"Das Osterzgebirge drechselt, das Westerzgebirge schnitzt." Mit dieser groben Einteilung haut Katrin Rehm eine erste Schneise in die Welt der erzgebirgischen Volkskunst. Dem Großteil ihrer Kunden muss sie die Bedeutung des erzgebirgischen Figurenkosmos nicht erst erklären: "Zu mir kommen viele Einheimische. Gerade in den letzten Jahren sind es immer mehr geworden."
Katrin Rehm führt das Geschäft ihrer Familie in vierter Generation. Ihr Urgroßvater hatte es einst als Eisenwarenhandlung gegründet, "für Nägel, Schrauben und Werkzeug". Der Name ihrer Großmutter "Barbara Friedrich" begleitet das Geschäft auf der Geisinger Hauptstraße bis heute. Sie selbst übernahm es 2004 von ihren Eltern: Schreibwaren und Spielzeug für den normalen Betrieb, das Kunsthandwerk für die Oster- und Weihnachtszeit.
Lichterspinnen und Pyramiden für die Einheimischen
Klar würden in diesem Jahr die Touristen fehlen. Aber Katrin Rehm richtet ihr Sortiment im Grunde nicht nach ihnen aus: "Die meisten Käufer kommen aus einem Radius bis Pirna und Dresden, die allermeisten aus der direkten Umgebung." Das kommt ihr gerade zugute: "Wenn wir nicht noch wegen Corona schließen müssen und die Leute weiter einkaufen dürfen, bin ich eigentlich ganz optimistisch."
In dem Verkaufsraum für die Volkskunst drängt sich gerade alles, was im Erzgebirge Rang und Namen hat: Lichterspinnen, Hängeleuchter und Hängepyramiden hängen von der Decke, die grüngeflügelten Engel von Wendt und Kühn, die detailreich bemalten der Firma Hubrig, die Weha-Blumenkinder aus Dippoldiswalde stehen dicht an dicht in den Vitrinen, eine ganze Militärparade von Nussknackern marschiert auf der Fensterbank auf.
Der Obrigkeit eine harte Nuss zum knacken geben

"Die schauen immer so grimmig, weil sie die Obrigkeit verkörpern", sagt Rehm: "Meist stellten sie Verwalter oder Hauptmänner dar, daher die Uniform." Diesen Leuten wollten die Erzgebirger eine harte Nuss zum knacken geben - im Grunde hat sich daran bis heute nicht viel geändert.
Die Erzgebirger selber fanden sich eher in der Figuren von Bergmann und Engel wieder - und im Räuchermann: "Das ist der Mann aus dem Wald, der sein eigenes Leben lebt und die Gemütlichkeit schätzt", sagt Rehm.
Erzgebirger Räuchermänner schätzen Gemütlichkeit

Den Hintergrund all dieser Figuren hat sie während ihrer Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin gelernt. Sechs Jahre lebte sie damals in Seiffen. "Als die Wende kam, machte ich gerade meinen Meister", erzählt sie.
Doch plötzlich gab es ihren ganzen Beruf nicht mehr: "Holzspielzeugmacher fehlten auf den westdeutschen Innungslisten, auch die Reifendreher." Die Seiffener Kunsthandwerker kämpften darum, weiterhin anerkannten Berufen nachzugehen: "So kam es, dass ich als eine der Ersten im neuen Deutschland den Meisterbrief als Holzspielzeugmacherin gemacht habe", sagt sie.
Handarbeit braucht Ruhe

Nach der Zeit in Seiffen arbeitet sie noch einige Jahr in der klassischen Heimarbeit für Seiffener Firmen: "Spanbäume schneiden, Reifentiere beschnitzen und das Bemalen hat mir am meisten Spaß gemacht."
Doch Schritt für Schritt gab es immer mehr im elterlichen Geschäft zu tun: "Und leider funktioniert es nicht, im Hinterzimmer in der Werkstatt zu schnitzen und bei jedem Kunden alles hinzulegen und in den Laden zu gehen", sagt sie: "Für diese Arbeit braucht man Ruhe und keinen Druck."
Direkter Kontakt zu Seiffener Kunsthandwerkern
Selbst hat sie deshalb schon lange keine Figur mehr gefertigt: "Aber ich kann sehr gut beurteilen, wie gut die Sachen gemacht sind." Durch ihre Zeit in Seiffen kennt sie die Handschrift vieler Kunsthandwerker: "Ich weiß, wer was macht und kaufe bei jedem direkt ein." So umgeht sie Zwischenhändler: "Deshalb habe ich meinem Laden auch die gleichen Preise wie in Seiffen."
Eins würde sie jedoch nie machen: "Auch für Ladenhüter gibt's bei mir keinen Preisnachlass. Ich weiß doch, wie viel Arbeit in jedem Stück drin steckt, und wie wenig Geld die Kunsthandwerker letztlich verdienen." Ihr Kunden wiederum schätzen, dass es bei ihr stressfreier als in der Seiffener Vorweihnachtszeit zugeht - und dass sie viele Figuren hat, die nicht überall zu finden sind. "Manche erzählen mir, dass sie Räuchermänner-Bestellungen von ihren Kindern bekommen haben, die inzwischen in Amerika oder Australien leben. Dort gibt es so etwas nicht."