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Ali Baba und die 180 Arbeitsagenturen

Eine Firma mit Sitz in der Dresdner Yenidze bekam in vielen deutschen Städten Fördergeld fürneue Stellen. Ob tatsächlich Arbeit entstand, steht in den Sternen.

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Von Georg Moeritz

Dresden. Unter der Kuppel der ehemaligen Zigarettenfabrik Yenidze in Dresden sind schon viele Märchen erzählt worden. Ali Baba und die 40 Räuber stehen demnächst auf dem Programm. Doch das Kuppelhaus beherbergt auch ein Büro eines Unternehmens, das auf den ersten Blick nichts mit Märchen zu tun hat – oder doch?

Zwei Werbeplakate erinnern im fast leeren Büro in der Yenidze noch an das Unternehmen Montana Management GmbH. Die Firma mit der Weltkugel im Logo wollte angeblich in vielen Städten Deutschlands Dienstleistungen anbieten. Der Geschäftszweck, laut Handelsregister: Vermittlung von Versorgungsprodukten, insbesondere Medien. Die Werbeplakate nennen Beispiele: Strom, Telefon und Krankenkasse seien oft zu teuer, die Montana-Mitarbeiter könnten Kunden beim Wechseln helfen. Parole: „Wir wechseln dir alles – außer die Unterhosen!“

Gleich zwei Internetadressen wurden eingerichtet, eine unter der Marke „Deine Wechsler“, doch dort lässt sich nichts mehr nachlesen. Montana Management ist pleite. Aber zuvor hatte das Unternehmen unter anderem in Hoyerswerda, Düsseldorf und Freiburg nach Mitarbeitern Ausschau gehalten.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Friedemann Schulz aus Dresden fand in der angeblichen Montana-Zentrale in Radebeul nur noch ein paar Briefe im Papierkorb. Die werte er jetzt aus, sagte Schulz – es sind Schreiben von Angestellten, die ihr Gehalt bekommen wollen. Einige klagen in Internet-Foren, sie seien Mitte März eingestellt worden, hätten aber nie ein Büro oder Arbeitsmaterial erhalten. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt wegen des Verdachts, die Insolvenz sei verschleppt worden.

Verdächtig kam Montana Management auch der Bundesagentur für Arbeit vor – doch da hatten einzelne Arbeitsagenturen schon unabhängig voneinander viele Tausende Euro wegen des Unternehmens bewilligt. Am 17. Juni notierte die Arbeitsbehörde eine „Missbrauchswarnung“ im Computerprogramm für ihre Angestellten.

Die fast 180 Arbeitsagenturen in ganz Deutschland sollten gewarnt werden, damit nicht noch mehr von ihnen im Fall Montana Fördergeld genehmigten. Doch bis dahin war Montana schon monatelang aktiv. Bis zu 50 Prozent der Lohnkosten übernahmen die Arbeitsagenturen, wenn das sächsische Dienstleistungsunternehmen Arbeitslose einstellte.

Allein an zwei Tagen im April wurden laut Datenbank der Arbeitsagentur 17 Anträge auf solche „Eingliederungszuschüsse“ gestellt, verteilt auf verschiedene Städte. Bewilligt wurden dann zum Beispiel für einen Beschäftigten 468 Euro pro Monat, für ein Jahr.

Noch lukrativer waren die Prämien für private Arbeitsvermittler: Die Arbeitsagentur bietet ihnen jeweils 1000 Euro, wenn sie einen Arbeitslosen unterbringen. Im Insolvenzantrag ist von bis zu 120 Beschäftigten die Rede. Da hätten die Vermittler viel Geld kassiert. Die Arbeitsagentur hat deshalb geprüft, ob sie möglicherweise mit den Montana-Chefs gemeinsame Sache gemacht haben.

In zwei Fällen hat sich der Verdacht nicht bestätigt, teilt die Behörde mit, bei einem weiteren Vermittler werde „derzeit bundesweit geprüft“. Die Bundesagentur will keine Schadenssumme nennen – weder für den Fall Montana noch für mutmaßlich verlorene Fördergelder in anderen Fällen. Wie oft der Verdacht auf Missbrauch von Eingliederungszuschüssen vorkommt, sei mit dem Computerprogramm nicht herauszufinden, teilt die Regionaldirektion in Chemnitz mit. Allerdings gibt es laut Behörde „drei weitere Firmen“ in Sachsen, bei denen der Verdacht auf Missbrauch von Vermittlungsgutscheinen besteht. Die Verlockung ist groß: Private Arbeitsvermittler erhalten die 1000 Euro Prämie, sobald ein ehemaliger Arbeitsloser sechs Wochen lang beschäftigt ist. Das Amt will Arbeitsvertrag und Lohnunterlagen sehen. Läuft die Beschäftigung länger, können später noch einmal bis zu 1500 Euro je Vermittlung herausspringen.

Montana-Chef schweigt

Ein Angestellter einer sächsischen Arbeitsagentur sagte der SZ, nach seiner Ansicht hätte es wegen der vielen Montana-Anträge „schon eher krachen müssen“. Doch in den einzelnen Agenturen mache „jeder sein Ding“. Die Arbeitsagentur aber weist den Verdacht zurück, sie mache es Antragstellern zu leicht. „Jedem Hinweis auf Leistungsmissbrauch“ werde nachgegangen, auch auf Beschwerden von Arbeitnehmern hin. Der Staatsanwalt werde informiert, wenn „die eingeleiteten Prüfungen den Verdacht einer Straftat bestätigen“.

Bis dahin kann allerdings in vielen Orten schon viel Geld ausgegeben worden sein – und schließlich ist nicht mehr leicht herauszufinden, wer es bekommen hat. Bei der Firma Montana wechselten mehrmals die Geschäftsführer und der Firmensitz. Der letzte Chef scheint mit Montana nicht reich geworden zu sein: Er wohnt in einer Dachgeschosswohnung in einem schlichten Dresdner Altbau. Auf Fragen der SZ antwortete er nicht.

Der Name Montana Management zeigt jedenfalls Fantasie und passt in die Gegend von Ali Baba. Denn so hieß einst auch eine Briefkastenfirma, über die das Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein dessen Vermögen verwaltete.