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Ami go home

Die 100-Tage-Bilanz Jürgen Klinsmanns als Trainer von Bayern München kann ernüchternder kaum sein.

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Von Gerd Münster

Sieben Spiele, neun Punkte, 13 Gegentore und Tabellenplatz elf: Jürgen Klinsmanns 100-Tage-Bilanz könnte ernüchternder kaum sein. Seit 31 Jahren hat es beim erfolgsverwöhnten FC Bayern München so einen Negativstart in der Bundesliga nicht mehr gegeben. Beim deutschen Fußball-Rekordmeister kriselt es, doch Jürgen Klinsmann lächelt seine schwache Ausbeute einfach weg. „Das ist ein Prozess“, beschwichtigt der Trainer, der heute 100 Tage im Amt ist.

Die Bayern-Bosse trotzen der Enttäuschung in seltener Einigkeit. Präsident Franz Beckenbauer mahnte zur Geduld, und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprach Klinsmann das „volle Vertrauen aus“.

Ein erstes Resümee von Klinsmanns Probezeit zog dagegen Oliver Kahn. „Jeder Verein hat eine eigene Philosophie, an der man ein bisschen drehen kann, aber die man nicht völlig über den Haufen werfen kann“, übte der Ex-Kapitän Kritik an Klinsmanns Reformkurs.

Nach dem Stotterauftakt in der Liga und den wenig glanzvollen Auftritten in der Champions League, in der die Bayern mit vier Punkten aber immerhin im Soll sind, ist für die Fans längst das Maß voll. „Ami go home“, forderten sie Klinsmann schon zur Rückkehr in seine kalifornische Wahlheimat auf. Beckenbauer stellt besorgt fest: „Die Liga spürt, dass wir im Moment verwundbar sind.“

Klinsmann, vor 100 Tagen als Wohltäter in der schönen, neuen Bayern-Welt begeistert empfangen, steckt in der Sackgasse. Er spürt, dass ihm ein stürmischer Herbst bevorsteht, aber er geht offen mit der für ihn heiklen Situation um und sagt: „Letztendlich muss der Trainer seinen Kopf hinhalten, wenn die Dinge nicht so umgesetzt werden, wie man sie den Spielern aufgibt.“ Die Spieler scheinen mit der Umsetzung von Klinsmanns Fußball-Einmaleins überfordert zu sein. In beinahe wildem Aktionismus will der 44-Jährige seine Visionen vom perfekten Fußball den Bayern einimpfen, doch heraus kamen bisher bittere Lektionen für den früheren Bundestrainer.

Klinsmann will in München seine Reformen mit aller Macht durchsetzen. Im Millionen Euro teuren Leistungszentrum, wo er seine Schützlinge mithilfe eines elfköpfigen Trainerstabs in Acht-Stunden- Tagen zu rundum gebildeten Menschen formen will, hat er so viel umgekrempelt, dass Rummenigge von einer „neuen Kultur in der Bundesliga“ schwärmt. Auf dem Platz aber hinterließen Klinsmanns löbliche Absichten bisher viel Ratlosigkeit und einen konfusen Gesamteindruck. (dpa)