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Auf die harte Tour

Zu Sternradfahrt sind Radler aus allen Richtungen in den Sattel gestiegen. So manche Strecke hatte es in sich.

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© Thomas Eichler

Von Susanne Sodan

Herrnhut. Dieser Stempel ist hart erkämpft. „Sie haben sich aber einen hohen Punkt ausgesucht“, sagt Waltraud Schubert außer Atem. In Wetterjacke, Radlerleggins, mit Bauchtasche um die Hüften und Wasserflasche am Rad kommt sie an der Kirche in Sohland an. Sie weiß, wie man sich für eine Sternradfahrt am besten ausrüstet. Am Rahmen ihres Rades kleben jede Menge bunte, runde Aufkleber. Alle von den Sternradfahrten vergangener Jahre. Dieses Jahr führen die elf Routen durch den ganzen Landkreis nach Herrnhut. Welcher Streckenabschnitt ist der steilste, welcher Stempel der am härtesten erkämpfte?

Dort hatten die Organisatoren dieses Jahr bereits mehr Fahrrad-Stellplätze als in vergangenen Jahren bereitgestellt. Am Nachmittag musste trotzdem noch weiter Platz für Fahrräder geschaffen werden.
Dort hatten die Organisatoren dieses Jahr bereits mehr Fahrrad-Stellplätze als in vergangenen Jahren bereitgestellt. Am Nachmittag musste trotzdem noch weiter Platz für Fahrräder geschaffen werden. © Thomas Eichler
In der Sternemanufaktur konnten Kinder zum Beispiel ihren eigenen Stern basteln.
In der Sternemanufaktur konnten Kinder zum Beispiel ihren eigenen Stern basteln. © Thomas Eichler

Bei der Frage tippt man wahrscheinlich zuerst auf den Süden, irgendwo im Gebirge. Aber auch der gepflasterte Weg am Kirchberg in Sohland am Rotstein hat es in sich. „Für uns Flachlandtiroler ist das nicht ohne“, sagt Waltraud Schubert. 6.30 Uhr am Sonnabend ist sie in Bad Muskau losgefahren. „74 Kilometer werden es sein, wenn wir dann in Herrnhut ankommen. Aber wir machen was für unsere Gesundheit“, sagt sie und rollt ihr Rad zur Stempelstelle vor der Kirche.

Hier sitzt Doris Zinke, Mitglied im Kirchenvorstand Sohland. Zum ersten Mal ist die Kirche bei einer Sternradfahrt als Stempelstelle ausgewiesen. Sie liegt an der Route, die von Norden nach Herrnhut führt. „Wir wollten gerne mitmachen“, sagt Doris Zinke. Mit dem Rad, sagt sie, sehe man viel mehr als mit dem Auto. „Ich staune, dass alle den Berg auf dem Rad bewältigen und keiner absteigt“, sagt sie. Der nächste Fahrer kommt an, mit erstaunlich viel Schwung. Es ist der Nieskyer Werner Altmann. Sechs Stempel hat er schon in seinem Heftchen. Er trägt ein Trikot der BR-Rundfahrt, die in Bayern jedes Jahr über 400 Kilometer führt. Alltagsradler, so bezeichnet er sich selbst. Tatsächlich fährt Werner Altmann jeden Tag mit dem Rad. Das Auto stehe in der Garage, sagt er. Vergangene Woche ist der „Alltagsradler“ erst von Niesky zum Trixi-Bad Großschönau gefahren. Rund 65 Kilometer sind das – für eine Tour. Wie alt er ist? „Noch ein Dreivierteljahr, dann steht eine Acht vorne“, antwortet er und lächelt.

Zur Stärkung nach der Kirchberg-Etappe gibt es in der Kirche Obst und Wasser. Für sich selber hat Doris Zinke noch ein Buch und eine Decke mitgebracht. Für den Fall, dass bei dem Regen am Morgen nur wenige aufs Rad steigen – und gegen die Kälte. „Wir haben überlegt, ob wir überhaupt losfahren“, sagt Karin Kühn. Auch sie und ihr Mann Helmut waren schon bei mehreren Sternradfahrten dabei. Am Ende haben sie sich entschieden, auch diese Sternradfahrt nicht auszulassen. „Wir haben festgelegt: Das Wetter hält.“ Tatsächlich kann Doris Zinke Buch und Decke liegen lassen. Es ist kurz nach 10 Uhr. 40 Leute haben sich bereits ihren Stempel bei ihr abgeholt. Der Regen hört auf in Sohland.

Weiter im Süden, in Ninive kommen mehrere Routen zusammen: die aus Nový Bor, die aus Liberec und die aus Varnsdorf. „Wir haben internationalen Betrieb“, sagt René Christoph, Vorsitzender des Vereins Treffpunkt Ninive, der sich um die Stempelstelle kümmert – und gleich ein kleines Fest feiert. Neben der Stempelstelle steht der Grill – und ein gelber Bagger. „Wir haben heute früh noch einen Arbeitseinsatz gemacht“, sagt René Christoph. Morgens, als noch keine Radler zu erwarten waren. Deshalb ist jetzt, kurz vor Mittag schon das Verkehrsdreieck auf der Oderwitzer Straße frisch bepflanzt, eine Mauer ausgebessert und ein Regenwasserkanal aufgebaggert. Jetzt kommen immer mehr Radgäste, darunter eine Gruppe, die in Hrádek nad Nisou gestartet ist. Die Strecke aus dem Südosten verläuft an der Neiße. „Es war leicht“, sagt Jaroslav Semecký. So wie die Freunde ausgestattet sind, sehen sie allerdings auch nicht nach Anfängern aus. „Die größte Schwierigkeit ist vielleicht das Wetter“, sagt Jaroslav Semecký und lacht.

Ein Mann mit Hund biegt zur Stempelstelle Ninive ein. Kicki heißt der Hund. Leichte, ungefährliche Strecken muss sie laufen, ansonsten darf sie im Körbchen mitfahren, erzählt der Besitzer. Welches für ihn und Hund der schwierigste Abschnitt war? „Ich fahre ja mit Elektrorad, deshalb ist es für mich leichter“, sagt der Mann. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass sonst die Strecke hoch zum Sportlerheim in Niederoderwitz schwer ist.“

Bis zur Gaststätte Sportlerheim führt eine asphaltierte, aber steile Straße. Ein junger Mann mit gelbem Trikot kämpft sich im niedrigsten Gang vorwärts. Ist das der schwierigste Abschnitt? „Ich hoffe es!“, ruft er. Die drei Frauen, die ihm folgen, scheinen das anders zu sehen. Für Kirsten Clausnitzer, Annemone Wenzel und Franziska Pätz konnte die Strecke gar nicht weit genug sein. Die drei sind Mitglied im Oybiner Kletterverein Team Kelchsteiner. „Wir fahren regelmäßig Rad“, sagt Kirsten Clausnitzer. Sie sind nicht in der Oybiner Gegend gestartet. Von ihren Männern haben sie sich nach Nový Bor bringen lassen, der Startpunkt der Südwest-Route. Sie sind sich einig: Der Stempel, für den sie am härtesten kämpfen mussten, war der am Chata Luž in Horní Svìtlá an der deutsch-tschechischen Grenze. „Dort waren wir auch ziemlich allein auf weiter Flur.“ Das war eine Tour für Hartgesottene“, bestätigt Maja Daniel-Rublack von der ENO in Herrnhut. Sie freut sich aber, dass viele Gäste die grenzübergreifenden Routen genutzt haben. Egal, welche Tour, am Ende stiegen alle Teilnehmer an der Sternemanufaktur vom Sattel. Fast alle.

Als am Ziel schon voller Betrieb herrscht, sitzen in Löbau drei Männer in der Bäckerei Schwerdtner. Sie trinken einen Beruhigungs-Kaffee, erzählen sie. „Wir waren eigentlich zu viert“, sagt Torsten Liebelt. Losgefahren ist die Truppe in Boxberg. Im Löbauer Ortsteil Mauschwitz stürzte einer der vier schwer. Die Rettungsleitstelle Hoyerswerda bestätigt, dass ein Rettungswagen den Radfahrer in ein Krankenhaus bringen musste.