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Angeklagter vorerst aus U-Haft entlassen

Gegen einen der drei Meißner, die im Elbland mehrere Straftaten im Crystalrausch begingen, wird nun einzeln vor Gericht verhandelt.

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© André Wirsig

Von Stephan Klingbeil

Meißen. Irgendetwas fehlte. Nachdem Michael B. vor rund zwölf Jahren einen Drogencocktail zu sich genommen hatte und fünf Tage im Koma lag, machte er einen Schnitt. Er wurde clean, baute sich ein neues Leben auf. „Ich hatte eigentlich alles: ein Auto, ein Haus, eine Freundin, eine Arbeit, ein tolles Umfeld – doch eines Tages fiel mir auf, dass irgendetwas fehlte“, erinnert sich der heute 33-Jähriger am Landgericht Dresden.

Vor der dortigen 14. Großen Strafkammer wird ihm und zwei weiteren Meißnern der Prozess gemacht (SZ berichtete). Raub, räuberische Erpressung, Körperverletzung, Diebstahl und vieles mehr wird den drei Deutschen vorgeworfen. Mal hätten sie alleine, mal zu zweit gehandelt, andere Male mit Tatverdächtigen, gegen die gesondert ermittelt wird. Drogen spielten dabei stets eine Rolle – vor allem Crystal.

Während die beiden anderen Angeklagten, der 22-jährige Dennis B. und der drei Jahre ältere Brian G. für über 20 Straftaten im Elbland verantwortlich sein sollen – unter anderem Ende 2016 für einen Überfall auf eine Verkäuferin im Edekamarkt in Coswig –, wird Michael B. am Landgericht „nur“ die Beteiligung an einem Vorfall zur Last gelegt. Deshalb wurde sein Verfahren nun von dem der zwei anderen abgetrennt – aus einem Prozess wurden somit zwei.

Zudem wurde Michael B. am Mittwochabend – anders als die zwei Mitangeklagten Meißner – nach mehreren Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Seine Mutter versicherte, ihn bei sich aufzunehmen.

Wird der 33-Jährige verurteilt, droht ihm aber die Rückkehr ins Gefängnis. Laut Anklage soll er am Morgen des 13. März 2016 mit Brian G. in die Wohnung eines Bekannten in der Meißner Talstraße eingedrungen sein. Dort hätten sie den Mann gezwungen, technische Geräte im Wert von rund 3 000 Euro herauszugeben. Selbst schmutzige Bettwäsche nahmen sie mit.

Michael B. bestreitet seine Beteiligung nicht. Allerdings hätte er damals zwei Tage nicht geschlafen, war gereizt und hätte – mal wieder – eine Line mit Crystal gezogen, nur wenige Stunden vor dem Übergriff.

Nachdem er im Jahr 2013 gemerkt hätte, dass er wohl die Drogen vermisst, entglitt ihm sein Leben. Er ließ alles hinter sich, setzte auf die „falschen Freunde“. Die Sucht kehrte in seinen Alttag zurück.

Gutachter stellt Schuldfähigkeit fest

Der Verkehrsassistent wurde auch wieder straffällig, kassierte mehrere Geldstrafen. Den erneuten Absprung schaffte er nicht. Im Gegenteil: Er nahm Drogen, um Erinnerungen an Schläge in seiner Kindheit zu verdrängen. Er suchte den Rausch „zu Therapiezwecken“, wie der Mann sagt. Auch, „um leistungsfähiger zu sein“. Zudem wollte er „dazugehören“. Schließlich lernte er so Leute wie Brian G. kennen, die ebenfalls Crystal nahmen. Ihm habe er an jenem Märzmorgen 2016 nur helfen wollen.

Er sollte ihn doch bitte beim Tragen unterstützen. Ein Bekannter in der Talstraße schuldete dem 25-Jährigen Geld –  angeblich. Da der Mann wohl nicht zahlen würde, wollte er als Ersatz dessen Fernseher mitnehmen. Sie zogen los. Und Michael B. soll dabei einen angespitzten Schraubenzieher mit sich geführt und laut dem Überfallopfer in der Hand gehalten haben.

Allerdings sei Brian G. die treibende Kraft gewesen, sagt der inzwischen in den Westen Deutschlands gezogene Mann. Ehe G. mit dem Fernseher verschwand und ihn sowie Michael B. zurückgelassen habe, hätte er ihn massiv bedroht. „Dabei hatte ich doch gar keine Schulden bei ihm“, widerspricht der Geschädigte den Aussagen des Hauptangeklagten. Er dachte vielmehr, dass es sich um eine Racheaktion handeln würde. Wegen eines Übergriffs kurz zuvor, an dem er am Rande beteiligt gewesen sei.

Er hatte damals Angst, auch vor Michael B., der sich zwar eher ruhig verhalten habe. „Doch er hat seinen Kopf gegen einen Schrank geschlagen, wirkte aggressiv.“ Da der Mann nicht wusste, wie Michael B. reagiert, hätte er ihm geholfen, die Sachen aus der eigenen Wohnung zu tragen. Dann hätten sie sogar noch eine Zigarette geraucht.

Doch war Michael B. überhaupt schuldfähig? Ein Gutachter sagte, der Angeklagte sei in seiner Steuerungsfähigkeit nicht erheblich eingeschränkt gewesen. Diese Einschätzung hat Einfluss auf das Strafmaß, das wohl in rund zwei Wochen verkündet wird. Die Urteile gegen die Mitangeklagten werden ebenfalls im September erwartet.