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Alternative zur Alternative

Wie viel Misserfolg kann eine Partei ertragen, bevor ihr die letzten Mitglieder davonlaufen? Bernd Lucke und seine Mitstreiter setzen bei der Wahl im Saarland alles auf eine Karte.

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Anne-Beatrice Clasmann

Saarbrücken/Berlin. Christian Kott hat Zeit, Geld und einen Wohnwagen. Das sind aus Sicht seiner Partei, der Liberal-Konservativen Reformer (LKR), schon einmal drei Argumente, die für ihn sprechen. Kott war früher Rechtsanwalt in Bremen. Heute ist der Mittvierziger Bundesvorsitzender der LKR, einer Partei, die in Deutschland fast niemand kennt. Sein Wohnwagen steht zur Zeit im Saarland. Da macht Kott Wahlkampf. Infostände, Vortragsveranstaltungen, das volle Programm.

Wir erinnern uns: Essen im Juli 2015. Die AfD wählt auf einem stürmischen Parteitag Frauke Petry zur Vorsitzenden. AfD-Gründer Bernd Lucke wird abserviert. Er und seine Mitstreiter werden später sagen, die AfD sei damals von Rechten unterwandert worden, sie hätten das leider zu spät gemerkt. Lucke gründet zusammen mit Hans-Olaf Henkel und weiteren ehemaligen Mitgliedern der AfD eine eigene Partei. Sie wählen einen sperrigen Namen: Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa). Später beschwert sich ein Verein, der die gleiche Abkürzung verwendet. Es kommt zur Klage. Die Partei verliert den Prozess, muss sich umbenennen.

Als Kott im November 2016 neuer Parteivorsitzender wird, nachdem Ulrike Trebesius das Amt aus privaten Gründen aufgegeben hat, läuft das schon unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze. Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin erhält die Partei jeweils weniger als ein Prozent der Stimmen.

Damit am Ende dieses Abstiegs von der Kleinpartei zur Zwergpartei nicht die Auflösung steht, setzen die LKR-Mitglieder jetzt alles auf eine Karte. „Im Saarland mit seinen 800 000 Wählern können wir viel leichter erreichen, dass die Menschen uns und unsere Ideen kennenlernen als in Berlin“, erklärt Parteisprecher Christian Schmidt. Von den Anti-Asyl-Slogans der AfD distanziert sich die LKR, sie fordert eine „atmende Obergrenze“ für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Kott hat der LKR ein Darlehen gewährt. Er sagt: „Ich mache jetzt 24 Stunden am Tag Wahlkampf, sieben Tage die Woche.“

Doch wo steht die LKR eigentlich politisch? Sie ist - wie die AfD - gegen die Euro-Rettungspolitik. Die Partei fordert eine Reform der EU und legt den Schwerpunkt auf Innere Sicherheit. Auf ihren Wahlplakaten erklärt die LKR, in welche Nische sie vorstoßen will: „Links von uns die CDU, rechts von uns die AfD. Wir sind die Alternative für Anständige.“ Kott war früher in der AfD, davor bei der FDP. Er sagt, die Ausgangsbedingungen für die LKR seien im Saarland nahezu ideal, „weil die AfD dort so weit rechts steht wie in keinem anderen westlichen Bundesland, und die CDU steht relativ weit links, da bleibt für uns eine große Lücke.“

Und wo ist Lucke? Als die LKR Anfang März in Berlin ihre Zusammenarbeit mit einem kleinen Verein von CDU-Abtrünnigen bekanntgibt, ist der Europaabgeordnete nicht dabei. Ob man ihn nicht dabei haben wollte, weil Lucke der Nimbus des Verlierers anhafte, fragt ein Journalist. „Nein“, sagt Kott. Er betont, Lucke sei nach wie vor LKR-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl. Er stehe mit ihm in engem Kontakt.

Und Lucke selbst? Er sagt: „Ich bin Realist.“ Und: „Wenn wir im Saarland keinen großen Erfolg haben, dann wirft das natürlich auch einen Schatten auf die anstehende Landtagswahl in Schleswig-Holstein.“ (dpa)