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Alles nur ein Tippfehler?

Unterbezahlte Verhältnisse in der Altenpflege sind für Azubis keine Seltenheit. Eine Radebeuler Seniorenresidenz zeigte eine extrem niedrige Vergütung bei der Jobbörse an.

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© Sven Ellger

Von Beate Erler

Radebeul. Sie lernen, alte und kranke Menschen eigenverantwortlich zu pflegen und in ihren letzten Lebensjahren zu betreuen und zu begleiten. Die Auszubildenden von heute sind die Altenpfleger von morgen. Sie werden händeringend gesucht, doch viele Stellen bleiben frei. Auch das Angebot der ESB-Seniorenresidenz Rosengarten in Radebeul? Verwunderlich wäre das nicht, denn die Vollzeitstelle mit 40 Wochenstunden soll mit gerade einmal 350 Euro im ersten Jahr vergütet werden. So stand es seit März in der Jobbörse auf der Seite der Arbeitsagentur.

Ein Stundenlohn von etwa zwei Euro ist für viele junge Leute sicher alles andere als interessant. Auch wenn der Mindestlohn von 8,50 Euro nicht für Auszubildende gilt. Dabei soll das Berufsfeld des Altenpflegers attraktiver werden, zum Beispiel durch eine leistungsgerechte Vergütung. Die Zahl der Azubis müsse sich jährlich um zehn Prozent erhöhen. Das hatte der Deutsche Berufsverband für Altenpflege (DBVA) in der „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive“ bis Ende 2015 vereinbart.

Der Berufsverband, der sich ausschließlich um die Interessen der Altenpflege kümmert, fordert unter anderem bessere Ausbildungsbedingungen und einen gerechten Lohn. Martin Petzold, stellvertretender Vorstand beim DBVA, sagt, dass solche Angebote bei privaten Trägern durchaus üblich seien. Diese arbeiteten profitorientiert, wünschten sich qualifiziertes Personal, seien zu mehr aber selten bereit.

Trotzdem rät er: „Wenn es in der jeweiligen Region keine Alternativen gibt, dann sollte man zugreifen.“ Eine akzeptable Ausbildungsvergütung liegt nach Ansicht des DBVA zwischen 700 und 800 Euro im Monat, plus Fahrgeldzuschuss. Martin Petzold, der seit fast 40 Jahren selber als Altenpfleger arbeitet, sieht sonst die Zukunft des Berufs in Gefahr: „Bei solch schlechten Konditionen werden sich nicht mehr genügend Personen für die Altenpflege interessieren.“

Stadtrat ist über Angebot schockiert

Die Jobbörse habe falsche und nicht der Realität entsprechende Aussagen veröffentlicht, sagt Stephan Ullrich, Pressesprecher des Trägers der Seniorenresidenz Rosengarten mit Sitz in Chemnitz. „Als Ausbildungsvergütung hätte nahezu der doppelte Betrag für das erste Lehrjahr stehen müssen“, sagt er. Von der Heimleitung selbst gibt es mit Hinweis auf die Urlaubszeit keine Antworten.

In Radebeul, Weinböhla und Meißen werden auch kurz vor Ausbildungsstart noch Azubis in der Altenpflege gesucht. Ein Blick auf die Seite der Jobbörse zeigt, dass auch hier die Unterschiede in der Vergütung sehr hoch sind: Von 500 Euro bis knapp 800 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Einige Träger machen gar keine Angaben zur Bezahlung.

Dieses Problem kennt auch Martin Oehmichen. Der Radebeuler Stadtrat (Bürgerforum/Grüne) hat eine Ausbildung zum Altenpfleger gemacht und arbeitet auch heute in diesem Beruf. Über das Stellenangebot der Seniorenresidenz Rosengarten ist er trotzdem schockiert. „Ich persönlich hatte das Glück, bei einem Arbeitgeber lernen zu dürfen, der fair und achtsam mit seinen Auszubildenden umgegangen ist“, sagt er.

Ein Grund für die unterschiedliche und zum Teil unterirdische Bezahlung ist, dass es bei der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt. Während öffentliche Einrichtungen wie das Diakonische Werk oder Caritas nach Tarif bezahlen, haben private Träger eigene Haustarife oder handeln die Vergütung frei aus. „Sachsen schneidet bezüglich der Honorierung von Arbeitskräften in der Altenpflege am schlechtesten ab“, sagt Martin Oehmichen.

Deshalb fordert er eine untere Auffanglinie des Lehrlingsentgelts, damit Angebote wie das der Seniorenresidenz Rosengarten in Zukunft nicht mehr möglich sind. Die Rückerstattung des Schulgelds nach der Ausbildung sei da nur ein erster Schritt. „Auszubildenden muss von Beginn an der kostenlose Zugang zu Berufsschulen und Lehrmitteln ermöglicht werden“, fordert der Stadtrat.

Auch der DBVA macht sich für eine tariflich festgelegte Ausbildungsvergütung in allen Bundesländern stark, hat aber auch die Situation der Einrichtungen im Blick. Ausbilden dürfen nämlich nur Fachkräfte, die als Praxisanleiter eingesetzt werden. „In dieser Zeit fehlt diese Arbeitskraft im Pflegeteam und die Kollegen müssen diese Tätigkeiten noch miterledigen“, sagt Martin Petzold. Es dauert einige Zeit, bis der Azubi das Team entlasten kann.

Das Stellenangebot der Seniorenresidenz Rosengarten jedenfalls ist nach unserer Anfrage nicht mehr in der Jobbörse zu finden.