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Als Gelbweste auf Arbeit gegangen

Eigentlich ist er gerade unpolitisch – doch stillhalten kann Carsten Heine nicht.

Von Birgit Ulbricht
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Carsten Heine lebt derzeit in Röderau und arbeitet nach wie vor in Dresden. Über 20 Jahre war er Stadtrat in Großenhain. Der Weihnachtsmarkt ist für ihn ein Muss.
Carsten Heine lebt derzeit in Röderau und arbeitet nach wie vor in Dresden. Über 20 Jahre war er Stadtrat in Großenhain. Der Weihnachtsmarkt ist für ihn ein Muss. © Kristin Richter

Großenhain. Carsten Heine hat nichts mehr mit Politik zu tun. Sagt er jedenfalls. Nicht einmal seine Lebensgefährtin hält das auf Dauer für möglich, und wer Carsten Heine aus über 20 Jahren als Stadtrat kennt, glaubt das auch nicht. Und tatsächlich, keine drei Sätze später, erzählt Heine, er sei kürzlich demonstrativ mit einer gelben Weste auf Arbeit gefahren. 

Er habe zeigen wollen, irgendwie sei dieser Protest auch hierzulande längst fällig. Da ist er wieder, der nie um ein offenes Wort verlegene Carsten Heine. Zwar kenne er im Moment keine Gruppe oder Partei, bei der sich ein aktives Engagement lohnen würde, meint er lapidar, aber „das findet mich“, ist er überzeugt. Wann es Carsten Heine wieder packt, dürfen Freunde und Bekannte also mit Spannung abwarten. Doch ob das noch einmal mit Großenhain zu tun hat?

Über 31 Jahre hat er hier gewohnt, mehr als 20 Jahre war er Stadtrat. Und er war derart firm in Argumenten und Fakten, dass er dem früheren OB Burkhard Müller (CDU) als einziger Paroli bieten konnte. Leise, gepflegt, manchmal etwas spitzfindig. Dass ab 2015 die Mehrheiten nicht stets von vornherein feststanden, sondern errungen werden mussten, hat Heine in den letzten Jahren sehr genossen und sich ein klein wenig als eigene Arbeitsleistung ins Zeugnis als Stadtrat geschrieben. 

Denn ein offener Diskussionsstil ist mehr sein Ding und den hat er auch immer eingefordert – und vor allem anderen auch gelassen. So kam es auch, dass ihm alle Fraktionen, als er 2017 ging, ehrlich Respekt zollten und mancher es insgeheim bedauerte, den gescheiten Plauderer nicht mehr in der Runde zu haben.

Zur Verzweiflung gebracht hat er dagegen oft genug eigene Parteigänger und Offizielle. Denn angetreten war er für den Stadtrat 1996 noch als straffer SPD-Mann. Ab 1997 war er Fraktionssprecher, von November 2002 bis September 2003 sogar Büro-Mitarbeiter bei der SPD-Landtagsabgeordneten Barbara Wittig. Ausgerechnet eine Sozialtour mit seiner Chefin durch Großenhainer Einrichtungen läutete allerdings das Ende der Beziehung zu den Genossen ein. Da lernte Carsten Heine den Arbeitslosenverband kennen, war begeistert und trat dem ALV bei. Die Agenda 2010 gab ihm aus seiner Sicht endgültig recht, in der SPD falsch zu sein.

Schon frühzeitig nannte er Gerhard Schröder und Co die „Blinden, die von der Farbe reden“, weil sie keine Ahnung hätten, was Hartz IV bedeute. Heine war selbst Jahre ohne Job. Manchem war das suspekt. Doch seine Arbeit als Stadtrat hat er rund um die Uhr betrieben. Die SPD hat ihn ausgeschlossen, als er schließlich für den ALV im Kommunalwahlkampf antrat.

Weil der Arbeitslosenverband keinen eigenen Fraktionsstatus hatte, arbeitete Carsten Heine mit der Alternativen Liste zusammen in den Ausschüssen des Stadtrates. Poltisch ist das nicht zu fassen. Immerhin wurde der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Beger auch Nachrücker für Carsten Heine im Arbeitslosenverband, weil er als Unabhängiger auf dieser Liste kandidiert hatte. 

Auch das wird sich zur Wahl 2019 sortieren. Der Arbeitslosenverband ist ohne Heine nicht mehr, was er mal war und der sieht seine Mission als erfüllt, ein ernstzunehmender Gegenpart gewesen zu sein. Besonders freut es Heine, dass die Sozialberatung überlebt hat. „Das ist wirklich wichtig für die Menschen“, sagt Heine. Dem Menschen Carsten Heine läuft man bestimmt einmal über den Weg, wenn es wieder um eine große Sache geht. In Großenhain oder anderswo – so viel ist gewiss.