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Arme(e) Bundeswehr

Der Mann ist ein vierfacher Betrüger. Dennoch kommt er ungeschoren davon. Um ihm seine Karriere nicht zu verbauen.

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© Pfohlmann/tooonpool.com

Von Jürgen Müller

Meißen. Bald nun ist Weihnachtszeit. Auch im Meißner Amtsgericht ist ein Bäumchen geschmückt, auf einem Schlitten befinden sich Geschenkpakete. Im Verhandlungssaal ist rein äußerlich nichts Weihnachtliches zu entdecken. Doch auch hier herrscht Weihnachtsstimmung. Das Gericht ist milde gestimmt, verteilt an diesem Tag ein Weihnachtsgeschenk.

Als der Angeklagte, ein 20-jähriger Mann aus Moritzburg, zu reden anfängt, könnte man meinen, er sei Soldat. Kurz, knackig, stakkatohaft sind seine Sätze, er hat eine Art Befehlston drauf, verschluckt Endungen. Und tatsächlich: Der junge Mann ist Soldat bei der Bundeswehr. Und er ist ein Betrüger. Gleich viermal hat er ahnungslose und vertrauensselige Nutzer der Internetplattform Ebay schäbig betrogen. So bietet er eine Musikbox für 70 Euro an. Ein Interessent bestellt und überweist noch am gleichen Tag brav das Geld auf das Konto des Angeklagten. Weil das so schön geklappt hat, versucht es der Moritzburger am folgenden Tag noch einmal mit der gleichen Masche. Wieder bietet er die Musikbox an, wieder kassiert er das Geld, wieder liefert er nicht. Eine Woche später verkauft er dann einen Endschalldämpfer für ein Motorrad zum Preis von 430 Euro. Diesmal liefert er zwar, doch ohne das vorgeschriebene TÜV-Gutachten und ohne Halterung. So kann der Käufer den Schalldämpfer nicht nutzen. Sein Geld kriegt er trotzdem nicht zurück. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sitzt der Mann erneut vor seinem Computer und macht krumme Geschäfte. Erneut ist es ein Schalldämpfer, diesmal kostet er 280 Euro. Auch diesmal überweist der Käufer noch am gleichen Tag das Geld, bis heute hat er keine Ware erhalten.

Diesen Schalldämpfer habe er kurz zuvor an einen Freund verkauft, sagt der Angeklagte. „Ich habe mich dann nicht mehr darum gekümmert, habe vergessen, das Geld zurück zu überweisen“, sagt er. Er habe stets die angebotenen Waren besessen, auch schon verpackt und adressiert. Dann sei er aber nie dazugekommen, sie auch wegzuschicken. Entweder war die Post schon zu oder er musste Sonntagabend wieder zur Bundeswehr, sagt er. „Ich vernachlässige Dinge, für die ich mich schäme“, sagt er. Zur polizeilichen Vernehmung geht er nicht hin, ebenso wenig zur Jugendgerichtshilfe.

Obwohl die Taten schon ein Jahr zurückliegen, hat er keinerlei Anstalten gemacht, den Geschädigten ihr Geld zurückzugeben, nicht einmal, nachdem er die Anklageschrift in den Händen hielt. Dabei hat er Geld, bekommt nach eigenen Angaben 1600 Euro Sold, fährt ein Motorrad für 8 000 Euro.

„Was meinen Sie, was die Bundeswehr dazu sagt, einen vierfachen Betrüger in ihren Reihen zu haben?“, fragt ihn die Staatsanwältin. „So etwas kann Ihnen bei der Bundeswehr das Genick brechen“, sagt sie. Eine Verfahrenseinstellung bei vier Taten bezeichnet sie als „grenzwertig“. Und beantragt es dann doch. Um ihm nicht seine Karriere bei der Bundeswehr zu verbauen, wie sie sagt. Die Richterin stellt das Verfahren trotz vier nachgewiesener Betrugstaten ein. Bis Jahresende muss er als Auflage den Schaden gutmachen. Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk, für das sich der Angeklagte auch artig bedankt, wie man es macht, wenn man vom Weihnachtmann ein Geschenk bekommt.

Die Entscheidung wird übrigens nach Jugendstrafrecht getroffen. Das Gericht stellt den 20-jährigen Bundeswehrsoldaten also in der geistigen Reife mit einem 14-Jährigen gleich. Arme(e) Bundeswehr.