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Acht Mann, ein Ziel: 770 Stufen in voller Montur

Die Bedingungen klingen quälend, aber Feuerwehrleute aus Bautzen und Königswartha freuen sich darauf – sie nehmen am Berliner Turmlauf teil.

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© Uwe Soeder

Von Franziska Springer

Bautzen. Auf einem Handhubwagen fährt „Tobi“ auf den Parkplatz der Feuerwache im Bautzener Gesundbrunnen. Schrauben halten seine Gliedmaßen zusammen. Stolze neunzig Kilo bringt er auf die Waage.

„Tobi“, das ist ein Übungsdummy, den sich die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren von Bautzen und Königswartha aus alten Schläuchen selbst zusammengebaut haben. Er hilft dabei, sich vorzubereiten auf eine Herausforderung spezieller Art: An diesem Sonnabend nehmen vier Teams, bestehend aus jeweils zwei Kameraden, an einem der härtesten Wettkämpfe für Feuerwehrleute in Berlin teil. Beim Firefighter Stairrun geht es hoch hinaus: Es gilt, 770 Stufen eines Hotelturms in Bestzeit zu erklimmen, um schließlich, nach rund 110 Metern Höhenunterschied, in der 39. Etage über’s Ziel zu gehen.

Doch als sei dies nicht schon anspruchsvoll genug, passiert all das nicht etwa leichtfüßig in Turnschuhen und T-Shirt, sondern in voller Montur. „Dazu zählen das Atemschutzgerät und die angeschlossene Sauerstoffmaske von etwa 15 Kilogramm “, erklärt Tobias Fröhlich, „Tobis“ Namenspatron und Kopf der wagemutigen Treppensteiger. Mit Einsatzstiefeln, Helm und Sicherheitskleidung bringt es die komplette Ausrüstung letztlich auf bis zu 35 Kilogramm. Selbst die dicken, flammenbeständigen Handschuhe müssen die Feuerwehrleute während des anstrengenden Anstiegs tragen – sonst droht die Disqualifikation.

André Kühne aus Königswartha hat diesen ungewöhnlichen Sport, der aus den USA nach Deutschland schwappte, in den Landkreis gebracht und seine Kameraden mit seinem Ehrgeiz angesteckt. „Wenn man oben ankommt, ist das wie eine Erlösung“, beschreibt er das Gefühl beim Überschreiten der Ziellinie. Das schaffen aber längst nicht alle: „Letztes Jahr sind einige Cottbuser im Treppenhaus liegengeblieben“, weiß Kühne. Um das zu vermeiden, trainieren die Kameraden mehrmals pro Woche hart am heimischen Übungsturm. „Neun Minuten und dreißig Sekunden hat unser bestes Team letztes Jahr gebraucht“, erzählt Tobias Fröhlich. „Der Rekord liegt bei unter sechs Minuten.“ Den zu brechen, sei aber gar nicht das Ziel, verrät er: „Den Turmlauf gegen die polnischen Rekordhalter zu gewinnen, ist eine Illusion. Aber wir wollen besser sein als im letzten Jahr.“

Höchstmaß an Belastung in kürzester Zeit

Darüber hinaus geht es den Kameraden vor allem um Vorbereitung für den Ernstfall – denn ein Höchstmaß an Belastung in kürzester Zeit zu erfahren, ist bei Brandeinsätzen Realität: Als etwa nach einer Brandmeldung in einem 16-stöckigen Wohnhaus der Fahrstuhl ausfiel, profitierte er von dem Training, erzählt Fröhlich: „Man kennt dann seine Grenzen und kann besser mit der eigenen Kraft haushalten.“ Auch, dass immer zwei Kameraden gemeinsam antreten und dicht beieinanderbleiben müssen, kommt nicht von ungefähr: „Man geht zusammen rein, man kommt zusammen raus – das ist auch ein Grundsatz bei jedem echten Einsatz“, so Fröhlich.

Das Training für den Ernstfall sei natürlich auch Bestandteil des üblichen Feuerwehrsports, weshalb nicht alle Kameraden der hiesigen Feuerwehren Verständnis für die Treppenläufer haben. Schließlich trainieren die in ihrer Freizeit zusätzlich: „Man wird dann gefragt: Warum soll ich mich quälen?“, erzählt der 31-Jährige, der bei der Dresdner Berufsfeuerwehr arbeitet.

Beträchtlichen Rückhalt hingegen erfahren die Teilnehmer aus ihrem familiären Umfeld – das braucht es auch, wie André Kühnes Ehefrau Nicole berichtet: „Letztes Jahr war er fast jedes Wochenende zu einem Wettkampf unterwegs.“ Schließlich kämpft ihr Mann nicht nur deutschlandweit, sondern auch international um den Titel des „zähesten Feuerwehrmannes“. Sein sportliches Hobby brachte ihn schon bis in die USA und sogar ins indische Mumbai. Nicole Kühne versucht, bei jedem Wettkampf dabei zu sein, und auch die Kinder feuern ihren Vater nur zu gern an. „Bei seinem ersten Treppenlauf war ich schon aufgeregt und gespannt, ob er das schafft“, erzählt sie. Später überlegte sie sogar, mit ihm gemeinsam ein Team im Kampf um den schnellsten Aufstieg zu bilden. Dieser Herausforderung fühlte sie sich aber bislang dann doch noch nicht gewachsen.

Doch es muss ja auch kräftige Anfeuerungsrufe geben, wenn am Sonnabend insgesamt 804 Teams aus fünf Nationen in mehreren Blöcken an den Start gehen. Der Zulauf zum Wettkampf steige seit Jahren stetig an, weiß Peer Schneider von der Berliner Feuerwehr: „Er ist ein Selbstläufer und ein echter Publikumsmagnet.“

Wieder zurück in Bautzen, gilt es für die Kameraden gleich, mit dem Training fortzufahren. Demnächst steht die Firefighter Combat Challenge an, bei der ein echter Einsatz simuliert wird. Dieser endet mit der Bergung eines Brandopfers und dann wird auch „Tobi“ ganz sicher wieder zum Training herangekarrt.