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23 Kilo in anderthalb Jahren

Selten ging es vor Gericht in Sachsen um mehr Crystal als jetzt im Prozess gegen einen Dresdner Dealer.

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© Kneit Gurre

Von Alexander Schneider

Daniel G. versteckt sein Gesicht hinter einem Aktenordner. Geschickt lässt er sich von den Wachtmeistern die Handschellen abnehmen, ohne sich dabei den Fotografen zu zeigen. Der 42-Jährige ist Angeklagter in einem Drogenprozess am Landgericht Dresden. Den Großteil seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht. Er selbst sagt, dass er eben wegen dieser vielen Jahre im Vollzug massive Probleme hatte, eine Arbeitsstelle zu finden.

Nun sprengt Daniel G. in mehrfacher Hinsicht den Rahmen des Vorstellbaren. Seit Montag muss sich der Deutsche wegen Handels mit mehr als 23 Kilogramm Crystal verantworten. Nie war eine solche Menge dieser derzeit wohl gefährlichsten Droge Gegenstand in einem Dresdner Strafprozess. Für zwei Kilogramm, also nicht einmal einem Zehntel davon, marschieren schwere Jungs für Jahre ins Gefängnis.

Daniel G. steht nicht das erste Mal wegen unglaublicher Drogenmengen vor einem Gericht. Bereits Ende 1997 war er in Griechenland bei Drogengeschäften aufgeflogen. Es ging um insgesamt weit über 400 Kilogramm Haschisch. Zwei Jahre später wurde er dafür und für das Einschleusen von fünf Albanern zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 20 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Ab Mai 2004 durfte er den Rest seiner Strafe in Torgau verbüßen. Die deutsche Justiz verringerte die Strafe auf 15 Jahre, der Höchststrafe nach deutschem Strafrecht.

Strafen summieren sich

Grund zur Freude gab es dennoch keinen, denn es gab noch offene Rechnungen aus der Zeit vor Griechenland. Daher wurde G. für seine Beteiligung an mehreren Überfällen im Sommer 1995 zu weiteren siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Unter anderem war er an bewaffneten Angriffen auf eine Sparkasse in Groitzsch und einen Sonderpostenmarkt beteiligt.

Im Mai 2012 wurde G. auf Bewährung aus der Haft entlassen. Bis dahin hatte er zwei Drittel der Strafen abgesessen – mehr als sieben Jahre sind noch offen, sagte sein Verteidiger Peter Hollstein. Die muss G. nun auch noch absitzen – egal wie viele Jahre er für die neuen Taten aufgebrummt bekommt.

Daniel G. hatte Anfang der 90er-Jahre in Borna Energieelektroniker gelernt, die Ausbildung jedoch nicht abgeschlossen. Weil er keine Stelle fand, habe er sich als Messebauer selbstständig gemacht. Das sei jedoch nicht lange gut gegangen. Irgendwann danach muss er angefangen haben, mit Crystal zu dealen. Ab Mai 2014 sollen es laut Anklage zunächst Mengen von 100 bis 200 Gramm gewesen sein. Bald waren es um die 500 Gramm, schließlich jeweils ein Kilo, einmal sogar zwei.

Zu der Gesamtmenge von mehr als 23 Kilogramm Crystal kommen 4,7 Kilo Marihuana, die da schon fast nicht weiter auffallen. Komplizen hatten das Crystal meist in Tschechien besorgt und eingeführt, teilweise portioniert. G. habe die Droge im Dresdner Stadtgebiet verkauft.

Umfassendes Geständnis

Am 13. November 2015 wurde G. zusammen mit mehreren Komplizen verhaftet. Darunter auch Ludwig J., ein 53-jähriger gebürtiger Münchner, der nun mit G. auf der Anklagebank sitzt. Erst vergangenen Donnerstag hat der Prozess gegen einen weiteren Mitbeschuldigten begonnen, in dessen Spielkasino an der Meißner Landstraße immer wieder Crystal-Übergaben abgewickelt worden sind. Das hat der 42-jährige Türke bereits zugegeben.

Auch G. hat nach seiner Festnahme ein weitreichendes Geständnis abgelegt, sich selbst nicht geschont und „Aufklärungshilfe geleistet“, betonte der Vorsitzende Richter Joachim Kubista. Von vielen der insgesamt 51 Taten hätte man sonst wohl nichts mitbekommen. Die Kammer stellte dem Angeklagten diesmal einen Strafrahmen zwischen neun und zwölf Jahren für ein umfassendes Geständnis in Aussicht. Ludwig J., dem deutlich weniger Taten vorgeworfen werden, kann mit einem Strafrahmen von ebenfalls neun bis elf Jahren rechnen. Er hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen eingelassen.

Auch J. ist erheblich vorbestraft und offenbar spielsüchtig. 2006 hat er fast 140 000 Euro in einer Chemnitzer Sparkasse geraubt, angeblich um Spielschulden bei Kredithaien zu begleichen, die drohten, seiner Familie etwas anzutun. 2008 wurde er dafür wegen Raubes zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Davon muss er noch knapp zwei Jahre absitzen, weil auch J. vorzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen worden war. Der Prozess wird fortgesetzt, bislang sind sieben Sitzungstage bis Ende September geplant.