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Darum könnte die TU Dresden die Zukunft der globalen Wissenschaft verändern

Die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wird das Sammeln, Strukturieren und Aufbewahren wissenschaftlicher Erkenntnisse auf eine neue Ebene heben. Wichtige Weichen dafür werden in Dresden gestellt.

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Für die meisten Bereiche unseres Lebens, unserer Kultur und unserer gesamten Existenz ist Teilen essenziell – für das von der Menschheit über Jahrtausende angesammelte Wissen gilt das besonders. Zwar kann Herrschafts- oder Geheimwissen dem zivilisatorischen Fortschritt hier und da durchaus zuträglich sein. Meist jedoch sind unsere Befunde und Sichtweisen nur dann etwas wert, wenn wir sie auch anderen überlassen. Zum Bestätigen, zum Weiterdenken, zum Herausfordern von Widerspruch und zum Einfordern von Korrektur.

Ein zentraler Ort für wissenschaftliche Daten

Dass wissenschaftliche Daten einen riesigen Anteil am menschlichen Erfahrungsschatz haben, dürften die wenigsten bestreiten. Daher ist es für die Gegenwart wie auch für die Zukunft von größter Wichtigkeit, wissenschaftliche Daten strukturiert zu erfassen, nachvollziehbar geordnet und sicher aufzubewahren.

Auch sollte der Datenschatz langfristig und unter Anwendung transparenter Kriterien für die Gemeinschaft der Forschenden zugänglich sein. Ein Unterfangen, das viel Arbeit verspricht und derzeit weltweit die Gemüter von Wissenschaftler*innen aus allen Forschungssparten erregt.

Bildet NFDI die Lösung?!

In Deutschland stellt man sich der Herausforderung mit einem Projekt namens Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Sie soll das durch deutsche Universitäten und andere Forschungseinrichtungen generierte Wissen sammeln, ordnen und verwahren.

Keine leichte Aufgabe, denn häufig sind auch in unserem zunehmend digital vernetzten Wissensbetrieb Daten nicht auffindbar, nicht zugänglich oder unvollständig bzw. für Außenstehende unverständlich erfasst. Oft genug weiß niemand außerhalb eines überschaubaren Personenkreises überhaupt von der Existenz bestimmter Forschungsergebnisse. Ein Zustand, den immer weniger hinnehmen möchten.

© TU Dresden

Dass das staatliche Engagement in Sachen NFDI weit über Absichtserklärungen hinausgeht, zeigt sich in einer beeindruckenden Zahl: Allein in diesem Jahrzehnt fördern Bund und Länder den Aufbau der NFDI mit etwa einer Milliarde Euro. Das erscheint bereits auf den ersten Blick viel. Das Ausmaß dieses Einsatzes für die gigantische digitale Bibliothek der deutschen Wissenschaft wird aber erst dann offenbar, wenn man sich vor Augen führt, dass es beim Aufbau der NFDI gar nicht so sehr um die Art und Weise der Datenspeicherung oder um Hardware geht. Das Geld fließt vielmehr in das Erdenken sicherer, transparenter und „zukunftsfester“ Wege zur klugen Bereitstellung und Sicherung der Daten.

Gleichzeitig soll die NFDI auch ein Werkzeug für Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung von Forschungsergebnissen sein.

TU Dresden deutschlandweit mit am stärksten beim NFDI vertreten

Die TU Dresden spielt bei diesem Mammutprojekt eine maßgebliche Rolle. Die Inkubatoren des Entstehungsprozesses heißen „Konsortien“ – ein NFDI-Konsortium ist eine Gruppe von Wissenschaftler*innen, die für ihre Fachrichtung wichtige Anforderungen an die Forschungsdateninfrastruktur erarbeiten.

Seit einiger Zeit sind jetzt, jeweils über die gesamte Bundesrepublik verteilt, 26 dieser Konsortien tätig. „Die NFDI entsteht aus den Fachrichtungen heraus“, erklärt Prof. Lars Bernard, „und deshalb freuen wir uns sehr, dass wir jetzt das ‚Wer?‘ geklärt haben und uns an das ‚Was?‘ machen können“. Der Geoinformatiker der TUD ist Sprecher des Konsortium NFDI4Earth, das innerhalb der NFDI die Erdsystemwissenschaften repräsentiert.

Insgesamt arbeiten derzeit etwa 1.000 Forschende an der zukünftigen Struktur der NFDI. Forschende der TUD arbeiten in zehn der 26 Konsortien mit – im deutschlandweiten Vergleich einer der stärksten universitären Beiträge zur NFDI. Seit November 2022 werden die 26 NFDI-Fach- und Methodenkonsortien sowie eine Initiative für NFDI-weite Basisdienste offiziell durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Aus Dresdner Perspektive besonders wichtig ist in dieser Hinsicht die Basisdienst-Initiative. „Basisdienste sind entscheidende Elemente der infrastrukturellen Grundversorgung der gesamten NFDI“, sagt Prof. Bernard, der auch Sprecher des Basisdienst-Verbunds ist. Die Basisdienste werden allen Konsortien zur Verfügung stehen. Die Art und Weise ihres Funktionierens ergibt sich aus Themen, die übergreifend wichtig sind: Organisatorische und technische Lösungen für den Zugang beispielsweise zu Speicher und Software, für Datenpublikationen, Arbeitsprozessen und Unterstützungsdiensten für alle Forschenden.

Die Zukunft des Speicherns, Teilens und Findens von in Deutschland generierten Forschungsdaten wird also maßgeblich aus dem Elbtal mitbestimmt, und damit auch die Zukunft der globalen Wissenschaft. Diese wird von einem Netzwerk aus nationalen wissenschaftlich orientierten Dateninfrastrukturen viel mehr profitieren als nur in Form von besseren Zugriffsmöglichkeiten auf Tabellen und Texte.

Die Wissensspeicher-Giganten der Zukunft werden Daten in einem viel größeren Ausmaß als bisher zugänglich machen – womit sich Wege zu vollkommen neuen Forschungsfragen und -feldern eröffnen könnten.

In diesen 3 Bereichen ist NFDI von großem Nutzen

Beispiel 1: Digitales Laborbuch statt Papierkladde

Was sind die wichtigsten Arbeitsmittel von Chemiker*innen? Kittel und Schutzbrillen? Laborgeräte und Computer? Alles von Bedeutung, aber entscheidend sind die Laborbücher. Sie sind das Gedächtnis der Chemie. In ihnen muss jedes Experiment von der Planung bis zur Auswertung akribisch dokumentiert werden. Für das Führen eines Laborbuchs existieren strenge Anforderungen. Hier sollen elektronische Laborbücher, in der Wissenschaftssprache ELN (Electronic Laboratory Notebooks) genannt, die gebundenen Papier-Laborbücher ablösen. Der Weg dahin ist allerdings noch weit, denn das Forschungsdatenmanagement ist in der Chemie – wie auch in anderen Wissenschaften – aktuell noch nicht befriedigend. Digitale Datenspeicher wie ELN werden zu selten genutzt, der Nutzen und die Mechanismen eines zeitgemäßen Forschungsdatenmanagements müssen deshalb innerhalb der Wissenschaft immer wieder aktiv beworben werden.

Die Initiative NFDI4Chem arbeitet deshalb am Aufbau einer Infrastruktur für das Forschungsdatenmanagement, die später zu einem Baustein der NFDI werden soll. Immer nach dem Kriterium „FAIR“, denen sich Forschungsdaten jeglicher Art unterwerfen sollen: Findable (Auffindbar), Accessible (Zugänglich), Interoperable (Interoperabel) und Reusable (Wiederverwendbar). NFDI4Chem ist die Keimzelle einer ganzheitlichen Struktur, die im Idealfall den freien und unkomplizierten Zugang zu chemischen Daten aus allen Laboren und Forschungseinrichtungen in Deutschland sicherstellt. NFDI4Chem wird von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (DBG) sowie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) unterstützt. Auch die TU Dresden ist an NFDI4Chem beteiligt und setzt Elektronische Laborbücher um.

Beispiel 2: Hinhören, wenn die Erde spricht

Wie klingt unsere Welt? Diese Frage ist weit weniger esoterisch, als sie zunächst erscheint. Alles, was unsere Umwelt an Messbarem zur Verfügung stellt, ist für Forschende potenziell wichtig. Und sollte es heute noch nicht wichtig sein, dann ist es das möglicherweise in der Zukunft. Der Mensch erfasst seit Jahrhunderten wissenschaftliche Daten in geschriebener Form. Klänge hingegen können wir erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in guter Qualität aufnehmen, reproduzieren und für lange Zeiträume verlustfrei und auf kleinem Raum konservieren. Vielleicht auch deshalb denkt man beim Thema „NFDI“ zunächst eher ans Speichern und Ordnen von Zahlen und Buchstaben als an das, was Mikrofone und Sensoren wahrnehmen können.

Innerhalb der Erdsystemwissenschaften – welche die Prozesse und Wechselwirkungen aller physikalischen, chemischen und biologischen Vorgänge auf dem Planeten inklusive des menschlichen Einflusses erforscht – haben wissenschaftliche Geräuschaufnahmen von Umweltphänomenen aber definitiv einen Platz. Deshalb muss das von Prof. Lars Bernard an der TU Dresden koordinierte NFDI-Konsortium NFDI4Earth in Kooperation mit der Landschaftsökologin Prof. Anna Cord passende Wege zur Erfüllung entsprechender „digitaler Bedürfnisse“ deutscher Wissenschaftler*innen finden. Das Feld, das es hier gemeinsam zu bestellen gilt, ist ein weites. Der Klang des Planeten wird aus vielen Quellen gespeist: Tierstimmen aus der Biosphäre, die Geräusche von Gletschern aus der Kryosphäre, Wettergeräusche aus der Atmosphäre und schließlich die vielen Töne, die Mensch und Technik in der Anthroposphäre hervorbringen. Viel Futter für die Forschung also, für heutige und kommende Forschende genauso wie – in Anbetracht der gigantischen Datenmengen – für Künstliche Intelligenzen, die zukünftig immer stärker an Forschungsprozessen teilhaben werden.

Beispiel 3: „Klimastabilere“ Gemeinden dank Datennutzung

Welchen konkreten Nutzen eine Struktur wie die NFDI für Deutschland haben könnte, zeigt das Beispiel „KlimaKonform“. Aufgabe dieses von Wissenschaftler*innen der TU Dresden durchgeführten Projekts ist die Entwicklung einer Plattform, die kleinen Gemeinden in Mittelgebirgsregionen helfen soll, den Folgen des globalen Klimawandels auf lokaler Ebene aktiv entgegenzutreten. Die Modellregion liegt in den Landkreisen Vogtlandkreis (Sachsen), Greiz (Thüringen) und Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt). Hier befinden sich wichtige Teile des Einzugsgebiets des Flusses Weiße Elster.

Die Kommunen im Fokusgebiet sind – wie auch in vergleichbaren deutschen Mittelgebirgsregionen – meist klein und verfügen deshalb über begrenzte Mittel und administrative Kapazitäten. Zugleich aber sind die Probleme, die der Klimawandel diesen Gemeinden bringt, oft größer als die in anderen Regionen. Extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Trockenphasen oder Stürme haben hier besonders verheerende Konsequenzen. Zusätzlich sehen die TUD-Forschenden in den Gemeinden einen mangelnden Zugang zu klimarelevanten Erkenntnissen. Ein sich rasant veränderndes Klima fordert jedoch eine andere Herangehensweise an kommunale Aufgaben wie Wasserversorgung oder Abwasser- und Hochwasserrisikomanagement. Auch Bauleit- und Landschaftsplanung müssen den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Je eher diese Anpassung erfolgt, desto geringer sind die ökonomischen und sozialen Folgekosten für die Gemeinden. Das Projekt „KlimaKonform“ stellt deshalb der Modellregion aktuelle Daten als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage zur Verfügung. Die Services und Produkte entstehen in Zusammenarbeit mit den kommunalen Partnern – ein anwenderfreundlicher Open Data/Open Science-Ansatz, der schon jetzt im Regionalen zeigt, was eine bundesweite Datenstruktur wie die NFDI einmal leisten könnte und sollte.

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