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Abschied auf Raten

Im Hotel-Restaurant Hähnel an der B 170 kann man nicht mehr täglich speisen. Auf Gäste hofft das Ehepaar trotzdem.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Franz Werfel

Possendorf. Doch, es gehe ihnen gut, sagt Ursula Hähnel. Im vergangenen Jahr hat sie mit ihrem Mann Günter entschieden, kürzer zu treten. „Diese Entscheidung war richtig“, so die 65-Jährige. „Wir haben hier fast 23 Jahre lang geackert. Nun sind wir im Rentenalter und können einfach nicht mehr von morgens um sechs bis Mitternacht arbeiten.“ Der Stress habe nachgelassen, allmählich werden sie und ihr Mann auch innerlich ruhiger.

1992 haben die beiden das markante Gebäude an der Bundesstraße 170 von der Gemeinde Possendorf erworben. Etwa 15 000 Mark mussten sie damals dafür auf den Tisch packen. Günter Hähnel arbeitete bis zur Wende beim VEB Elektronische Bauelemente Dorfhain in Possendorf als Werkzeugmacher. Seine Frau war als Köchin im Hänichener Kindergarten tätig. „Ich habe mir gesagt: Wenn ich für 80 Kinder kochen kann, schaffe ich das auch in einem Restaurant“, sagt Ursula Hähnel.

Ihr Mann erinnert sich, dass das Gebäude nach der Wende total marode war. Als Startkapital verkaufte das Paar sein Eigenheim und legte los. Am 13. Januar 1993 eröffneten die beiden ihr Lokal. Die Anfangszeit war nicht leicht, sagt Ursula Hähnel. „Sieben Jahre lang haben wir in unserem eigenen Hotel gewohnt, in Zimmer zwei.“ Erst als sie den Dachboden ausbauen konnten, zogen die beiden aus dem Hotelzimmer aus. Nachdem ihr erster Versuch, ein Café in Possendorf aufzubauen, von den Gästen nicht gut angenommen wurde, bauten sie um. Das Hotel mit sieben Zimmern entstand. Und die Gaststube, die heute jeder im Ort kennt.

In den Jahren haben Tausende Gäste bei Hähnels übernachtet. „Besonders profitiert haben wir viele Jahre von Schweden und Dänen, die nach Ungarn wollten“, erinnert sich Günter Hähnel. Für sie lag Possendorf genau auf halber Strecke. Aus manchen Gästen sind Freunde geworden. „Die checken immer noch bei uns ein“, sagt Günter Hähnel. Denkt er an durchreisende Urlauber, kommt ihm sofort der Bau der Autobahn 17 in den Sinn. „Als die nach der Jahrtausendwende fertig war, war das für uns ein Einschnitt“, sagt Günter Hähnel. Viele Gästen würden nun auf der Schnellstraße einen Bogen um Possendorf machen.

Hoffen auf Geschäftsnachfolger

Selber verreisen konnte das Paar in den letzten Jahren nur selten. „Das ging immer nur mal für ein paar Tage. Dann haben uns unsere beiden Kinder sehr unterstützt. Ohne die wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Ursula Hähnel. Ihre Tochter Diana hatte sogar einmal überlegt, das Hotel-Restaurant der Eltern zu übernehmen. Doch nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau kam sie glücklich im Dresdner Vier-Sterne-Hotel Bellevue unter. „Eine Festanstellung ist natürlich besser mit der eigenen Familie vereinbar“, sagt Ursula Hähnel. Die Eltern können die Entscheidung gut verstehen.

Natürlich würden sie sich freuen, wenn sich in den nächsten Jahren jemand findet, der ihren kleinen Familienbetrieb übernimmt. Denn auch wenn die Hähnels ihr Tagesrestaurant jetzt schließen, halten sie ihren Hotelbetrieb aufrecht. Familienfeiern aller Art wollen sie auch in Zukunft für ihre Gäste ermöglichen. „Wer bei uns bestellt und hier mit 15 bis 40 Personen feiern will, kann das gern weiterhin tun“, sagt Günter Hähnel. Für Trauergäste, die den Leichenschmaus bei Hähnels abhalten wollen, sind sie auch künftig da. Die Nähe zum Possendorfer Friedhof habe sich in den vergangenen Jahren ausgezahlt. Gäste schätzen die respektvolle Art, mit der das Ehepaar Trauerfeiern gestaltet.

Auch viele zusätzliche Aktivitäten will das Paar in seinem Restaurant aufrechterhalten. Dazu gehören der Frauenstammtisch, der an jedem zweiten Mittwoch des Monats im Restaurant stattfindet. Dazu gehören ebenso die Fußballabende, Stammtische und weitere, saisonale Höhepunkte wie das Spargelwochenende im Frühjahr, der Fischabend im März und das Martini Gänseessen am Wochenende nach dem 11. November. „Keiner weiß, was in einem oder in zwei Jahren passiert“, so Günter Hähnel. Vorschlägen, was aus dem Gasthaus werden könnte und wie ein potenzieller Nachfolger mit dem Erbe umgeht, steht das Ehepaar Hähnel offen gegenüber.

Und wie war das so, der letzte Abschied vom Tagesgeschäft? Ursula Hähnel muss schlucken. „Wir haben bei unserer Silvesterfeier hier im Haus nach Mitternacht eine kleine Rede gehalten. Das ist mir sehr schwer gefallen.“ Nun muss sie sich doch eine Träne aus dem rechten Auge wischen. Ihr Mann drückt sie ganz fest.