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Allein die Königin bleibt treu

Heide Steyer sucht einen Nachfolger für ihre Firma in Wallroda bei Radeberg. Wenn sich in einem Jahr keiner findet, gibt sie auf.

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© Wolfgang Wittchen

Von Nadine Steinmann

Wallroda. Die Kunstblumenmanufaktur in Wallroda ist eine der Letzten in ganz Europa. Nur in Paris gibt es noch zwei Berufskollegen, bis vor Kurzem auch noch einen in Bologna. „Da wir aber immer mehr italienische Kunden bekommen, befürchte ich, dass die Manufaktur mittlerweile auch geschlossen hat“, erklärt Heide Steyer. Findet sie selbst nicht bald einen Nachfolger, erwartet sie allerdings das gleiche traurige Schicksal. Seit 45 Jahren sind Heide Steyer und ihr Mann mit der Kunstblumenmanufaktur im Geschäft. 1970 in Berlin angefangen, hat es sie vor 16 Jahren in das schöne Wallroda verschlagen. Seitdem hat sich der Markt ständig verändert, das Ehepaar stand immer wieder neuen Schwierigkeiten gegenüber. „Ganz schlimm traf uns die Wirtschaftskrise 2008“, erzählt die heute 71-Jährige. Spanien, Portugal, Griechenland und Irland waren damals besonders stark betroffen – Länder, die für das Wallrodaer Unternehmen zu den größten Absatzmärkten gehörten. „Wir hatten einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent“, erklärt die Firmenchefin.

Doch auch die Wünsche der Kunden und vor allem chinesische Massenprodukte zwangen das Ehepaar immer wieder, neue Wege zu gehen. „Wir fertigen inzwischen vor allem extravagante und ausgeflippte Blumen an“, so Heide Steyer. Grund: Eine normale kleine Rose kommt günstig und vor allem in Massen aus China. Deshalb haben sich die insgesamt acht Mitarbeiter in Wallroda auf spezielle und von Hand geformte Kleinstserien spezialisiert. Einzig das britische Königreich ist den Steyers über Jahrzehnte hinweg als Absatzmarkt erhalten geblieben. „Wir beliefern schon die dritte Generation von Hutmachern der Königin“, erzählt die Erfolgsfrau. Und auch aus den anderen Ländern ist wieder ein leichter Aufschwung zu spüren. So kommen wieder regelmäßig Aufträge aus Spanien herein, wenn auch etwas kleinere als vor der Wirtschaftskrise. Und auch die deutsche Hochzeitsindustrie scheint die Kunstblumen nach jahrelanger Pause wieder entdeckt zu haben. „Das könnte demnächst zu einem großen Markt werden“, vermutet Heide Steyer.

Kaum noch neue Stoffe bestellt

Doch hinter diesem ganzen Erfolg steckt jahrelange und harte Arbeit. Mehrmals im Jahr fährt Heide Steyer mit ihrem eigenen Auto und der gesamten Kollektion nach Paris, um auf Messen wie „Who’s Next“ oder der „Premiere Vision“ ihre Blumen zu präsentieren. Dort seien die wichtigen Kunden anzutreffen, die selbst aus der ganzen Welt anreisen. „Ohne diese Messen würde das Geschäft nicht funktionieren“, ist Heide Steyer überzeugt.

Doch so langsam geht der 71-Jährigen die Kraft aus. Deswegen sucht sie seit Längerem einen Nachfolger. Doch der will sich einfach nicht finden lassen. Sogar Fernsehauftritte, wie zuletzt in der NDR-Talkshow mit Barbara Schöneberger, blieben erfolglos. Auch mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) arbeitet die Wallrodaerin eng zusammen. „Erst neulich erschien in der IHK-Zeitung fast eine ganze Seite über unsere Firma“, erzählt Heide Steyer. Parallel dazu laufe im Dresdner Haupthaus der Kammer eine Ausstellung der Kunstblumenmanufaktur. Doch alle Mühen waren bisher umsonst. „Die jungen Leute wollen meist kein Risiko eingehen, die Älteren nur investieren“, erzählt Heide Steyer von ihren bisherigen Erfahrungen. Doch einfach nur Geld in das Unternehmen stecken, funktioniere nicht. „Ich mache zum Beispiel sämtliche Kreationen und die Färberei. Das muss auch jemand übernehmen.“ Die dafür nötige Einarbeitung würde die Chefin natürlich noch übernehmen.

Doch wie lange will Heide Steyer noch suchen? „Ich gebe uns noch ein Jahr“, erklärt sie mit fester Stimme. Danach sei Schluss. Bereits jetzt versuche sie, nach und nach ihr Materiallager abzubauen, um das Geld nicht umsonst ausgegeben zu haben. Neue Stoffe werden kaum bestellt. Die Zeit wird also langsam knapp und es bleibt zu hoffen, dass sich in den kommenden Monaten noch ein Nachfolger findet. Sonst ist die Wallrodaer Kunstblumenmanufaktur Geschichte und die wunderschönen Kreationen von Heide Steyer werden von den Hüten der Queen und des britischen Adels verschwinden.