Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Freischalten Freischalten Görlitz

Kreis Görlitz: Bringt Gemeinde-Ehe Nachteile?

Bürgermeister bereiten den Zusammenschluss von Waldhufen und Vierkirchen intensiv vor. So denken Einwohner darüber.

Von Constanze Junghanß
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Norbert Pohl ist seit Jahrzehnten Unternehmer im Vierkirchener Ortsteil Döbschütz. Durch eine Fusion würde sich nicht viel ändern, schätzt er ein.
Norbert Pohl ist seit Jahrzehnten Unternehmer im Vierkirchener Ortsteil Döbschütz. Durch eine Fusion würde sich nicht viel ändern, schätzt er ein. © Foto: Constanze Junghanß

Die Geranien sind getopft, die Stiefmütterchen blühen. In der Döbschützer Gärtnerei von Norbert Pohl ist immer viel los. Eine Kundin fragt, ob die Pflanzschalen mit den Hyazinthen und Krokussen herausgestellt werden können. Norbert Pohls Frau Margit bindet nebenan den Blumenstrauß für einen Geburtstag. Die Gärtnerei ist ein Stück weit Treffpunkt für die Vierkirchener, Neuigkeiten werden ausgetauscht, die Menschen kennen sich. Kein aktuelles Gesprächsthema ist jedoch, was die Kommunalpolitik bewegt: Eine geplante Fusion von Vierkirchen mit Waldhufen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Vierkirchen wäre dann nicht mehr eigenständig. Die Zeit drängt. Haben sich die Gemeinderäte beider Kommunen auf einen Zusammenschluss verständigt, soll der Bürgerentscheid zusammen mit der Kommunal- und Europawahl im Juni stattfinden. Die Einwohner sollen mitbestimmen, ob sie das so wollen. Das wäre dann der nächste Schritt.

Einen Bäcker gibt es im 1.650 Einwohner zählenden Vierkirchen nicht. Auch keinen Arzt, der Dorfladen machte vor einiger Zeit dicht, die Schule ist schon lange Geschichte. Weggebrochene Infrastruktur für ein weitläufiges Gebiet, das aus zehn Orten besteht und in denen verteilt auf einen Quadratkilometer 47 Menschen leben. Zum Vergleich: Die Einwohnerdichte von Görlitz ist fast 16 mal höher. Was die Menschen auf dem Dorf bewegt, das seien oft ganz andere Themen, als in der Stadt, wie Norbert Pohl sagt. Die Erreichbarkeit von Schule, Arzt, Kultur beispielsweise, zählt er auf. Eine Fusion mit Waldhufen ändert daran nichts. „Für uns als Gärtnerei wäre das insofern ein Aufwand, als wir allen Geschäftspartnern eine neue Postleitzahl mitteilen müssten“, überlegt Margit Pohl. Aktuell ist die Postleitzahl identisch mit der von Reichenbach. Reichenbach ist die Verwaltungsgemeinschaft (VG), die Vierkirchener machen dort ihre Erledigungen im Rathaus. Die VG übernimmt verschiedene Aufgaben für ihre Mitgliedsgemeinden, wobei diese weiterhin souverän bleiben, auch auf politischer Ebene.

Ohne externe Verwaltung geht es nicht

Die Sorge in Vierkirchen scheint bei manchen allerdings groß, von Reichenbach irgendwann einmal „geschluckt“ zu werden. Das stand in den letzten Jahren überhaupt nicht zur Debatte. Vierkirchen fühle sich als „Anhängsel“ von Reichenbach, wie Margit Pohl formuliert. Die Verwaltungsaufgaben müssten aber auch nach einem Zusammenschluss von einem Verband erledigt werden. Das soll, so wurde es in den vergangenen Ratssitzungen deutlich, künftig nicht mehr Reichenbach, sondern der Verwaltungsverband Diehsa sein. Ob Reichenbach da mitmacht, steht nicht fest. Pohls gehen davon aus, dass eine Fusion „zumindest keine Nachteile erbringt, da wird sich nicht viel ändern“, so Norbert Pohl. Vielleicht werde der Verwaltungsaufwand weniger, schätzt seine Frau ein. So oder so gibt es bereits Gemeinsamkeiten: den Bauhof, die Grundschule in Nieder Seifersdorf, den Abwasserverband und seit dem Vorjahr die Gesamtkirchgemeinde Waldhufen-Vierkirchen.

Am Montag bespricht eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Kommunen, wie es weiter geht. Wie die SZ erfuhr, werden Handzettel an die Einwohner verteilt, um über die geplante Zusammenlegung der Gemeinden zu informieren. „Für mich ist das alles recht eindeutig“, sagt Marika Vetter, Gemeinderätin in Vierkirchen. Bei einem Zusammenschluss würden Waldhufen und Vierkirchen auf etwa 4.000 Einwohner wachsen. „Damit sind wir größer und stabiler“, sagt Marika Vetter. Der Gemeinderat in Vierkirchen ist eine Besonderheit. Parteien sind nicht vertreten, sondern die einzelnen Ortsteile bilden jeweils eigene Wählervereinigungen, die die Kommunalpolitik vor Ort machen. Das hängt ein Stück weit mit der Vergangenheit zusammen: Vierkirchen wurde 1994 aus den bis dahin eigenständigen Gemeinden Buchholz, Melaune und Arnsdorf-Hilbersdorf gebildet.

Einwohner wollen mitgenommen werden

Einer der Gemeinderäte ist auch Carsten Scholz. Er sieht eine Fusion eher skeptisch. „Wir sind überhaupt nicht unter Druck, eine Fusion anstreben zu müssen“, sagt er. Käme ein Zusammenschluss mit Waldhufen zustande, sieht er künftig geringere Chancen, eigene Vierkirchener Projekte umzusetzen. Er stellt sich die Frage, wie viele Vierkirchener dann noch im neu zu bildenden Gemeinderat der Großgemeinde vertreten sind, zumal Waldhufen mit rund 2.350 Einwohnern fast 700 Einwohner mehr und damit mehr Wählerstimmen hat. Das Thema an sich sei in der Bevölkerung noch nicht angekommen, es gebe dazu kaum Gespräche, so seine Erfahrung. Das bestätigen auch Einwohner aus dem Ortsteil Buchholz, wie Katharina Tobias. Sie stünde einer Fusion durchaus "offen gegenüber. Es schadet nicht, die Strukturen zu prüfen“, sagt sie. Doch dazu sei eine Mitnahme der Bevölkerung notwendig. Die fehle im Moment.

„Und in unserem Gemeinderat gab es bisher keine Entscheidung dazu“, sagt Carsten Scholz. In der Februar-Sitzung sei der Entwurf wieder von der Tagesordnung genommen worden. „Es waren nur sechs der elf Stimmberechtigten da“, berichtet er. Auch in Waldhufen kam es noch nicht zu einer Abstimmung. Die soll voraussichtlich im März passieren. Zuletzt gab es im Februar eine Art „Probeabstimmung“. Da positionierten sich acht Räte dafür, drei enthielten sich und zwei Räte machten bei der „Meinungsfindung“ nicht mit, da sie darin wenig Sinn sahen.