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Ältester Züchterverein vorm Ende

Kaninchenzüchter sterben langsam aus. Den ältesten noch aktiven Verein von Züchtern in Deutschland gibt es in Chemnitz. Doch seine beste Zeit hat er wohl hinter sich. Für dieses Hobby gibt es kaum Nachwuchs.

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© dpa

Chemnitz. Eine lange Geschichte - doch viel ist davon nicht geblieben. Verstaubte Ehrenteller aus Holz an der Wand des Vereinsheims erinnern an frühere Jahrestage - den 75., den 80. und den 125.. Der wohl älteste noch aktive Rassekaninchenzüchterverein Deutschlands - der Chemnitzer „Alte Verein“ - wird 135, und das wird gefeiert. Doch dem Verein scheint nach so vielen Jahren jetzt die Luft auszugehen. „Wir haben noch elf Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 67 Jahren“, sagt der Vorsitzende Wolfgang Klammek. Der 69-Jährige ist seit 2007 Vereinschef. Laut dem Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter (ZDRK) in Münchberg ist der Mitgliederschwund und die Überalterung bei den Kaninchenzüchtern jedoch bundesweit zu beobachten.

„Die Gründung war im Restaurant „Bienenstock“ am 12. April 1880“, sagt Steffi Gottschald, die Sprecherin des Chemnitzer Stadtverbandes, zu dem auch der Alte Verein gehört. Die 31-Jährige hat sich wegen des Jubiläums auf Spurensuche gemacht. Ein mühevolles Unterfangen. „Es gibt nicht mehr viele Unterlagen. Zwei Protokollbücher von 1897 bis 1920 sind unsere einzigen originalen Dokumente.“ Gottschald zufolge soll der Alte Verein schon wegen der Tradition unbedingt erhalten werden. Denkbar seien zum Beispiel Doppelmitgliedschaften.

Mit Deutsch-Französischem Krieg startete die Zucht

In Deutschland gibt es laut ZDRK derzeit rund 400 anerkannte Kaninchenrassen. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 stand am Beginn der Kaninchenzüchterei. Die Soldaten hatten gesehen, wie die Tiere im Nachbarland in kleinen Ställen gehalten wurden. Vor allem in den rasch wachsenden Industriegebieten wie in Sachsen erwies sich die Methode für die armen Leute als praktikable Möglichkeit, sich auf engem Raum mit frischem Fleisch zu versorgen. In der DDR wiederum wurden Fleisch und Felle von der Wirtschaft gebraucht. „Großzügige Aufkaufpreise haben den Züchtern zu netten Nebeneinkommen verholfen“, erinnert sich Klammek.

Mancher Verein in Chemnitz und Umgebung habe damals mehr als 100 Mitglieder gehabt. Mit dem Fall der Mauer schwand dieser finanzielle Anreiz. Für einige Felle werde jetzt wieder bis zu einem Euro gezahlt, für andere - denen von Rexkaninchen etwa - bis zu sieben.

Doch den Kaninchenzüchtern geht der Nachwuchs aus. „Viele sind in den Westen gegangen oder haben keine Zeit mehr, es kommen kaum junge Leute nach“, sagt Klammek. „In der Stadt ist es schwer, neue Mitglieder zu gewinnen.“ Da fehle zur Kaninchenhaltung meist der Platz für Stallungen. Der Stadtverband Chemnitz hat nach eigenen Angaben jetzt noch 15 Vereine mit zusammen 202 Mitgliedern - 14 davon sind Kinder oder Jugendliche. 2008 waren es noch 17 Vereine und 231 Züchter. „Es gibt vor allem in den mehr ländlichen Räumen auch jüngere Vereine mit einem Durchschnittsalter um die 40 Jahre“, sagt Gottschald vom Stadtverband.

Zahl der aktiven Züchter schrumpft in Sachsen

Laut Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter ist die Zahl der Mitglieder in den rund 5 000 Kaninchenzüchtervereinen in den vergangenen Jahren von rund 180 000 auf jetzt etwa 130 000 geschrumpft. „Es gibt Überalterung“, bestätigt ZDRK-Sprecher Wolfgang Elias. „Das ist der demografische Wandel.“ Es fehlten die Jungen. Dennoch sei er optimistisch. „Irgendwann wird die Talsohle erreicht sein und der Trend stoppen. Es wird immer Rassekaninchenzüchter geben.“

In Sachsen sind ist die Zahl der Mitglieder in den Vereinigungen laut Landesverband von 2012 bis 2015 von rund 8 400 auf etwa 7 750 zurückgegangen. Gegen den Mitgliederschwund gebe es kein aktuelles Mittel, hieß es. Kaninchenzucht sei mit großem Aufwand verbunden.

Rund eine Stunde dauert es, ehe Gottschald alle Tiere - ihre und die von Familienmitgliedern - in den fast 170 Buchten auf einem mit Büschen, Bäumen und Sträuchern bewachsenen Grundstück an einem Haus in Mühlau bei Chemnitz gefüttert hat. Es riecht nach Heu. Alle 14 Tage wird ausgemistet. „Das dauert einen ganzen Tag.“

Auch Züchter mögen Kaninchenbraten

Sie ist mit der Züchterei groß geworden. Gottschalds Opa war Züchter, der Vater auch, die Mutter, der Bruder - ihren Mann hat die studierte Geografin in einem Züchterklub kennengelernt. 2013 sei sie mit einem ihrer Thüringer Rexe - einer Neuzüchtung mit stehenden Ohren, dunkelbraunem Fell und schwarzen Zeichnungen - Bundessiegerin geworden. „Ich habe mich auf Rex-Kaninchen spezialisiert“, sagt sie. Vor allem Weihnachten und Ostern enden einige der Tiere als Festbraten auf dem Küchentisch. „Man kann nicht alle Tiere behalten“, sagt Gottschald.

Der Deutsche Tierschutzbund hat hingegen dazu aufgerufen, auf Kaninchenbraten zu verzichten und damit ein Zeichen gegen die Haltung von Mastkaninchen zu setzen. (dpa)

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