Zweiter Aufguss von Karl-Friedrich Boerne

So viel Vaddern, Klemm, Alberich und Thiel gab es noch nie im „Tatort“ aus Münster. Sogar Professor Doktor Karl-Friedrich Boerne war quasi zweifach da. Dass ein Teil der Doppelgänger ins Gras beißen musste, ist Pech für diese. Warum sind sie auch im Bild am Sonntagabend, wenn Krimi-Zeit ist. Da braucht es eben Leichen.
Nahezu alle Spielarten des Krimis sind in den bislang 34 Folgen des mittlerweile beliebtesten „Tatort“-Teams aus Münster seit dessen Start im Oktober 2002 durchexerziert worden. Da war die Story mit den Doppelgängern der fünf Hauptcharaktere tatsächlich was Neues. Zu verdanken ist das dem erfolgreichen Krimi-Drehbuchautor Benjamin Hessler, der seine humorige Ader unter anderem bei „Mord mit Aussicht“ unter Beweis gestellt hatte. Er selbst war als Doppel- beziehungsweise Triplegänger aufgewachsen, denn seine Brüder und er sahen sich sehr ähnlich. „Als häufig Verwechselter findet man sich irgendwann damit ab und entdeckt das komische Potenzial“, sagt er. „Als Verwechselnder hingegen durchlebt man jedes Mal eine kurze, unangenehme Unschlüssigkeit, wer nun wirklich vor einem steht; einen unheimlichen Moment, in dem Identitäten zu verschwimmen scheinen.“
Dieses Gefühl machen sich Schauerliteratur und -film seit Langem zunutze – und schwarzromantisch geriet denn auch die neueste Geschichte mit Thiel und Boerne. Das hatte lange Zeit Spannung, unterhaltsam war es ohnehin, und die Erkenntnis des Abends lautet: Traue keiner harmlos wirkenden Büro-Angestellten. Diese könnte gerissen, skrupellos und brutal sein!
Interessant war, wie die beiden Protagonisten Jan Josef Liefers und Axel Prahl ihre eigenen Doppelgänger zu spielen vermochten. Liefers, als selbstverliebt-zynischer Pathologe Boerne unübertroffen, gab einen lebensfremden Jazzer. In gewisser Weise ein zweiter Aufguss des Rechtsmediziners, nur dass der Musiker etwas verlebt wirkte.
Anders Axel Prahl: Sein Thiel ist ja übergewichtig und schlecht gekleidet, oft genug mies gelaunt und poltrig. Doch als Doppelgänger war er mit Hut, Anzug und Fliege ein gut gekleideter, geradezu geschniegelter Gentleman. Allein der Mafiosi-Oberlippenbart – eine Schau für sich. Sein zärtlich-müder Umgang mit der Gattin tat ein Übriges. Von dieser Charakterstudie hätte man gern mehr gesehen. Ganz klares Fazit: Eins zu null für Axel Prahl!