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Anti-Nazi-Symbole sind nicht strafbar

Bundesgerichtshof hebt ein umstrittenes Urteil gegen einen Händler auf und spricht ihn frei.

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Von Ursula Knapp, Karlsruhe

Durchgestrichene Hakenkreuze und andere klar erkennbare Symbole gegen den Nationalsozialismus sind nicht strafbar. Mit dieser Entscheidung hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe gestern das heftig umstrittene Urteil gegen einen Versandhändler von Anti-Nazi-Emblemen auf und sprach den Mann rechtskräftig frei. Die Bundesregierung und Vertreter aller Parteien begrüßten die höchstinstanzliche Entscheidung einhellig.

Der 32-jährige Jürgen Kamm aus Winnenden war vom Stuttgarter Landgericht wegen Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen zu 3600 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Doch bereits in der Revisionsverhandlung vor dem BGH hatten Bundesanwaltschaft und Verteidigung letzte Woche übereinstimmend beantragt, dieses Urteil aufzuheben.

Der Versandhändler vertreibt für die linke Punkszene Aufkleber und Anstecker mit zertretenen oder durchgestrichenen Hakenkreuzen. Bei einem anderen Motiv wirft ein Strichmännchen ein Hakenkreuz in den Papierkorb. Das Landgericht hatte die Befürchtung geäußert, Neonazis könnten die Symbole umdeuten und ihrerseits verwenden. Das Symbol mit dem Papierkorb könne auch so verstanden werden, dass man das Hakenkreuz aus dem Müll herausholen solle.

Dagegen entschied der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs jetzt, die Artikel ließen eindeutig und offenkundig die Distanzierung vom Nationalsozialismus erkennen. Auch bei einem Ausländer könne nicht der Eindruck entstehen, in Deutschland werde die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts geduldet. Die Auslegung des Landgerichts nannte der Vorsitzende BGH-Richter Walter Winkler in der Urteilsbegründung „allenfalls theoretisch“.

Allerdings warnte Winkler die rechte Szene ausdrücklich davor, nationalsozialistische Kennzeichen mit nur leichten Veränderungen zu verwenden: „Mit angedeuteten Distanzierungen würden wir uns nicht abspeisen lassen.“ Die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus müsse für den Beobachter auf Anhieb erkennbar sein.

Der freigesprochene Versandhändler Kamm zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. Wegen der Durchsuchung seines Lagers und der Beschlagnahme von Artikeln wird er nun eine Entschädigung erhalten. Über die Höhe muss das Landgericht Stuttgart entscheiden.

Die Bundesanwaltschaft begrüßte das Urteil als Beitrag zu Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit. Bundesanwalt Gerhard Altvater sagte, Gegner des Nationalsozialismus könnten nun mit eindeutigen Anti-Nazi-Symbolen demonstrieren und seien vom Risiko der Strafbarkeit befreit. Der BGH habe aber auch deutlich gemacht, dass Missbrauch entgegentreten werde. (AP)

AZ: Bundesgerichtshof 3 StR 486/06