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Arbeiterwohlfahrt will keine AfD-Mitglieder

Der Verband der Alten-, Kinder- und Jugendhilfe hält „völkische Positionen“ für unvereinbar mit seiner Tätigkeit.

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Sven Siebert, Berlin und Annette Binninger, Dresden

Sollte die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Können AfD-Mitglieder nicht mehr als Altenpfleger oder Erzieherin bei der Arbeiterwohlfahrt arbeiten? Die rechtspopulistische Partei gerät wegen extremistischer Positionen und Äußerungen von Mitgliedern unter Druck. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte infolge der Diskussion über antisemitische Äußerungen eines Stuttgarter AfD-Landtagsabgeordneten erklärt, der Verfassungsschutz müsse „ein scharfes Auge“ auf die AfD und einzelne Personen aus dieser Partei haben. „Wenn die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen, muss gehandelt werden“, sagte Strobl.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die Arbeiterwohlfahrt (AWO), ein Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege, bereits vor einigen Wochen festgelegt, dass „völkische, rassistische und menschenverachtende Parolen“ führender AfD-Funktionäre „im unvereinbaren Widerspruch zu den Grundwerten der AWO“ stünden. Sollten Mitarbeiter oder Mitglieder sich zu solchen Äußerungen bekennen, sei „eine Kündigung oder eine Auflösung der Mitgliedschaft anzustreben“, heißt es in der Position des AWO-Bundesverbandes.

In Sachsen beschäftigt die Arbeiterwohlfahrt nach eigenen Angaben knapp 11 000 Mitarbeiter in 650 Einrichtungen. Sie betreuen Alte, Kinder und Jugendliche, betreiben aber auch Beratungsstellen für Schwangere, Schuldner oder Flüchtlinge. Die AWO beruft sich auf ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung. In Westdeutschland waren AWO-Mitglieder und auch viele Mitarbeiter früher traditionell auch SPD- und Gewerkschaftsmitglieder. Dass das heute – zumindest im Osten – nicht mehr so ist, erkennt man schon daran, dass die AWO in Sachsen deutlich mehr Mitglieder hat als die SPD.

Empörung bei sächsischer AfD

„Die AWO ist wertegebunden. Wir erwarten, dass sich unsere Mitarbeiter mit diesen Werten identifizieren“, sagt Mona Finder, Sprecherin des AWO-Bundesverbandes. Im Grundsatzprogramm der AWO bekennt sich der Verband zum Schutz von Minderheiten und zur Freiheit von Religion und Weltanschauung. Ausdrücklich fordert die AWO „Einwanderern – auch aus Staaten außerhalb der Europäischen Union – das aktive und passive Wahlrecht“ einzuräumen. Eine Position, der die meisten AfD-Mitglieder wohl widersprechen würden. Die sächsische AfD empörte sich über das AWO-Papier. Eine solche Ausgrenzung erinnere „an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte“. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Magdeburger Landtag, André Poggenburg, warf der AWO vor, sie wolle „Existenzen politisch Andersdenkender bedrohen“.

Hat es überhaupt schon Fälle von Kündigungen wegen einer AfD-Mitgliedschaft gegeben? Offenbar nicht. AWO-Sprecherin Finder berichtet von „absoluten Einzelfällen“, in denen es überhaupt zu Konflikten wegen einer AfD-Mitgliedschaft oder wegen AfD-naher Äußerungen in der Öffentlichkeit gekommen sei. Finder nennt Bayern und Sachsen-Anhalt als Beispiele für Bundesländer, in denen es solche Fälle gegeben habe. „Wir suchen das Gespräch“, sagt Finder. „Mir ist kein Fall bekannt, den man nicht im Rahmen von Gesprächen klären konnte.“

Wichtig sei auch, mit welcher Aufgabe ein Mitarbeiter betraut sei. „Wer die Ideen der AfD vertritt, der kommt unserer Ansicht nach für bestimmte Positionen bei uns nicht infrage, zum Beispiel als Leiter einer Flüchtlingsunterkunft oder einer Jugendeinrichtung“, sagt Finder.

Kündigungen wegen politischer Differenzen sind aber auch in sogenannten „Tendenzbetrieben“ wie der AWO kein Selbstläufer. Es gab Fälle in Mecklenburg-Vorpommern, in denen selbst die Kündigung einer Kita-Erzieherin zunächst scheiterte, die bei Eltern aktiv für die NPD geworben hatte. Finder betont daher, mögliche Auseinandersetzungen fänden „selbstverständlich alle im arbeitsrechtlich einwandfreien Rahmen statt“.

Während bei einer AfD-Mitgliedschaft im Einzelfall entschieden werden soll, war die Lage bei der rechtsextremistischen NPD eindeutig. „Hier gab es einen klaren Unvereinbarkeitsgrundsatz“, erinnert sich der Geschäftsführer der AWO-Sachsen, Karlheinz Petersen, an die 90er-Jahre. Damals war einem NPD-Mann gekündigt worden. Das Positionspapier des Bundesvorstands zur AfD hält Petersen für einen guten „Leitfaden“, der im Ernstfall bei der Bewertung und Entscheidung über einen Arbeitnehmer „hilfreich“ sein könne.