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Zwischen Diesel- und Elektroantrieb

In der Stadt fahren die CityLink-Bahnen als Straßenbahn, auf dem Land als Eisenbahn. Vielleicht auch mal bis Döbeln.

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© Dietmar Thomas

Von Maria Fricke

Kaum merklich surrt die Linie C13 über die Gleise. Als die CityLink-Bahn am Hauptbahnhof in Chemnitz hält, ist es mit der Stille vorbei. Der Stromabnehmer wird eingeklappt. Der Fahrer schmeißt den Motor an. Die Bahn fängt an zu tuckern. Die Linie verlässt Chemnitz und fährt in Richtung Burgstädt. Sie verliert den Straßenbahncharakter, wird zur Regionalbahn, die auf Eisenbahnschienen weiterfährt.

Die Linie C13 ist ein Teil des Chemnitzer Modells, mit dem der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) sich auf die Zukunft im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einstellt. „Kurz nach der Wende haben wir uns gefragt, wie es mit dem Nahverkehr weitergehen soll“, erklärt Mathias Korda, Geschäftsbereichsleiter Verkehr und Infrastruktur beim VMS. Der Anschluss des Umlandes mittels S-Bahn, wie ihn Dresden oder Leipzig praktizieren, war dem Verkehrsunternehmen zu teuer. Daher entschied man sich, das vorhandene Straßen- und Eisenbahnnetz zu nutzen, ganz nach dem Karlsruher Modell.

Das passte besonders gut zu Chemnitz, weil die Mittelzentren wie Hainichen, Mittweida und Burgstädt, aber auch Aue und Stollberg mit 10 000 bis 20 000 Einwohnern sternförmig um die Großstadt angeordnet sind. Im Dezember 2002 wurde die Pilotstrecke Chemnitz-Stollberg in Betrieb genommen. Bevor die Bahn auch von Chemnitz City bis Mittweida Zentrum durchfahren konnte, musste viel Geld investiert werden. Zum einen in den Hauptbahnhof Chemnitz, zum anderen in die Züge.

Um die Verbindung zwischen den bestehenden Straßen- und Eisenbahnnetzen herzustellen, war es notwendig, am Hauptbahnhof rund 250 Meter Anschlussgleise sowie eine Gleisschleife zu ergänzen. Zudem wurde das Querbahnsteiggebäude abgerissen, in dem sich einst zahlreiche Büros befunden haben. Von 2009 bis 2014 wurden dort die vier neuen Gleise und das Rundherum am Hauptbahnhof errichtet. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 32,5 Millionen Euro. „Die Straßenbahn ist schon immer bis zum Hauptbahnhof gefahren. Es mussten nur die Gleise verbunden werden“, schildert Mathias Korda. In die Eisenbahnstrecken in Richtung Mittweida, Hainichen und Burgstädt musste kaum etwas investiert werden. Die Strecken waren bereits in gutem Zustand.

Rund 42,3 Millionen Euro haben die acht neuen CityLink-Züge gekostet, die extra für das Chemnitzer Modell in Auftrag gegeben worden sind. Das Besondere der Bahnen mit 87 Sitzplätzen ist das Zweifahrsystem. Während der Fahrt als Straßenbahn in der Stadt fährt die Bahn mit Elektroantrieb aus dem Straßenbahnnetz. Sobald die Bahn auf Eisenbahnstrecken unterwegs ist, schaltet sie auf Dieselbetrieb um. „Auch wenn außerhalb Stromleitungen zu finden sind, können wir diese nicht nutzen“, sagt Jeanette Kiesinger. Grund ist die anliegende Spannung. Im Straßenbahnnetz liegen rund 750 Volt Gleichstrom an, im Eisenbahnbereich ist es Wechselstrom mit einer Spannung von bis zu 15 000 Volt. Für den CityLink nicht nutzbar. Im Vergleich mit herkömmlichen Straßenbahnen sind diese Züge schwerer, aber immer noch leichter als Eisenbahnen. Wie die besitzen sie eine Toilette, die jedoch nur auf den Eisenbahngleisen benutzt werden darf.

Auch die Türen sind auf den Betrieb als Straßen- und Eisenbahn ausgerichtet. Sie haben zwei verschiedene Einstiegshöhen. Der Ausgleich im Inneren erfolgt über eine Rampe im Mehrzweckbereich, in dem Fahrräder und Kinderwagen abgestellt werden können. Die außen weiß und innen grün markierten Türen sind ebenerdig zu den Straßenbahnhaltestellen in der Stadt Chemnitz. Hier sind fast alle Haltestellen der Einstiegshöhe angepasst wurden. Die außen und innen rot markierten Türen sollen im Optimalfall bei den Bahnhöfen außerhalb einen barrierefreien Zutritt ermögliche. Doch das ist längst nicht überall der Fall. „In Richtung Hainichen sind eigentlich alle Bahnsteige auf einer Höhe, aber in Richtung Mittweida ist nicht ein Bahnsteig barrierefrei. Auf der Strecke nach Burgstädt trifft das nur für Burgstädt zu. Die Haltestelle haben wir als VMS in Ordnung gebracht. Bei den restlichen Bahnsteigen drängen wir, dass etwas gemacht wird“, sagt Mathias Korda.

5 600 statt 800 Fahrgäste

Über freies W-Lan verfügen die Züge noch nicht. Aber das könne nachgerüstet werden, sagt Korda. Vier neue Züge im Wert von rund 22 Millionen Euro hat die VMS im Juni 2015 nachbestellt. Diese enthalten bereits eine Technologie, nach der drei W-Lan-Netze gleichzeitig beobachtet werden können. Die Technik suche sich das Netz raus, welches am stärksten empfangen wird, erklärt Korda. Internet in den Zügen kann der VMS allerdings nicht garantieren. „W-Lan gibt es nur dort, wo auch Handyempfang ist“, meint Korda. Und das sei vor allem auf den Strecken nach Burgstädt und Mittweida schwierig.

Seit dem 10. Oktober 2016 fahren die CityLinks zwischen Chemnitz und Mittweida sowie Burgstädt. Zwischen 640 (in Richtung Mittweida) und 870 (in Richtung Hainichen) Fahrgäste haben die Verbindung vor der Umstellung genutzt. Aktuelle Prognosen rechnen mit über 2 000, die zwischen Burgstädt und Chemnitz fahren, über 1 500 auf der Strecke nach Mittweida sowie 1 700 nach Burgstädt.

Nach Stollberg hat sich die Verbindung ausgezahlt. Waren zuvor nur rund 800 Personen auf der Strecke unterwegs, sind es jetzt 5 600 über den ganzen Tag verteilt. „Die Prognosen sagen eine Steigerung voraus“, so Jeanette Kiesinger. Ab 11. Juni können auch die Fahrgäste nach oder von Hainichen die CityLink-Bahn benutzen. Das sei aufgrund von Softwareproblemen bisher nicht möglich gewesen, begründet die VMS-Sprecherin. Auf der Strecke müssen die Reisenden noch von der Straßenbahn in den Regioshuttle umsteigen.

Genau das fällt im Chemnitzer Modell weg. Ziel ist es, mit diesem nicht nur mehr Fahrgäste zu gewinnen. Sinn sollte auch sein, das vorhandene Eisenbahnnetz langfristig zu sichern, weil es wieder betrieben wird, den Fahrgästen eine schnelle Verbindung zu ermöglich und die Region und die Stadt ohne Umsteigen zu verbinden. „Andere Verbindungen sind immer länger“, sagt Jeanette Kiesinger.

Zurzeit arbeitet der VMS an der zweiten Stufe des Modells, der Verbindung in Richtung Aue. Ende 2018 soll sie stehen. Geplant ist zudem, den CityLink von Stollberg weiter nach Oelsnitz fahren zu lassen. Hier laufe zurzeit das Planfeststellungsverfahren. „Wir hoffen, dass wir 2019/20 bauen können“, sagt Korda. Noch nicht in Bearbeitung sind Stufe vier in Richtung Limbach-Oberfrohna sowie Stufe drei in Richtung Annaberg-Buchholz und Olbernhau. In ferner Zukunft denkbar ist sogar eine direkte Verbindung nach Döbeln. So zumindest stehe es, laut Korda, im Nahverkehrsplan des VMS. „Das gemeinsame Ziel haben wir ins Auge gefasst, aber unter den derzeitigen Bedingungen ist es nicht möglich. Es gibt nicht genug Fahrzeuge und nicht genug Geld“, so der Geschäftsbereichsleiter.

Bei der Finanzierung des Chemnitzer Modells bekommt die VMS Unterstützung vom Freistaat Sachen sowie dem Bund. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der Zweckverband, 30 Prozent kommen vom Land. Die restlichen 60 Prozent schießt die Bundesrepublik zu.