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Alles dreht sich um 50 Kubikzentimeter

Trotz Wetterkapriolen zog es am Sonntag Hunderte von Besuchern zum Schönborner Simsontreffen.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Schönborn. Beim Beschleunigungsrennen dürfe nur starten, wer neben festem Schuhwerk und Helm eine lange Hose und eine lange Jacke trägt. Das hatten die Organisatoren des Schönborner Simsontreffens den Mopedfans extra ins Regelwerk geschrieben. Am Sonntagmorgen zeigte das Thermometer vier Grad, gelegentlich kam ein Schauer herunter, und niemand wäre auf die Idee gekommen, die 120 Meter lange Asphaltpiste in kurzen Hosen anzugehen. Trotz des widrigen Wetters rollten an die 200 „Schwalben“, „Stare“, „Habichte“, S 50 und andere Zweiräder der Kultmarke Simson auf den Sportplatz. „Die meisten kommen wegen des Rennens“, erklärt Organisations-Chef René Venus. „Oder sie wollen sich einen Preis fürs beste Outfit abholen.“ Die Pokale, die es in Schönborn zu gewinnen gibt, sind nicht etwa Gold- und Silberschalen aus irgendeinem Prägeladen. Sie werden von Machern des Simson-Treffens aus Mopedketten hergestellt, und sind entsprechend begehrt.

Landidylle in Schönborn. Das Simsontreffen erfreut sich jedes Jahr größerer Beliebtheit.
Landidylle in Schönborn. Das Simsontreffen erfreut sich jedes Jahr größerer Beliebtheit. © Anne Hübschmann
Felix Jarsumbek wollte nicht auf die alte Seifenkiste, die der Opa ihm früher baute, verzichten. „Als die Beine länger wurden, baute ich einfach eine Verlängerung ein und später den Simson-Motor“, erzählt er.
Felix Jarsumbek wollte nicht auf die alte Seifenkiste, die der Opa ihm früher baute, verzichten. „Als die Beine länger wurden, baute ich einfach eine Verlängerung ein und später den Simson-Motor“, erzählt er. © Anne Hübschmann

Zum siebten Mal bereits lockten die Schönborner Mokick-Freaks aus ganz Ostdeutschland auf ihren Sportplatz. Es gab eine Leistungsprüfung, das besagte Beschleunigungsrennen, eine große Ausfahrt durch die umliegenden Dörfer und natürlich eine Prämierung fürs schönste Moped-Outfit. Der Liegaer Jörg Naumann hatte beim vorangegangenen Simsontreffen mit seiner „Schwalbe“ den Preis fürs beste Original abgeräumt. „Die gehörte eigentlich meinem Vater“, erzählt er. „Der hatte sie 1974 in Berlin gekauft, und bis 1990 nahezu täglich benutzt.“ Danach stand das gute Stück mehr als 20 Jahre in der Ecke. Sein Filius war schon als Kind auf der Sitzbank mitgefahren, und als er das Moped bei einer Baumaßnahme wiederfand, beschloss er, es wieder herzurichten.

Die rostige „Schwalbe“ wurde vom Thiendorfer „2-Takt-Labor“ zerlegt, aufgearbeitet, später sandgestrahlt und lackiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – das Gefährt dient Jörg Naumann, der in Großenhain einen Zulassungsservice betreibt, heute als Werbeobjekt. „Wenn das Wetter mitspielt, steige ich schon mal in den Sattel und bringe damit die Unterlagen zu meinen Kunden“, erklärt er. Die Mopeds seien in der Region sehr begehrt, sodass man für einen schmalen Taler kaum noch eins kaufen könne. Um die tausend Euro koste ein Guterhaltenes; eins in schlechtem Zustand immerhin noch 500 Euro. „Hier in der Gegend noch ein Vernünftiges zu bekommen“, so Naumann, „ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.“

Moped mit Rennmotor

Um die Mittagszeit stehen die Simson-Fahrzeuge in langen Reihen auf dem Schönborner Rasen – vom klassischen „Essi“, über die „Vogel“-Serie bis hin zum S 51 Comfort. Manche von ihnen haben nur noch den Motor mit dem Suhler Kultfahrzeug gemein, manche nicht einmal das. Sie sind für Zweiradrennen getunt und ähneln eher Motorrädern. Auch einige „Ratten“ gibt es zu sehen – Mopeds, die vom Besitzer bewusst rostig und gammelig inszeniert wurden. Die meisten Simsons aber sehen noch so aus, wie man sie aus DDR-Zeiten kennt, und vor allem: Sie sind absolut fahrtüchtig.

Felix Jarsumbek steht eher auf vierrädrige Nutzfahrzeuge. Sogar seinen K-Wagen aus Kinderzeiten hat der Lampertswalder mit einem kleinen Transportanhänger ausgestattet. Und mit einem Simson-Motor, der aus der Seifenkiste ein Kraftfahrzeug macht. Das kultige Gefährt ist einer der Hingucker bei der Schönborner Fahrzeug-Präsentation. Auch in Thiendorf sind die Suhler 50-Kubik-Motoren ein gefragtes Gut. Hier betreibt eine Handvoll Enthusiasten den Moped-Rennstall „2-Takt-Labor“. Die Simsons werden mit soliden Rennmotoren auf ein Maximum an Leistung getrimmt und starten in den verschiedensten Wettbewerben. Selbst Zwölfstundenrennen haben die Thiendorfer schon mitgemacht. „Wir haben nun mal die Macke, gern im Kreis herum zu fahren“, sagt Sandro Weise. Vor zwei Jahren schafften es die Laboristen sogar aufs höchste Podest – sie wurden auf dem Erzgebirgsring spaßeshalber zum Moped-Mehrkampfweltmeister gekrönt.