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Offener Brief an Jan Böhmermann

Seit vier Jahren gehen die Steilvorlagen aus Sachsen über den Schreibtisch Jan Böhmermanns, wie Plastikflaschenbier vor dem Dynamo Spiel bei Lidl.

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© dpa

Lieber Jan Böhmermann!

Sie dürfen es ruhig zugeben. Im Grunde konnte Ihnen doch nichts Besseres passieren. Sachsen und Satire, möglicherweise ein Bund fürs Leben. Früher hatten Sie mal das Saarland. Eine nachhaltige Zielscheibe? Geht so. Es ist klein und irgendwie unwichtig, na gut. Ab und zu weht darüber noch ein mauer Witz durch Ihr Studio. Wer dann noch klatscht, hat, glaube ich, vergessen, zuzuhören. Mit Verlaub, das haben Sie alles nicht mehr nötig.

Seit vier Jahren gehen die Steilvorlagen aus Sachsen über Ihren Schreibtisch wie Plastikflaschenbier vor dem Dynamo Spiel bei Lidl. Selbst im Dynamo-Stadion hat man Sie hier schon gewürdigt. „Halt dein dummes Wessi-Maul!“ stand auf dem Banner, das Sie für Ihre Hitler-Parodie im Dynamo-Schal kassierten.

Ein Pegida-Führer, der mal Koksdealer war, Spezialkampfpolizisten, die sich als NSU-Groupies entpuppen, ein Mann, dem seine Freundin sagt „Hase, du bleibst hier“, als andere in Chemnitz Ausländer jagen gehen. Vorzüglich. Geradezu mustergültig, wie die Sachsen sich auf ihren Straßen aushitlern. Man muss sie nicht mal suchen.

Wenn es jetzt nicht ganz verkehrt läuft, also Sachsen am Ende nicht noch auf die irrwitzige Idee kommt, mehrheitlich SPD zu wählen oder so, dann dürfte Ihr Lebensunterhalt als Satiriker gesichert sein. Ich glaube ja, Sie empfinden tiefe Dankbarkeit für Sachsen. Zum ersten Mal in der Geschichte Ihrer Sendung haben Sie woanders aufgezeichnet als in Köln. Und wohin kommen Sie? Natürlich. Nach Sachsen. „Versöhnung durch Verhöhnung“ nannten Sie Ihr Motto. Ich glaube, es war eher eine Dankbarkeits-Tournee.

Aber keine Sorge. Ich will Sie nicht als Egoisten stilisieren. Zumal ich das Gefühl hatte, bei Ihrer Sachsen-Sendung ein geradezu opulentes Maß an seichten Tönen aus Ihrem Mund zu hören. Eigentlich ist Ihnen die Panzerfaust sonst doch immer lieber als das Florett. Diesmal nicht. Das muss wahre Zuneigung sein.

Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus: Nicht nur Sie profitieren von den Sachsen. Vielmehr hat sich da eine dieser sonderbaren Symbiosen entwickelt, die es in der Natur so häufig gibt. Wie bei Putzerfischen. Sie brauchen Sachsen. Und auf eine leicht masochistisch motivierte Art braucht dieses Bundesland auch Sie. Sachsen braucht die Verhöhnung, Sachsen suhlt sich darin. Viele kommen und denken, sie müssten die Sachsen verstehen. Diese vermeintlichen Aliens sich selbst erklären. Bloß nicht! Das macht sie rasender als jeder Goebbels-Vergleich. Fingerspitzengefühl ist gefragt. Sie machen es schon ganz richtig. Ein bisschen wie Sokrates, der damals sagte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Sie haben die These fortentwickelt: „Ich verstehe, dass ich nichts verstehe.“

Sie kommen, um zu höhnen. Da weiß man, was man hat. Aber passen Sie auf, dass Sie nicht übermütig werden. Nicht, dass Sie am Ende noch behaupten, die Sachsen seien immun gegen Linksextremismus. Den Fehler hat sich schon mal jemand erlaubt. Auch so ein Wessi, der es wie Sie durch die Sachsen-Symbiose zu Ruhm und Ehre gebracht hat – Kurt Biedenkopf.

Ihre Franziska Klemenz

Der Offene Brief ist eine Rubrik im Wochenendmagazin der Sächsischen Zeitung