen. Ein Grund dafür ist auch, dass die meisten Betroffenen diese Fälle nicht anzeigen. „Dabei ist auch der Versuch strafbar“, sagt sie. Auch Christine B. hatte bereits erwogen, die Sache anzuzeigen. Jetzt hat sie erst recht einen Grund dafür.