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Vom Traum- zum Luftschloss

Eine junge Dresdner Architektin will ein altes Rittergut wieder zum Leben erwecken. Doch nach über drei Jahren könnte das Projekt scheitern.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Pinnewitz. Die Geschichte erinnert an einen Hollywood-Streifen: Junge Frau aus der Großstadt, modern, eloquent, unprätentiös, viel gereist, mit Kontakten in die ganze Welt, zieht es aufs Land. Genauer gesagt ins 177-Einwohner-Dorf Pinnewitz zwischen Nossen und Meißen. Hier steht auf einem 11 000 Quadratmeter großen Areal ein schlossartiges, altes Herrenhaus samt Brennerei, ehemaligen Pferdestall und weiteren Nebengelassen. Die junge Frau heißt Mandy Auerswald, ist studierte Architektin aus Dresden, arbeitet als Gebietsleiterin für einen Mobilfunkkonzern.

Vor mehr als drei Jahren wagt sie den Schritt aus der immer teurer werdenden Dresdner Neustadt in die – wortwörtliche – Einöde. „Ich habe ein Anwesen mit Charakter und Geschichte gesucht, einen idyllischen Ort, den ich wieder zum Leben erwecken kann“, sagt die 34-Jährige. Für 40 000 Euro kauft sie damals das gesamte Grundstück. Das hehre Ziel: Das Schloss soll wieder aufgebaut werden.

So weit, so gut. Das märchenhafte Happy End ist seitdem aber ausgeblieben. Zwar schafft Auerswald mit vielen Helfern zusammen einiges: Sie gründet den Verein Schloss Pinnewitz, will Kultur und Kunst in das 1872 errichtete Herrenhaus holen, das zuletzt jahrelang als Wohnhaus, zuvor als Kita und Jugendklub genutzt wurde. Zunächst funktioniert es. Im November 2014 gibt es das erste „Sofakonzert“ auf gemütlichen Sitzecken im Erdgeschoss des Schlosses. Anschließend lädt Auerswald jeden Monat neue Künstler aus Dresden, Berlin, Hamburg, Italien oder Kanada ein. Im Sommer spielen die Bands in einem alten Oldtimer – einem Magirus Deutz, Baujahr 1965 – liebevoll „Maggi“ genannt. Die Konzerte kommen gut an, kosten keinen Eintritt. Wer für den Erhalt des Schlosses spenden möchte, darf das tun. Kommen am Anfang nur 15 Leute, sind es bald bis zu 70, die die Konzerte in historischem Ambiente genießen.

Am Schloss lässt Auerswald erste Arbeiten durchführen, beseitigt Unrat der Vormieter, lässt Löcher im Dach abdichten, richtet Zimmer mit Helfern wieder her. Eines bewohnt sie selbst, weitere Räume sind vermietet. „So sollte es eigentlich weitergehen. Ich wollte das Schloss wieder zum Mittelpunkt des Dorfes machen, die Bewohner hier im Ort begeistern“, sagt Auerswald. Doch das Projekt gerät mehr und mehr ins Stocken.

Die gleichen Unterlagen mehrmals angefordert

Das hat zum einen mit den Dorfbewohnern zu tun: Viele Männer reden nicht mit der Frau aus der Stadt. Andere führen Lärmprotokolle. Wenn es Konzerte gibt, beschweren sich Anwohner beim Ordnungsamt. Auch der Hund von Mandy Auerswald ist einigen ein Dorn im Auge. Die Anzeigen gegen die werdende Mutter häufen sich. Zuletzt musste Auerswald, die in diesen Tagen Nachwuchs erwartet, wegen des Tieres beginnen einen großen Zaun um das Grundstück ziehen zu lassen. Plötzlich gibt es immer mehr Besuche von Behördenmitarbeitern, die sich die Vorhaben Auerswalds sehr genau anschauen.

„Ob Bauamt, Denkmalbehörde oder Ordnungsamt. Von überall gibt es Auflagen, Verbote, Bedingungen“, sagt sie. Mit den Sofakonzerten ist deshalb seit letztem Monat Schluss.

Die Veranstaltungen seien öffentlich, müssten angemeldet werden und seien häufig zu laut, heißt es vom Ordnungsamt. Überdies fehlen weitere Genehmigung für Veranstaltungen im Schloss. „Ich habe jetzt mehreren Bands, die schon geplant hatten, zu uns zu kommen, absagen müssen“, sagt Auerswald traurig. Weitere geplante Bauarbeiten am Herrenhaus liegen derzeit auf Eis. „Die Ämter sind der Meinung, es liege eine Nutzungsänderung vor, wenn ich im ersten Stockwerk baue. Das begründen sie damit, dass die Wohnung über zwei Jahre leer stehe. Dabei kann ich das eindeutig widerlegen“, sagt die Schlossherrin.

Für einen Vorort-Termin haben ihr außerdem gleich mehrere Behörden – darunter Naturschutzbehörde und Denkmalpflege einen einzigen Termin benannt. Nämlich einen Tag nach der errechneten Geburt ihres Kindes. Das grenze schon an Schikane, meint die werdende Mutter, die zudem häufig aufgefordert würde, die gleichen Unterlagen mehrmals abzuschicken.

Das alles koste nicht nur Zeit, sondern auch Geld. „Ich habe für mein Kind einen Strampler kaufen können. Mehr kann ich mir nicht leisten, habe zum Glück Freunde, die mich unterstützen“, erzählt die junge Frau. Gerade laufe der Bauantrag für den Ausbau ihrer Wohnung. Noch immer stehen hier Umzugskartons unausgepackt herum. Sollte es nicht klappen, stünde das ehrgeizige Projekt wohl vor dem Aus. „Dann werde ich verkaufen müssen“, sagt Auerswald. Für das Schloss Pinnewitz wäre das sicher die schlechteste Variante. Einige Bewohner im Dorf dürfte es hingegen freuen, wenn die Geschichte so endete.