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Gute Kartoffeln, schlechte Braugerste

Die Agrarunternehmen in Liebenau und Reinholdshain ziehen Bilanz: In diesem Erntejahr gab es üppiges Wachstum und Totalausfälle.

Von Siiri Klose
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Klaus Köhler von der Agrargenossenschaft Reinholdshain holt die Kartoffeln mit dem Siebkettenroder ans Tageslicht.
Klaus Köhler von der Agrargenossenschaft Reinholdshain holt die Kartoffeln mit dem Siebkettenroder ans Tageslicht. © Karl-Ludwig Oberthür

Straßenschuhe werden gegen Gummistiefel getauscht, hier und da auch die Hose gewechselt. Auf dem Kartoffelacker geht es robust zu. Das weiß jeder, der schon mal selbst einen der weißen Säcke gefüllt hat. Und das haben hier, auf dem Oberhäslicher Acker der Reinholdshainer Agrargenossenschaft, nahezu alle. "Obwohl", sagt die Kassiererin nach kurzem Nachdenken: "Es kommen tatsächlich immer mehr Leute zum ersten Mal, weil sie so eine Kartoffellese mal selbst erleben wollen."

Auf dem Acker fräsen sich zwei blanke Metallscheiben in die Erde und befördern sie auf ein Rost. Dort wird alles gründlich durchgerüttelt, die Erde fällt durch. Im zweiten Schritt gelangen Kartoffeln, Steine und Kartoffelkraut zurück aufs Feld. Dort warten schon etliche Kartoffelsammler - gut zu erkennen an jeweils zwei Sammelkörben und den weißen 25-Kilo-Säcken.

Guter Kartoffelertrag in Liebenau und Reinholdshain

Der Siebkettenroder bei der Arbeit: Zuerst fällt die Erde durchs Sieb, dann die Kartoffeln auf die Erde.
Der Siebkettenroder bei der Arbeit: Zuerst fällt die Erde durchs Sieb, dann die Kartoffeln auf die Erde. © Karl-Ludwig Oberthür

Klaus Köhler, der Leiter der Agrargenossenschaft Reinholdshain, ist zufrieden mit der Qualität der Kartoffeln. "Bei der Laura gibt's fast gar keinen Ausfall in diesem Jahr", sagt er. Die rotäugigen Quarta ist dieses Jahr oft birnenförmig gewachsen. Doch das ist kein Grund zur Sorge.

Sorge bereitete ihm eher die Rapsernte. "Eigentlich hatte sich der Raps gut entwickelt", sagt er: "aber dann fehlte der Insektizidschutz." In den letzten Jahren verbot die EU die Verwendung von mehreren Neonikotinoiden auf den Äckern. "Wenn die Pflanzen noch jung sind, können sie sich allerdings nicht selbst gegen Insekten wehren", sagt Köhler. Beim Raps fielen ihnen zahlreiche Haupttriebe zum Opfer. "Die Seitentriebe sind aber nicht so ertragreiche", sagt Köhler, und: "zu solchen Schäden kommt dann noch das Wetter hinzu."

Raps kaum Kraft gesammelt im Frühjahr

"Die Ernte von Raps und Getreide fiel bei uns nicht nur schlecht aus", sagt auch Raik Bellmann, der Pflanzenchef der Liebenauer Agrar GmbH, "die war unterirdisch." Im Frühjahr sei es mit dem Wachstum nicht richtig losgegangen. Doch alles, was die Pflanze bis zum 23. März, dem "Langen Tag", nicht in Wurzeln, Blätter und Verzweigung investiert hat, kommt dann auch nicht mehr.

"Alle Kraft geht dann nur noch in die Samenausreife", sagt Bellmann. Der Raps stand deshalb ungewöhnlich licht auf dem Feld: "Normalerweise kann man auf einem Rapsfeld nicht mehr durchgucken", sagt er: "dieses Jahr schon."

Regen zur Ernte bringt viele Probleme

Dann fielen im August 141 Milliliter Regen. Sie reduzierten das bisschen Raps, was doch noch wuchs. Vor der Ernte sei ihm die Sommergerste zusammengebrochen, berichtet Köhler von den Reinholdshainer Feldern. "Die Ähren liegen dann so nah am Boden, dass das Schneidwerk vom Mähdrescher sie nicht erfasst."

Die Sommergerste ist normalerweise zum Bierbrauen gedacht: "Dafür bringt man sie in feuchtwarmer Umgebung in Keimstimmung. So wandelt sich Stärke in Zucker um, und es entsteht dieser malzige Geschmack."

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Doch bei feuchtem Wetter geht dieser Prozess bereits auf dem Feld los: "Das wird dann nur noch Tierfutter." Bei Roggen ist es wiederum das Klebereiweiß, dass unverzichtbar ist für ein weiches, luftiges Brot, und das bei feuchtem Samen diese Eigenschaft verliert. "Die Körner kann ich nicht mehr zu Mehr vermahlen lassen. Das hat nicht die Qualität." Auch hier: Tierfutter.

Grünfutter wuchs gut in diesem Jahr

Dafür wuchs sowohl in Liebenau als auch in Reinholdshain das Grünfutter üppig. "Die Silos sind gefüllt", sagt Bellmann. Seit diesem Jahr sind die Liebenauer im Zertifizierungsverfahren für biologisch angebautes Grünfutter: "Dort, wo wir Heu anbauen, haben wir zwar noch nie Dünger oder Pflanzenschutzmittel verwendet, aber jetzt ist die Förderpolitik für die Zertifizierung gerade günstig", sagt er.

Neue Wertschätzung für die Landwirtschaft

Auf dem Acker in Oberhäslich fanden sich am Freitag zahlreiche Kartoffelleser ein. Sonnabend wird noch mal gesammelt.
Auf dem Acker in Oberhäslich fanden sich am Freitag zahlreiche Kartoffelleser ein. Sonnabend wird noch mal gesammelt. © Karl-Ludwig Oberthür
Die guten in den Sack, die schlechten auf den Traktorhänger. Aufgesammelt werden müssen aber alle Kartoffeln.
Die guten in den Sack, die schlechten auf den Traktorhänger. Aufgesammelt werden müssen aber alle Kartoffeln. © Karl-Ludwig Oberthür

Im Großen und Ganzen würden sich die Erträge auf einem mittleren Niveau bewegen, sagt Köhler. Über die gute Ernte bei den Kartoffeln können sich vor allem all jene Bürger freuen, die zur Selbstlese gekommen sind. "Wirtschaftlich bringt es uns nichts, Kartoffeln anzubauen", sagt Köhler. "Aber es kommen immer mehr, die mal selbst ihre Kartoffeln ernten wollen", sagt Bellmann, "und alle, die hier mitmachen, wissen, woher sie ihre Kartoffeln haben und sehen die Arbeit, die drin steckt. Die bekommen eine neue Wertschätzung für die Landwirtschaft."