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Geising: Geheimwerkstatt für den Prinzenwagen

Die Geisinger kämpfen um ihren Faschingsumzug. Obwohl man nicht mit dem Umzug am 27. Februar rechnet, bleibt doch ein Rest Hoffnung.

Von Egbert Kamprath
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In einer Geisinger Scheune schrauben Ronny Nestler (re.), der diesjährige Faschingsprinz Ronny I. und Hofnarr Michael Sommerschuh am neuen Prinzenwagen. Hier testen sie gerade die Konfetti-Wurfmaschine.
In einer Geisinger Scheune schrauben Ronny Nestler (re.), der diesjährige Faschingsprinz Ronny I. und Hofnarr Michael Sommerschuh am neuen Prinzenwagen. Hier testen sie gerade die Konfetti-Wurfmaschine. © Egbert Kamprath

Es wird gesägt, geschraubt und gebohrt – irgendwo in einer Geisinger Scheune. Unter strengster Geheimhaltung wird seit Wochen am Prinzenwagen des Ski- und Eisfaschings gebaut. So ist es Tradition, mit dem Unterschied, dass in diesem Jahr keiner weiß, wann das Gefährt zum ersten Mal die Blicke der Leute auf sich ziehen wird.

Termin wäre eigentlich der 27. Februar gewesen, doch mittlerweile glaubt eigentlich niemand wirklich mehr daran, dass es aufgrund der Corona-Bestimmungen an diesem Tag einen Umzug durch die Stadt geben wird. Nach der letzten ausgefallenen Saison war der aktuelle Faschingsprinz Ronny Nestler im Spätsommer noch guter Hoffnung, dass es diesmal wieder die beliebten Prunksitzungen im Leitenhof geben könnte.

Im August feierten die Geisinger Sommerfasching am Hüttenteich und auch die Saalveranstaltungen zum Auftakt am 11.11. schienen mit entsprechendem Hygienekonzept stattfinden zu können. Auch für den Umzug waren die Narren optimistisch. Quasi in die Generalproben für das Bühnenprogramm platzte aber die Hiobsbotschaft der Absage. Lediglich die Schlüsselübergabe um 11.11 Uhr unter freiem Himmel am Ratskeller konnten die Narren noch durchziehen. Die Saalveranstaltung am Abend wurde dagegen bereits gecancelt. So fand die Krönung des neuen Prinzenpaars schließlich draußen auf dem Altmarkt statt. Aus dicken Rauchschwaden tauchte zu mystischer Musik das „Raumschiff“ von Prinz Ronny1. und Anne 1. aus dem Dunkel auf. Sie eröffneten damit die 74. Saison, die unter dem Motto: „Geising- völlig abgeSpaced“ steht. Doch für alle Anwesenden war in diesem Moment schon klar, dass der Fasching, wie auch im Jahr zuvor, anders sein wird.

Selbst gedrehte Filme einsenden

Ronny Nestler mischt schon seit neun Jahren im Elferrat mit, gehört seit über 20 Jahren zum Verein. Seine Anne war zehn Jahre in der Garde. Nun ist er der 70. Prinz des Geisinger Eisfaschings und bedauert, dass er unter den gegenwärtigen Umständen nun doch nicht mit seinem Hofstaat feiern kann. In seinem Leben kann man nur einmal Prinz sein, der Umzug ist dabei Höhepunkt und schönster Tag im Jahr „Doch für uns ist wichtig, dass es weitergeht. Der Fasching ist eine Geisinger Tradition, die erhalten werden muss. Nichts machen gilt nicht. Wir müssen alles dafür tun, dass die Sache am Laufen gehalten wird. Doch das passiert nur auf dem Saal oder beim Umzug. Mit Filmen im Internet funktioniert das auf Dauer nicht“, schildert Ronny Nestler die Situation. Menschen müssen sich treffen und gemeinsam Spaß haben.

Doch ohne Beiträge im Netz geht es gegenwärtig auch nicht. In der letzten Saison waren die Geisinger damit erfolgreich unterwegs, aber vor allem deshalb, weil es etwas Neues war. Vor allem die Faschingswalzer stießen auf breite Resonanz und viele Leute schickten Filmbeiträge ein. Es gibt auch in diesem Jahr den Aufruf, selbst gedrehte Filme zum Faschingsmotto einzusenden, doch der Anklang ist deutlich gedämpfter. „Bislang sind es rund 15 Beiträge. Beim Faschingswalzer im letzten Jahr waren es 120. Ich muss dazu aber auch sagen, dass der aktuelle Aufruf sicher nicht so einfach umzusetzen ist. Das Internet wird aber auch in diesem Jahr unser wichtigstes Medium nach außen sein. Das Umdenken wegen Corona hat den Blick auf Sachen geschärft, die man so vorher nicht auf dem Schirm hatte. Wir sehen neue Möglichkeiten. Manchmal muss man halt etwas gestoßen werden. Unsere Beiträge in den verschiedenen Kanälen wurden 100.000-mal aufgerufen, eine solche Resonanz hätte es unter normalen Bedingungen nicht gegeben. So wurden auch viele Ex-Geisinger erreicht, die weit weg wohnen und damit wieder Kontakt zur alten Heimat erhielten. Vielleicht ist das für den einen oder anderen auch Anlass, hier mal wieder vorbeizuschauen, dann hoffentlich wieder mal live bei einer Saalveranstaltung.“

Wie viele Dinge im Alltag verändert sich auch der Fasching. Worüber das Publikum vor 30 Jahren noch herzhaft lachte, ist heute oft ein alter Hut. Ebenso sind die Zeiten vorbei, als die Leute schon im Sommer Schlange standen, um Karten für die Prunksitzungen zu ergattern. Das wird eine der Herausforderungen für die Zeit nach Corona. Viele Leute haben sich mittlerweile an den heimischen Sessel gewöhnt. Eine Möglichkeit ist für Ronny Nestler der Einbau von Videos ins Bühnenprogramm. Das gab es bereits mit Erfolg. Einige Sachen sind vom Aufwand her auf dem Saal einfach nicht machbar. „Wir wollen natürlich keine Kinoveranstaltung daraus machen, aber in der Mischung ist das eine Bereicherung. Wichtig ist auch, dass die Jugend mitzieht. Einer muss schließlich die Tradition fortführen.“

Vorsorglich für den 27. Februar geplant

Doch im Moment denken die Geisinger erst einmal an den Fasching in diesem Jahr und bauen unbeirrt am Prinzenwagen weiter. Das Fahrgestell mit dem Motor stammt von einem alten Robur und ist seit 1995 unterwegs. Darauf wird immer wieder neu aufgebaut. Der Entwurf für den Prinzenwagen stammt auch diesmal wieder von Manfred Müller. Da man niemals nie sagen sollte, wurde vorsorglich für den 27. Februar eine Sondergenehmigung für die Sperrung der Hauptstraße beantragt, da das Gefährt nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen ist. „Wir wollen zumindest vorbereitet sein, falls in den nächsten drei Wochen doch noch ein Wunder passiert. Wenn wir dürfen, fahren wir! Ansonsten gibt’s den Umzug, wenn es wärmer geworden ist. Aber es gibt einen, versprochen! Möge der Spaß mit Euch sein!“, kommentiert Ronny I. die gegenwärtige Situation. Um ein Zeichen zu setzen, dass der Fasching lebt, bittet er die Geisinger, die Stadt für den Tag des Umzugs zu schmücken. Die Leuchtreklame mit dem närrischen Schlachtruf „pitsche, patsche nass, nass, nass“ hat die Faschingspolizei am Ortseingang bereits angebracht. Auch der Leitenhof wird noch dekoriert. Und es wird zwei digitale Prunksitzungen geben, für die gegenwärtig die Videos im Dreh sind. Natürlich hoffen alle Beteiligten, dass sie im Frühjahr oder Sommer zusammen feiern und ihr einstudiertes Programm auch noch live vor Publikum präsentieren können. Ronny Nestler sieht sich dabei in Gedanken schon auf dem Prinzenwagen, von dem er und seine Prinzessin Anne endlich dem Faschingsvolk herunterwinken.