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Zoo Dresden: Zwölffacher Nachwuchs bei den Nacktmullen

In der Schauanlage der Nacktmulle sind derzeit so viele Tiere zu sehen wie noch nie. Der Zoo Dresden ist berühmt für die Zucht der faszinierenden Nager.

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© Thorsten Eckert

Unermüdlich wuseln sie durch die Gänge ihres „Baus“ im Afrikahaus: die rosig-faltigen Nacktmulle, die trotz mangelnder Schönheit eine große Faszination auf Experten und Besucher ausüben. „Ihr Treiben wirkt auf den ersten Blick vielleicht planlos“, sagt Tierpflegerin Christiane Krönke. „Doch jeder einzelne Nacktmull weiß ganz genau, was er tut.“ Je nach Alter und Fähigkeiten erfüllt jeder der kleinen Nager eine bestimmte Aufgabe. So gibt es Tiere, die den Bau vergrößern oder reinigen und andere, die ihn bewachen. Vorwiegend jüngere Nacktmulle kümmern sich um die „Babys“, bringen sie unter anderem zum Trinken zur gemeinsamen Mutter. Denn nur ein Weibchen der Gruppe verpaart sich mit einem dominanten Männchen und bringt Jungtiere zur Welt.

Große Gruppe

Erst Ende November hat das Alphaweibchen in der Schauanlage wieder für zwölffachen Nachwuchs gesorgt – und die Gruppe damit auf 56 Tiere vergrößert. „So viele wurden bisher noch nie gleichzeitig gezeigt“, so Christiane Krönke. Der Wurf selbst sei allerdings nicht „rekordverdächtig“ gewesen. Nacktmullweibchen können über 20 Junge auf einmal austragen; der Dresdner Spitzenwert lag bei 28. „So große Würfe kommen in der Regel bei älteren Alphas vor“, berichtet die Tierpflegerin. „Anfangs sind es meist nur acht bis zehn Jungtiere.“ Möglich sei die Steigerung durch ein weiteres Nacktmull-Phänomen: „Nach den ersten Trächtigkeiten strecken sich die Weibchen noch einmal. Stark in die Breite können sie ja nicht gehen, sonst bleiben sie in den Gängen stecken. “Ein junges Alpha-Weibchen wiege etwa 46, eine „vielfache Mutter“ bis zu 60 Gramm.

Als „Gruppenchefin“ wird ein Tier bei den Nacktmullen übrigens nicht geboren – es erkämpft sich diese Position. Die nötigen Anlagen haben zunächst alle Weibchen, doch sie schlummern, wenn sie nicht gebraucht werden. „Wenn das Alphaweibchen stirbt“, erklärt Christiane Krönke, „entwickelt sich aus der Gruppe heraus ein neues.“ Unter anderem an den Zitzen, die nun erst sichtbar werden, lässt es sich von den anderen Weibchen unterscheiden. „Die Zitzen sind in zwei Reihen und manchmal asymmetrisch angeordnet. Ihre Zahl kann im Zuge mehrerer Geburten bis auf maximal zwölf zunehmen.“

Um ihren Rang zu behaupten, setzt das Alphaweibchen ihre Geschlechtsgenossinnen permanent unter Druck. „Es praktiziert Bossing“, formuliert es die Tierpflegerin. „Durch den Stress sind die anderen Weibchen hormonell gar nicht in der Lage, Nachwuchs zu bekommen.“ Mit etwas Glück kann ein Alphaweibchen die Gruppe jahrelang führen und mehrere hundert Jungtiere bekommen.

Oft um Rat gefragt

Christiane Krönke beobachtet ihre Schützlinge sehr genau, um flexibel auf ihre Bedürfnisse reagieren zu können. So erhält ein Alphaweibchen, das gerade geboren hat, besonders hochkalorisches und eiweißreiches Futter: Schließlich muss es seine vielen Nachkommen rund einen Monat lang säugen. „Außerdem wechsle ich in den ersten Lebenswochen der Jungtiere die Spreu häufiger. Denn wenn sie zu feucht wird, kühlen die Kleinen aus.“

Zwar sind Nacktmulle für ihr vermindertes Schmerzempfinden bekannt, doch die engagierte Pflegerin sieht schnell, wenn sich ein Tier verletzt hat. Dann wird es auch behandelt, denn die Art hat eine für Kleinsäuger außergewöhnlich hohe Lebenserwartung: Im Gegensatz zu Mäusen oder Hamstern, die in Menschenhand zwei bis drei Jahre alt werden, bringen es Nacktmulle auf bis zu 30.

In der Fachwelt ist der Zoo Dresden berühmt für seine Erkenntnisse und Zuchterfolge bei den faszinierenden Nagern. „Wir werden oft um Rat gefragt“, sagt Christiane Krönke. Seit 1995 die ersten Tiere aus dem Zoo Columbus/Ohio nach Dresden kamen, wird die Art hier durchgehend gehalten – allein in den letzten zehn Jahren wurden459 Nacktmulle in 33 Gruppen an andere Zoos abgegeben. Derzeit leben zusätzlich zur Besatzung der Schauanlage noch über 60 Tiere hinter den Kulissen.

Richtige Begriffe: Gruppe und Alphaweibchen

„Umgangssprachlich wird eine Nacktmullgruppe oft als Kolonie und das Alphaweibchen als Königin bezeichnet“, sagt Dr. Wolfgang Ludwig, bis Ende vergangenen Jahres Zoologischer Leiter des Zoo Dresden. „Denn die Sozialstruktur dieser außergewöhnlichen Nager wurde von Entomologen entdeckt und erstmals beschrieben.“ Die Insektenkundler hätten Parallelen zu ihrem Fachgebiet gezogen und an Bienen oder Ameisen gedacht. „Nach heutigen soziobiologischen Erkenntnissen ist diese Begriffsübertragung allerdings nicht korrekt“, so Ludwig. „Nacktmulle sind als hochsoziale, kooperativ aufziehende Säugetiere eher mit Arten wie dem Rothund vergleichbar.“ Und gerade in Bildungseinrichtungen wie Zoos solle das Verhalten der Tiere sauber und zutreffend beschrieben werden.

Zusammen mit dem Wissenschaftlichen Assistenten Thomas Brockmann hat Wolfgang Ludwig deshalb einen Aufsatz verfasst, der die Begrifflichkeiten richtigstellt. Er wurde 2022 in der Fachzeitschrift „Der zoologische Garten“ veröffentlicht und weist unter anderem daraufhin, dass die Aufgaben der einzelnen Tiere in einer Nacktmullgruppe nicht so endgültig sind wie in einem Insektenstaat: Sie ändern sich mit dem Alter und dem sozialen Status.

Sowohl weibliche als auch männliche „Helfer“-Tiere sind nicht zwangsweise lebenslang steril. Anders als bei den staatenbildenden Insekten gibt es in etwa zehn Prozent der Nacktmullgruppen zwei sich fortpflanzende Weibchen – was auch schon im Zoo Dresden beobachtet wurde.

Weil die Nacktmulle immer in Bewegung sind, gelingt nur selten ein scharfes Bild.
Weil die Nacktmulle immer in Bewegung sind, gelingt nur selten ein scharfes Bild. © Christiane Krönke

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