Von Frank Seibel
Görlitz. Der erste Sonntag nach der Zeitumstellung begann mit Heulen, Dröhnen, Rattern, Klappern und Krachen. Hatte sich das Tiefdruckgebiet „Herwart“ am Sonnabendabend noch auf ein paar kräftige Sturmböen beschränkt, holte es früh am Morgen noch einmal richtig Schwung. Orkanböen fegten über die ganze Oberlausitz hinweg und bescherten der regionalen Rettungsleitstelle in Hoyerswerda den stressigsten Tag seit ihrem Start vor drei Jahren.
Sturm im Kreis Görlitz
550 Feuerwehreinsätze zwischen 6 und 16 Uhr in den Landkreisen Görlitz und Bautzen, wobei der Raum Görlitz stärker betroffen war als etwa Niesky und Weißwasser. Nahezu jede Feuerwehr der Oberlausitz ist nach Einschätzung der Leitstelle am Sonntag im Einsatz gewesen. Dabei ist 550 nur die Zahl der offiziell über die Leitstelle eingetakteten Einsätze. Nach Schätzung eines Sprechers haben die meisten Feuerwehren unterwegs noch jeweils zwei, drei andere Einsätze absolviert, weil sie umgestürzte Bäume oder andere Schäden beseitigt haben. Nimmt man noch die Einsätze von Polizei und Technischem Hilfswerk hinzu, zählt die Leitstelle 850 Aufträge, die sie innerhalb weniger Stunden abgearbeitet hat. Das waren doppelt so viele wie an normalen Tagen.
Insgesamt hielten sich die Schäden aber noch im Rahmen. Eine spektakuläre Ausnahme: Beim „XXL-Küchenstudio“ nördlich von Görlitz, nahe dem Porta-Möbelmarkt, wurde das Metalldach zur Hälfte abgerissen. In der Landskronstraße wehte „Herwart“ den Belag vom Flachdach des Hauses Nr. 33. Sie stürzte auf die Straße und begrub ein parkendes Auto unter sich. Ansonsten blieb es im Stadtgebiet nach ersten Erkenntnissen vom Tag bei umgestürzten Baustellen-Absperrungen, halb abgerissenen Planen an Baugerüsten und einigen umgestürzten Bäumen oder abgerissenen Ästen. Doch allein im Stadtgebiet Görlitz verzeichnete die Feuerwehr 53 Einsätze im Zusammenhang mit dem Sturm. In 27 Fällen wurden Dächer oder Teile der Fassade beschädigt, teilte die Berufsfeuerwehr am späten Nachmittag mit. 20 Mal waren Bäume das Problem. So krachte ein alter Baum in der Kahlbaum-Allee nahe dem Freisebad auf den Bürgersteig. Dass an diesem stürmischen Tag offenbar kein Mensch verletzt wurde, hat wohl auch damit zu tun, dass Sonntag war und kaum jemand zur Arbeit gehen musste. Es war ruhig auf den Straßen und Wegen, zumal der Wetterdienst rechtzeitig vor dem Unwetter gewarnt hatte. Dennoch waren die Folgen ungemütlich. Im Schöpstal und in anderen Orten der Region fiel für etliche Haushalte der Strom aus, weil ein Baum auf eine Leitung gestürzt war. Im Schöpstaler Ortsteil Ebersbach wurde zudem das Dach eines Buswartehäuschens weggeweht. Apropos Warten: Auf dem Bahnhof musste gestern bis zum frühen Abend niemand warten. Die Bahnbetreiber Trilex und Odeg meldeten Totalausfall zwischen Görlitz und Dresden sowie zwischen Hähnichen und Görlitz, weil umgestürzte Bäume die Schienen blockierten. Wer Montagfrüh fahren muss, sollte sich aktuelle über die Internetseiten von Trilex und Odeg informieren.
Wie in Görlitz und im Schöpstal, hatten auch die Ortsfeuerwehren in und um Reichenbach viel zu tun. Um 9 Uhr am Morgen hatten sie schon elf Einsätze hinter sich. Die Männer fuhren gar nicht erst nach Hause, sondern bleiben gleich im Feuerwehrdepot. Die Straße im Friedenstal zwischen Meuselwitz und Krobnitz war durch mehrere umgestürzte Bäume dicht.
Kurzzeitig wird die Käuffer-Straße in Reichenbach für die Autos gesperrt. Kein Durchkommen mehr möglich. Dort legten sich - wie an vielen anderen Stellen - Bäume über die Straßen. Auf dem Dach der Uhrenschule, die gerade saniert wird, balancierten Bauarbeiter – trotz Sturm. Das im Bau befindliche Dach wird notgesichert. Auf der Löbauer Straße ist die fast zwei Meter große Werbetafel vom Penny-Markt aus der Verankerung gerissen. ie uralten Weiden am Lohebach überlebten den Sturm nicht. Wie Streichhölzer knickten die Riesen auseinander.
Einmal musste die Görlitzer Feuerwehr am Sonntagmorgen auch ein Feuer löschen. In einer Wohnung in der Pontestraße hatte eine Heizdecke einen Zimmerbrand ausgelöst. Zum Glück konnten die Flammen schnell gelöscht werden, sodass auch hier niemand zu Schaden kam.