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Als Roy Black nach Riesa kam

Der „Weihnachtsteller“ war eine DDR-Institution – und zog manchen Star in die Stadt. Ein Zeitzeuge erinnert sich.

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© Heinz Richter/privat

Von Stefan Lehmann

Riesa. Immer kurz vor Weihnachten gaben sich im Riesaer Capitol die Stars die Klinke in die Hand. Karten für den „Bunten Weihnachtsteller“ zu bekommen, das war alles andere als einfach. Kein Wunder, denn zu den Veranstaltungen kamen eben nicht nur Künstler aus der ehemaligen DDR, sondern auch internationale Musiker, erinnert sich Zeitzeuge Heinz Richter im Gespräch mit der SZ. „Ich gehörte damals, es war glaube ich, das Jahr 1978, zu den Glückspilzen, die durch Beziehungen Karten für den legendären Weihnachtsteller im Riesaer Capitol bekommen konnten.“ Drei Stunden sei das Programm damals lang gewesen. Zu den internationalen und nationalen Künstlern kam jeweils auch immer ein Star-Gast. „Bei unserer Veranstaltung war das Roy Black mit seinen bekanntesten Liedern.“ Der Schlagersänger und Schauspieler hatte gerade erst einen neuen Tourmanager, möglicherweise half das dabei, ihn in die DDR zu lotsen.

Ansonsten erinnerte die Veranstaltung stark an das Format „Ein Kessel Buntes“: Eine abwechslungsreiche Weihnachts-Show sei es gewesen, sagt Heinz Richter. Durch das Programm führte der TV-Moderator Chris Wallasch, und neben dem Stargast aus Westdeutschland sind Richter unter anderem noch ein russischer Musik-Clown und ein Zauberkünstler in Erinnerung geblieben, der Entfesselungstricks vorführte. „Der hat mich noch ermahnt, ich dürfe nicht mehr fotografieren. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass seine Tricks entlarvt werden.“

Laut Heinz Richter fanden in einigen Jahren gleich mehrere „Weihnachtsteller“ statt. Er schätzt, dass zu Hochzeiten der Veranstaltungsreihe insgesamt mehr als 10 000 Besucher pro Jahr das Capitol besuchten. Organisiert wurde die Veranstaltung vom damaligen Klubhausleiter Herbert Risse. Die Künstler überhaupt in die Stadt zu lotsen, dürfte manches Mal eine Herausforderung gewesen sein. Zumal Roy Black und Co. auch bezahlt werden wollten. Darüber wurde reichlich spekuliert. In einem Beitrag der SZ-Museumsseite aus dem Dezember 2015 berichtet eine Riesaerin, die im Foto-Optik-Konsum gearbeitet hatte: „Die Verantwortlichen des Klubhauses traten an uns heran und sagten uns zum Beispiel, dass der eine oder andere eine hochwertige Spiegelreflex-Kamera oder ein Zeiss-Prismen-Fernglas kaufen wollte. In Absprache mit dem Rat des Kreises, Abteilung Handel und Versorgung, fuhren wir nach Dresden zum Großhandel und kauften zusätzlich die begehrten Geräte ein. Hatten die Künstler ihre Honorare erhalten, kamen sie zu uns in den Laden und kauften das Gewünschte.“

Nach der Wende war nicht automatisch Schluss für den Weihnachtsteller. Bis 2003 fand die Reihe noch statt, am Ende in der Mehrzweckhalle in Röderau-Bobersen. Danach hatte offenbar auch der Organisator genug. Anfang 2003 bedauert ein Riesaer in einem Leserbrief das Aus des Weihnachtstellers. „Jeder Weihnachtsteller hatte seine eigene Note, das spezielle Dekor für jedes Auge, Ohr und für jeden Geschmack. Dieses ‚Porzellan‘ soll nicht mehr aufgetragen werden. Ich kann es kaum glauben. Finden sich keine jungen Hände, die diese Tradition weitertragen.“ Auch Heinz Richter mahnt, die Reihe und ihr Macher Herbert Risse dürften nicht Vergessenheit geraten. Richter, der heute in Leipzig lebt, hat seinen Besuch im Capitol jedenfalls noch immer in besonderer Erinnerung. „Auf dem Heimweg lief uns vor dem Capitol der Roy Black über den Weg und meine damalige Freundin rannte auf ihn zu, umarmte ihn und bekam ein Bild mit Autogramm.“