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Letztes Geheimnis der Cosel gelüftet

Der Laubegaster Chronist Jochen Bost ist dem genauen Wohnort der Gräfin in dem Dresdner Stadtteil auf die Schliche gekommen.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Dass die Berühmtheit einige Jahre ihres Lebens im schönen Laubegast weilte, ist längst bekannt. Aber wo genau die Gräfin Cosel dort nun eigentlich wohnte, darüber konnten sich die Geschichtsfreunde des Stadtteils bislang nicht einigen. Einer von ihnen ist Jochen Bost. Als er 1990 in Rente geht, beginnt der Dresdner, sich intensiv mit der Vergangenheit Laubegasts, dem Ort seiner Kindheit und Jugend, zu beschäftigen. Und stößt dabei immer wieder auf den Namen Constantia von Hoym, die spätere Gräfin Cosel und Mätresse von August dem Starken. Einen eindeutigen Hinweis auf den Laubegaster Landsitz ihres Mannes Magnus Hoym findet er zunächst allerdings nicht. Jetzt aber gelang ihm die entscheidende Entdeckung, sagt Jochen Bost. „Wo heute am Laubegaster Ufer 33 die Hartmann’sche Villa steht, befand sich früher das Haus, in dem die Cosel wohnte.“

... so wie die Cosel es einst getan hat, als sie den Landsitz besuchte.
... so wie die Cosel es einst getan hat, als sie den Landsitz besuchte. © privat

Es ist Zufall, dass er bei einem Freund auf die historische Ansicht des Laubegaster Ufers stößt. Eigentlich forscht er zu alten Laubegaster Geschäften, Kneipen, Schulen und Gärtnereien, veröffentlicht sein Wissen sogar in zwei Büchern über den Stadtteil. Von 1995 bis 2007 schreibt Jochen Bost Geschichtsbeiträge für die Zeitschrift „Die Fähre“, bis heute hält er Vorträge im Volkshaus Laubegast. Auf Wunsch seiner Zuhörer befasst er sich mit bekannten Persönlichkeiten, die einst am Laubegaster Ufer lebten, erforscht dafür die Geschichte jedes einzelnen Hauses. In zwölf dicken Ordnern sammelt der Chronist alte Postkarten, Fotos, Dokumente, Listen mit Jahreszahlen. Und immer wieder findet er unterschiedliche Angaben zum angeblichen Wohnort der Cosel in Laubegast, darunter etwa auch den Alttolkewitzer Hof. „Vieles davon kann nicht stimmen, weil die Häuser um 1700 noch gar nicht standen.“

1702 bis 1705 – das ist der Zeitraum, in dem Constantia auf dem Landsitz an der Elbe gewohnt haben muss. 1703 vermählte sie sich mit Magnus von Hoym, den die junge Frau 1699 in Wolfenbüttel kennengelernt hatte. Im Dezember 1704 wurde August der Starke auf die attraktive Constantia aufmerksam und holte sie an seinen Hof, 1705 folgt die Scheidung von Hoym.

Beim Besuch des Laubegaster Freundes entdeckt Joachim Bost jene dreiteilige Postkarte, die eine gesamte Ansicht des Ufers zeigt. Die Hartmann’sche Villa ist nicht darauf zu sehen, also muss die Karte aus der Zeit vor deren Bau 1871 stammen. Beim genaueren Blick entdeckt der Chronist an dieser Stelle stattdessen ein Gebäude, das ihn an eine Textpassage erinnert: „Auf dem hohen Dach bemerkt man die den französischen Gebäuden eigentümlichen Mansarden. Zwei Pfeiler, welche die übrigen Säulen überragen, bilden das Portal.“ Mit diesen Worten beschreibt der polnische Autor Josef Ignacy Kraszewski um 1870 das Haus von Hoym in Laubegast. Alle anderen Häuser auf der Postkarte entsprechen dieser Beschreibung nicht – nur dieses eine.

Bebaut war im beschaulichen Dorf Laubegast zu Lebzeiten der Cosel nur das Ufer – das belegen alte Karten. „Damals lebten dort 280 Menschen“, erklärt Jochen Bost. Trotz der Entdeckung dieser Postkarte ist der 89-Jährige noch nicht richtig zufrieden. Denn ein konkreter Beweis fehlt ihm noch. „Das trieb mich um. Aber ich suchte weiter.“ In Archiven, Bibliotheken, Museen wälzt er alte Schriftstücke – und findet mit den Kataster- und Flurstücksnummern letztlich die fehlenden Puzzleteile.

Die Leidenschaft für sein Heimatviertel ist zu spüren, wenn Jochen Bost von Laubegast erzählt, von langen Spaziergängen am Elbufer, von Erinnerungen an unbeschwerte Kindertage, von Begegnungen mit Laubegastern, auch vom Abschied 1961. Damals verlässt er den Stadtteil, zieht in eine der begehrten Genossenschaftswohnungen in Dresden-Mitte. Bis heute lebt der Rentner im Stadtzentrum. Laubegast war in den vergangenen 56 Jahren dennoch immer ein Teil seines Alltags. Mindestens einmal in der Woche kehrt der einstige Robotron-Betriebsschuldirektor zurück, besucht Freunde, genießt den einzigartigen Blick auf den Dresdner Fernsehturm, trifft sich mit anderen Menschen, die genauso geschichtsverrückt sind wie er. „Die Elbe hat mich gefangen, seit meiner Kindheit.“

Das Gefühl, etwas zu hinterlassen für die Dresdner, die Aufgabe, die Vergangenheit des Stadtteils in die Gegenwart zu holen, sie festzuhalten in Büchern, das treibt Jochen Bost an. Zum Inselfest im August ist seine Hilfe bei einer Bilderausstellung über die Gärtnereien und Gaststätten gefragt, er steuert historische Aufnahmen bei und auch sein Wissen. „Es gab in Laubegast früher einmal 18 Kneipen und Schankhäuser und 14 Gartenbaubetriebe“, sagt der Chronist. Die Besucher des Inselfestes stehen lange vor den alten Fotos, diskutieren, erinnern sich an vergangene Zeiten. Jochen Bost ist dennoch etwas nachdenklich. Was ihn beschäftigt, ist seine Nachfolge. „Es wäre schön, wenn jemand meine Recherche weiterführt“, sagt der Dresdner, der im März seinen 90. Geburtstag feiern wird. Die zwölf Ordner in gute Hände zu geben – das ist sein größter Wunsch.