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Als die KPD verboten wurde

Vor 60 Jahren wurde die Partei für verfassungswidrig erklärt. Was heißt das für das Verfahren gegen die NPD?

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© Süddeutsche Zeitung

Von Anja Semmelroch

Die Polizisten kommen am selben Vormittag: Es ist der 17. August 1956, und gerade haben die Verfassungsrichter in Karlsruhe ihr Urteil verkündet. „Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst.“ Kurz darauf ist die KPD-Zentrale in Düsseldorf versiegelt, Parteibüros und Wohnungen werden durchsucht.

Der namhafte Bremer Anwalt Heinrich Hannover, der in seinem Leben viele Mandanten wegen politischer Straftaten verteidigt hat, erinnert sich gut an die Hilflosigkeit der KPD-Mitglieder. „Ich sehe noch, wie da alte Genossen, die ihre Ersparnisse in die Renovierung des Parteihauses gesteckt hatten, weinend vor Wut und Verzweiflung in meinem Büro saßen“, sagt der heute 90-Jährige. Hannover selbst war kein Kommunist. „Ich habe nur mit großer Verwunderung miterlebt, wie die Kommunisten wieder illegalisiert wurden, nachdem das gerade als eine der Unrechtstaten der Nazis erkannt worden war.“

Bis heute ist das KPD-Verbot eines der umstrittensten Urteile in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts – und 60 Jahre später so aktuell wie nie. Denn seit 1956 wurde in Deutschland keine Partei mehr verboten. Wenn Karlsruhe demnächst über den Antrag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD entscheidet, sind die Urteilsgründe von damals also das jüngste Dokument, auf das sich aufsetzen lässt.

Es ist ein schwieriges Erbe. „Das KPD-Verbot ist ein antikommunistisches Relikt aus der Eiszeit des Kalten Krieges, das viel Unheil gestiftet und das politische Klima vergiftet hat“, meint der Jurist und Bürgerrechtler Rolf Gössner. Mehr als eine halbe Million Menschen hätten die Folgen direkt oder indirekt getroffen.

Das Verfahren zieht sich hin

Eine ernsthafte Bedrohung ist die KPD mit nur noch 2,2 Prozent der Stimmen bei der zweiten Bundestagswahl 1953 zu der Zeit nicht mehr. Aber die Partei ruft zum „revolutionären Sturz“ der Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) auf, sie verfolgt einen prosowjetischen Kurs und will die „nationale Wiedervereinigung“ mit der DDR. Adenauer, der die Westintegration Deutschlands anstrebt, betreibt deshalb konsequent ihr Verbot. Seit 1950 werden KPD-Anhänger vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen. Straftaten wie Hoch- und Landesverrat oder Staatsgefährdung werden bewusst weit gefasst. Im November 1951 geht der Verbotsantrag beim Verfassungsgericht ein.

Aber während das – nahezu zeitgleich beantragte – Verbot der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei Deutschlands (SRP) ein knappes Jahr später beschlossene Sache ist, zieht sich das KPD-Verfahren hin. Verhandelt wird erst, nachdem Gerichtspräsident Josef Wintrich im November 1954 noch einmal bei Adenauer nachgefragt hat, ob die Bundesregierung wirklich an dem Antrag festhält. Als es im Juli 1955 immer noch kein Urteil gibt, bringt die Regierung ein Gesetz auf den Weg, das die Zuständigkeit für Parteiverbotsverfahren ab September 1956 vom ersten auf den zweiten Senat überträgt.

Bis heute ist ungeklärt, unter wie viel politischem Druck das KPD-Verbot zustande kam – 60 Jahre lang liegen die internen Vermerke der Verfassungsrichter im Bundesarchiv unter Verschluss, an diesem Mittwoch werden die Akten freigegeben. Anwalt Gössner hofft auf eine späte Aufarbeitung: „Erst dann lässt sich auch abschätzen, was sich in den langen Jahren zwischen dem Verbotsantrag der Bundesregierung und dem Karlsruher Urteil tatsächlich abspielte.“

Am Ende attestieren die Richter der KPD „eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“. Mit 308 Druckseiten ist es noch heute das längste Urteil aus Karlsruhe. Ein „konkretes Unternehmen“ zum Umsturz braucht es demnach nicht. Die KPD wird aufgrund ihrer „allgemeinen Zielsetzung“ verboten. Für ein Verbot der NPD würde so eine Begründung nach allgemeiner Auffassung heute nicht mehr ausreichen. Inzwischen bindet die Verfassungsrichter die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – und die Straßburger Richter verlangen Hinweise, dass tatsächlich ein unmittelbarer Angriff auf die Demokratie droht.

Zeitzeugen wie Heinrich Hannover widerstrebt es grundsätzlich, Parallelen zwischen beiden Verfahren zu ziehen. „Ich würde eine Gleichsetzung für schlimm halten, politisch wie juristisch“, sagt er. (dpa)