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Stream on im Hörsaal

Corona hat die Lehre an der TUD vor Herausforderungen gestellt. Ein starkes Team hat sich davon nicht schrecken lassen.

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Henriette Greulich - Leiterin des Zentrums für interdisziplinäres Lernen und Lehren – kurz ZiLL – an der TUD.
Henriette Greulich - Leiterin des Zentrums für interdisziplinäres Lernen und Lehren – kurz ZiLL – an der TUD.

Das erste Semester – das ist für die meisten Studierenden nicht nur der erste Abschnitt im Erwachsenenleben, es ist auch ein Vorantasten auf fremdem Terrain. Und so eine Universität kann auf den ersten Blick durchaus einschüchternd wirken. Die Erfahrung, dass es anderen Erstsemestern genauso geht und dass Tutoren und Dozenten um genau diese Startschwierigkeiten wissen und den Neulingen zur Seite stehen, hilft über viele Unsicherheiten hinweg. Aber was, wenn es keine Einführungsvorlesungen im Hörsaal gibt? Keinen Austausch im Seminarraum? Keine Erstsemesterparty? Die Corona-Pandemie hat das Universitätsleben nachhaltig verändert. Auch in der TUD sieht man sich seit dem Frühjahr 2020 mit Herausforderungen konfrontiert, die so bislang nicht zur Debatte standen.

Wo Präsenz zum Problem wird, funktioniert Lehre im herkömmlichen Sinne nicht mehr. Wie also digitalisiert man eine Universität? Vor dieser Frage standen Henriette Greulich, die Leiterin des Zentrums für interdisziplinäres Lernen und Lehren – kurz ZiLL – an der TUD, und ihr Team. „Die Herausforderung war immens“, beschreibt sie die Erfahrung vom März. Als klar wurde, dass ein normaler Lehrbetrieb im Sommersemester nicht möglich sein würde, mussten buchstäblich über Nacht Antworten auf Fragen gefunden werden, die bis dato bestenfalls theoretische Gedankenspiele waren. „Sowohl inhaltlich als auch technisch brauchten wir sehr schnell sehr viele Lösungen“, sagt Henriette Greulich. Lehre lässt sich nicht eins zu eins in Online-Formate übersetzen, und Digitalisierung bedeutet eben nicht nur, dass der Dozent etwas erzählt und dabei die Videokamera laufen lässt. „Ein großes Thema waren Sicherheit und Datenschutz. Dafür brauchten wir interne Serverlösungen, die auch für große Datenmengen und über lange Zeit hinweg stabil funktionieren“, nennt Henriette Greulich eines der Probleme. Die TUD hat sich externe Partner gesucht, aber vieles auch in eigener Regie umgesetzt. „Das war uns – gerade auch mit Blick auf die Datensicherheit– sehr wichtig“.

Interaktive Plattformen und Praxistests im Internet

Gemeinsam mit den Kollegen vom Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) stemmten die Mitarbeiter den Kraftakt. „Man spürte sehr deutlich, dass alle die Herausforderungen gemeinsam meistern wollten, obwohl natürlich auch jeder persönlich von der Situation betroffen war“, sagt Henriette Greulich. Dabei seien die ressortübergreifende Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung noch viel intensiver geworden.

Krise bedeutet auch, um Ecken zu denken, Horizonte zu weiten – und manchmal gemeinsam loszugehen, obwohl man nicht sicher sein kann, ob man auf dem gewählten Weg auch am gewünschten Ziel ankommt.

Deshalb sei das Sommersemester in vielerlei Hinsicht eben auch ein Versuchsterrain gewesen – für verschiedene Formen von Online-Konferenzen, interaktive Lern-Plattformen und Praxistests im Netz. Eine Erkenntnis dabei: Alles digital – das funktioniert auch ganz unabhängig vom Krisenmodus nicht für eine Universität. „Wir wollen und werden keine Fern-Uni sein“, sagt Henriette Greulich. Und so plant man an der TUD für beide Welten. Mit den Lockerungen gab und gibt es wieder Raum für Präsenzveranstaltungen. „Aber auch das wirft neue Fragen auf. Wir haben ein gutes, sehr auf Vorsicht bedachtes Hygienekonzept. Wenn jedoch in einen Hörsaal nur noch 100 statt 800 Personen passen, muss man auch neue Raum-Lösungen finden“, sagt Henriette Greulich.

Dazu kommt: Lernen braucht Begegnung und Praxisbezug. Eine Übung selbst auszuführen, vermittelt ein anderes Gefühl vom Beherrschen des Lehrstoffes als das Durchspielen des Experimentes im Internet. Ein weiteres Problem sind Prüfungen. Viele fanden im Sommersemester digital statt und werden das, zumindest in Anteilen, wohl auch künftig tun. Wie garantiert man, dass die Studierenden am heimischen Rechner ohne Hilfsmittel arbeiten? Was passiert, wenn die Internetverbindung abreißt? Wie bleiben Prüfungssituationen fair und vergleichbar? Auch das reiht sich ein in die Liste der Herausforderungen, mit denen man sich nicht nur am Zentrum für interdisziplinäres Lernen und Lehren konfrontiert sieht.

Viele Fakultäten arbeiten sehr aktiv mit, um Lösungen zu finden. So gibt es etwa in der Wirtschaftsinformatik ein ganzes Paket an digitalen Lösungen. Die reichen von kollaborativer Arbeit auf Online-Plattformen, E-Lectures und synchroner Kommunikation mit den Studierenden bis hin zur extra auf die Anforderungen der Erasmus-Studierenden zugeschnittenen digitalen Lehre. Denn auch die Universität als Ort der internationalen Begegnung steht durch Corona vor neuen Herausforderungen. „Mit dem Dekanat der Wirtschaftswissenschaften konnten wir 95 Prozent Virtualisierung aller Kurse an der Fakultät für das Sommersemester 2020 erreichen und unterstützen“, sagt Anne Jantos. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Wirtschaftsinformatik koordiniert das E-Learning.

Über Fachgrenzen hinaus zusammengearbeitet

Und so fühlt man sich recht gut gerüstet für das Wintersemester, das ebenfalls ein Semester in der Krise sein wird. Trotzdem ist jetzt vieles anders. „Im Gegensatz zum März wissen wir, dass das Semester corona-bedingt mit einem großen Digital-Anteil vorbereitet werden muss. Daran wurde schon den ganzen Sommer über intensiv gearbeitet“, sagt Henriette Greulich. Das Überraschungsmoment, die Hals-über-Kopf-Lösungen, der Sprung ins kalte Wasser – all das taugt nun nicht mehr als Begründung für Schwierigkeiten.

Und die, auch daraus macht man beim ZiLL keinen Hehl, gibt es bei einem derartigen Mammutprojekt. „Es gab natürlich Situationen, wo wir jemandem nicht so schnell eine Lösung anbieten konnten, wie wir es gerne gewollt hätten“, so Henriette Greulich. Lehrenden und Lernenden stets gleichermaßen gerecht zu werden, kommt der berühmten Quadratur des Kreises recht nahe. Dennoch: Was alle Beteiligten in den letzten Monaten geleistet hätten, sei beeindruckend, so die ZiLL-Leiterin. „Ganz viele Kollegen sind über sich hinausgewachsen, Studierende, Dozenten und Verwaltungsmitarbeiter haben sich weit über das normale Maß eingebracht“. Auch das wolle man neben den technischen Lösungen mitnehmen auf den Weg in eine Normalität, die wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen wird.

Von Annett Kschieschan

Die TU Dresden hat besondere Initiativen zur Digitalisierung der Lehre mit dem Label der eHeroes versehen. Alle Infos rund um die eHeroes gibt es hier

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