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Arabisch statt Sächsisch bei den "Bergfinken"

Orientalische Klänge und Bergsteigerlieder: Die Dresdner "Bergfinken" und die "Banda Internationale" zeigen, wie das zusammen passt.

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Gerd Eiselt (M), Mitglied der "Bergfinken", des ältesten Bergsteigerchors Europas, probt zusammen mit Musikern der Brass-Band "Banda Internationale". Im Rahmen eines Pilotprojekts werden gemeinsame Weihnachtskonzerte mit einem Repertoire aus deutschem, ar
Gerd Eiselt (M), Mitglied der "Bergfinken", des ältesten Bergsteigerchors Europas, probt zusammen mit Musikern der Brass-Band "Banda Internationale". Im Rahmen eines Pilotprojekts werden gemeinsame Weihnachtskonzerte mit einem Repertoire aus deutschem, ar © Monika Skolimowska/dpa

Von Christiane Raatz, dpa 

Dresden. Dort, wo normalerweise deutsche Bergsteigerlieder geschmettert werden, tönen an diesem Abend ungewöhnliche Klänge durch den Raum. Thabet Azzawi zupft die Saiten seiner Oud - eine arabische Laute - und mit einem tiefen Summen steigt der Chor ein: Die Stimmen schwellen an, das arabische Liebeslied "Fog El Nakhal", gesungen von mehr als 90 Männern, erfüllt die Luft. Für drei Weihnachtskonzerte in der Dresdner Annenkirche am 7. und 8. Dezember treffen eine der ältesten Bergsteigerchöre Europas - die Dresdner "Bergfinken" - und die mehrfach für ihr Flüchtlingsengagement ausgezeichnete Brass-Band "Banda Internationale" aufeinander.

Kulturelles Crossover, könnte man das nennen. Oder Welten, die aufeinanderprallen. Max Röber, seit gut zwei Jahren Chorleiter der "Bergfinken", hatte die Idee für das ungewöhnliche Projekt. Gegensätze reizen ihn. Und die Musik als Mittel, sie zu überwinden. "Wir machen einfach Musik und darüber lernt man mal ein anderes Instrument, andere Musik, andere Menschen kennen", so der 33-Jährige.

Dicht gedrängt sitzen rund 90 Sänger der "Bergfinken" im Probenraum des Sächsischen Bergsteigerbundes - zwischen Sprossenleitern und Kletterwänden. In der Mitte haben mit Tuba, Posaune, Klarinette und Cello die Musiker der "Banda Internationale" Platz genommen.

Röber rechnet es seinem traditionsbewussten Männerchor hoch an, dass seine Mitglieder für das Weihnachtskonzert Arabisch gelernt haben. Sogar ein längerer Solo-Part ist dabei. "Wer aus der Sächsischen Schweiz kommt, über 70 Jahre alt ist und sehr traditionsbewusst, dass der Arabisch singt... Hut ab!" Dennoch polarisiert das Lied. Einer der "Bergfinken" weigerte sich, das Konzert mitzusingen. Der 68-jährige Gerd Eiselt - ein Bergsteiger mit grauem Bart und Wanderschuhen - räumt ein: "Ich habe meine Schwierigkeiten, aber ich gebe mir Mühe." Andere sind begeistert über den frischen Wind für den Bergsteigerchor, der im Jahr 2020 seinen 100. Geburtstag feiert.

Experimente, die gute Laune machen

Für Akram, der in der "Banda Internationale" Cello spielt, hat das arabische Lied "Fog El Nakhal" eine ganz besondere Bedeutung. Es stammt aus seiner Heimat Irak, die er vor drei Jahren als Flüchtling verlassen musste. Sein Cello musste er damals verkaufen, um die Flucht zu finanzieren. "Es ist schön, dass man das Lied in Deutschland hören - und singen kann", sagt er. "Sehr berührend" sei es für ihn gewesen, als der stimmgewaltige Männerchor der "Bergfinken" arabisch gesungen hat. "Und man konnte es sogar verstehen", sagt der Mann mit den schwarzen Dreadlocks lachend.

Bei der "Banda Internationale" machen Einheimische und Geflüchtete gemeinsam Musik, sie kommen etwa aus Burkina Faso, Syrien, dem Irak und Iran. Hervorgegangen ist die bunte Truppe aus der "Banda Comunale", die in den vergangenen Jahren mit Blasmusik gegen Pegida anspielte und in vielen Notunterkünften auftrat. Irgendwann kamen die Bandmitglieder auf die Idee, nicht nur für, sondern mit Flüchtlingen Musik zu machen. Mittlerweile gehören sie fest zur 16-köpfigen Combo.

Für das Konzert "Weihnachten in aller Welt" in der Annenkirche stehen aber nicht nur arabische, jiddische und oder afrikanische Lieder auf dem Programm, sondern auch traditionelle Berglieder wie "Felsenheimat" oder "Kampenwandspruch", in denen das sächsische Elbsandsteingebirge und das Bergsteigen besungen wird. Viele hat Max Röber extra für das Konzert neu arrangiert.

"Klettern und Singen gehört zusammen", sagt der Chorleiter. Zumindest für die "Bergfinken", die allesamt Kletterer- und Bergsteiger sind. Oft sind sie in der Sächsischen Schweiz unterwegs, geben Konzerte unter freiem Himmel - und gehen vorher noch in den Berg. Der jüngste im Chor ist 17, der älteste bald 85 Jahre alt. Seit 1951 ist Uli Voigt schon bei den "Bergfinken". "Das beste Mittel, um gute Laune zu bekommen", sagt der Chorälteste. Er mag den jungen Chorleiter, der "alle möglichen Experimente" macht.

Klarinettist und Banda-Mitbegründer Michal Tomaszewski ist beeindruckt von dem aktuellen "Experiment" des Chorleiters. "Ich bin ganz beseelt von der Probe", sagt er. Für ihn passen Bergsteigerchor und die Musik der Brass-Kapelle gut zusammen. "Wir haben das Projekt Banda Internationale mit dem Vorsatz gestartet, uns mit Heimatmusik zu beschäftigen", sagt Tomaszewski. Bisher habe man sich allerdings auf die Heimatmusik der geflüchteten Bandkollegen konzentriert. "Nun haben wir die Gelegenheit, auch traditionelles, deutsches Liedgut gemeinsam mit Profis zu bearbeiten", freut sich Tomaszewski. "Auch Volksmusik kann also lebendig sein." 

>>> Homepage der Dresdner Bergfinken

>>> Seite von Banda Internationale & Comunale

>>> Das gemeinsame Konzert in der Annenkirche