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Abriss mit Feingefühl

Die Genossenschaft WGG will sich von 84 Wohnungen in Königshufen trennen. Doch was planen andere Großvermieter?

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Weiß, grün, orange, gelb – die Mieter am Alexander-Bolze-Hof 9 bis 21 in Königshufen sind kreativ, wenn es um die Farbe ihrer Balkone geht. Noch bunter wird es aber nicht mehr, denn die sieben Eingänge sind zum Abriss vorgesehen. So steht es in der Mieterzeitung der Wohnungsgenossenschaft WGG, die alle Mieter erhalten haben und die auch im Internet zu finden ist. 2019 soll es soweit sein.

„Es ist uns bewusst, dass diese Entscheidung für Sie nur schwer nachzuvollziehen ist. Die demografische Entwicklung und wirtschaftliche Erfordernisse ließen eine andere Handlungsweise nicht zu“, heißt es in dem Papier. Auch im Gespräch mit der SZ erklären die WGG-Vorstände Bernd Hornig und Simone Oehme, dass sich die Vertreterversammlung diese Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Am Ende hätten viele Gründe zu dem Entschluss geführt. „Wir haben hier den höchsten Leerstand von allen WBS-70-Häusern in Königshufen“, sagt Simone Oehme. Von 84 Wohnungen stehen 33 leer. Hinzu kommen Faktoren wie Standort, Bausubstanz und die Stadtumbausatzung von 2006, die die WGG mit der Stadt umsetzen will.

Betroffene Mieter hatten schon Anfang des Jahres geahnt, dass ihre Häuser abgerissen werden sollen. Sie wollten aber nicht weg. „Wir leben schön hier“, sagte im Februar Margit Freitag*: „Zur Straßenbahn, zum Arzt und zur Apotheke haben wir es auch nicht weit.“ Damals hatte die Vertreterversammlung der WGG einen Beschluss allerdings auf den Sommer verschoben. Jetzt ist er tatsächlich so gefallen, wie es Margit Freitag und ihr Mann damals befürchteten. So laufen jetzt individuelle Einzelgespräche mit den 51 Mietparteien in deren Wohnungen, sagt Simone Oehme: „Diese Gespräche sind sehr sensibel und mit großem Einfühlungsvermögen zu führen und dauern bis etwa Mitte September.“

Danach werde die WGG entsprechend der Wünsche und Vorstellungen der Mieter beginnen, erste Wohnungsangebote zu unterbreiten. Die Versorgung mit neuen, passenden Wohnungen habe höchste Priorität. Allerdings gebe es keinen Grund zur Hektik: Die Mieter sollen bis 2018 ausziehen, damit 2019 abgerissen werden kann. Bereits in der Vergangenheit hatte die WGG ihre Abrisse langfristig und sensibel geplant – und war damit gut gefahren. Nie gab es Nachrichten über unnötigen Ärger.

Doch wo sonst sind in den nächsten Jahren in Görlitz Abrisse von einzelnen Etagen oder ganzen Häusern geplant? „Bei uns in diesem und im nächsten Jahr nicht“, sagt Kommwohnen-Chef Arne Myckert. Sein Unternehmen habe am Stadtrand keine Häuser mit allzu hohem Leerstand. Langfristig aber schließt Myckert weder Geschossrückbau noch Komplettabrisse aus: „Wir machen das von der Vermietungssituation abhängig.“ Das gelte für Königshufen genauso wie für Rauschwalde und Weinhübel. Kommwohnen betrachte die eigenen Bestände sehr genau. Auch Abriss und anschließender Neubau von seniorengerechten Wohnungen wie an der Jonas-Cohn-Straße seien langfristig denkbar. In Königshufen hat Kommwohnen derzeit noch 1 374 Wohnungen. Davon stehen 12,2 Prozent leer. Ein Teil davon soll in nächster Zeit umgebaut werden.

Auch die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft GWG plant derzeit keine Abrisse. „Die meisten unserer Häuser stehen in geschlossener Bebauung und kommen deshalb sowieso nicht infrage“, sagt Vorstand Sandra Thiel. Möglich wäre ein Abriss lediglich bei vier Blöcken in Weinhübel und fünf Blöcken in Rauschwalde. Die seien aber allesamt saniert und der Leerstand gering. Falls sich Letzteres langfristig ändere, schließt sie einen Abriss nicht aus. Im Moment setze die GWG aber auf andere Maßnahmen: „Wir sanieren je nach Bedarf, ändern Grundrisse und legen Wohnungen zusammen.“ Auf diese Art konnte die GWG auch schon junge Familien für Weinhübel gewinnen. In Königshufen besitzt die GWG keine Häuser.

Gar kein Thema ist der Abriss bei der TAG Wohnen, die unter anderem 70 Wohnungen in Weinhübel besitzt und voriges Jahr 536 Wohnungen in Königshufen dazugekauft hat. „In Weinhübel haben wir Vollvermietung“, sagt Heike Baumgart von der TAG. In Königshufen sei der Leerstand seit Februar vorigen Jahres von 11,5 auf 8,5 Prozent abgebaut worden – vor allem durch Investitionen. „Wir bauen zum Beispiel für ältere Menschen ebenerdige Duschen ein und statten die Wohnungen in den oberen Etagen für junge Leute mit Küchen aus“, sagt Heike Baumgart. So etwas komme bei Mietinteressenten sehr gut an.

Unter den Großvermietern ist die WGG also derzeit der einzige mit konkreten Abrissplänen. Allerdings ist bis 2019 noch viel Zeit. „Bis dahin wollen wir für jeden Betroffenen eine gute Lösung finden“, verspricht Simone Oehme.

*  Name von der Redaktion geändert