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Auf Pokémon-Jagd in der Zittauer Innenstadt

Scheinbar sind alle Jugendlichen von dem Smartphone-Spiel begeistert. Zwei Einheimische haben sich für die SZ umgesehen

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© Matthias Weber

Von Maxi Philippson

Zittau. Am Samariterinbrunnenn ist die Erwartung groß: Wo sind sie, die Zittauer auf der Jagd nach den begehrten Pokémon? Die sind Namensgeber für das derzeit populärste Handyspiel, das weltweit millionenfach installiert wurde, und sicher auch in der Oberlausitz seine Anhänger hat. Nur hier sind sie augenscheinlich nicht. Dabei ist der Ort ein sogenannter Pokéstop, ein Haltepunkt, an dem man Pokébälle, Zaubertränke und andere hilfreiche Gegenstände bekommt, mit denen man die wilden Wesen einfangen kann.

Wir laufen weiter zur ersten Kampfarena in unserer Nähe. Als wir an den Fleischbänken, ankommen, sind wir erneut enttäuscht. Weit und breit kein Mensch, der wie gebannt auf sein Handy starrt und hofft, dass seine Pokémon die gegnerischen erledigen. Für diese Begegnungen werden die Arenen ausgewiesen.

Begegnungen gibt es stattdessen mit Passanten, die uns anstarren, den Hype um das Spiel nicht verstehen. „Früher waren es Tamagotchi, heute sind es die Pokémon. Nur was bringt uns das?“, fragt sich auch Siegmar Krönert, dem wir auf unserer Tour durch Zittau begegnen. Der 56-jährige Tischler kann sich für den Trend nicht begeistern und rät uns, dass wir aufpassen sollen, wo wir hinlaufen. Recht hat er, denn es sind zahlreiche Unfälle von Spielern dokumentiert, die auf ihr Handy fixiert waren und nicht bemerkten, dass sie sich einer vielbefahrenen Straße oder einer steilen Klippe näherten.

Wir beschließen, als nächstes dem Pokéstop am „Pikenier“ am Markt einen Besuch abzustatten. Dort hat jemand ein sogenanntes „Lockmodul“ gestartet, welches das Ziel hat, viele Pokémon an diesen Haltepunkt zu locken. Wir machen uns auf den Weg und fangen nebenbei ein paar wilde „Evolis“ und „Traumatos“. Am Pokéstop schauen wir uns unauffällig um. Wer könnte hier ein Lockmodul platziert haben? Einer der Besucher des Cafés „Am Marsbrunnen“ vielleicht? Wir fragen Filialleiterin Lysann Burkhardt, ob der direkt an das Café angrenzende Pokéstop den Umsatz gesteigert hat. „Nein, gar nicht“, antwortet diese, „die Spieler setzen sich meistens auf die Bänke vor dem Brunnen, aber zu uns kommen sie nicht.“

Und tatsächlich: Auf einer Bank sehen wir ein junges Mädchen, das auf ihrem Handy herumtippt. Bestimmt eine Pokémon-Jägerin, vermuten wir. Wir gehen zu ihr hin, um uns mit ihr zu unterhalten, doch: Fehlalarm. „Ich habe das Spiel ausprobiert, aber nach kurzer Zeit wieder gelöscht“, erklärt die 15-jährige Sophie Asmus. „Man muss die ganze Zeit auf sein Handy gucken, wenn man unterwegs ist, und es nimmt einem enorm viel Akku und Datenvolumen weg. Dadurch habe ich schnell die Lust daran verloren.“

Sind wir wirklich gerade die einzigen Pokémon-Spieler, die in Zittau unterwegs sind? Wir können es gar nicht glauben, denn in den letzten Wochen sind wir selbst in den abgelegensten Dörfern zahlreichen Spielern begegnet, die sich besonders in den Abendstunden an allen möglichen Pokéstops und Arenen tummeln. Als wir an der St.-Johannis-Kirche vorbei die Bautzener Straße hinaufgehen, vibriert das Handy auf einmal laut und aufdringlich. Ein wildes „Rossana“ erscheint auf unserem Bildschirm, durch ihn können wir es direkt vor uns auf der Straße sehen. Da es sich bei diesem um ein sehr starkes Pokémon handelt, wollen wir es unbedingt einfangen und bleiben stehen.

Nach einigen Versuchen gelingt es uns, das lilafarbene Pokémon mit den blonden langen Haaren und dem roten Kleid zu fangen. Auf den Triumph folgt die Feststellung, dass sich das Handy aufgehängt hat und wir das Spiel neu starten müssen. Leider keine Seltenheit. Doch wir haben Glück: Das Pokémon befindet sich in unserem „Pokédex“.

Langsam kommen wir wieder in der realen Welt an und bemerken, dass sich direkt vor uns auffällig viele Jugendliche befinden, die ihre Smartphones in der Hand halten. Sie sitzen auf den Bänken, an Hauswänden und in den Autos oder stehen einfach nur in der Gegend rum. In der Nähe sind gleich vier Pokéstops, und an jedem von ihnen wurde ein Lockmodul eröffnet. Wir beobachten zwei junge Studenten und kommen schließlich mit ihnen ins Gespräch. Jannis Fiedler, der Chemie an der Zittauer Hochschule studiert, ist total vernarrt in das Spiel. „Ich habe es natürlich früher schon gespielt, aber dass man Pokémon jetzt einfach beim Spazierengehen fangen kann, ist jetzt noch mal etwas ganz Neues“, erklärt der 22-Jährige. „Na, auch schon wieder am Zocken?“, grüßt ein anderer jüngerer Mann. Es handelt sich um Laurids Techel, der ebenfalls in Zittau studiert. Er haben nur schnell die Post wegschaffen wollen. Dass die Postfiliale ein Pokéstop ist, kommt dem 21-jährigen Pokémon-Fan aber ganz gelegen. Nach einiger Zeit gehen wir weiter, vorbei an Pokéstops am Schwanenbrunnen, am Heffterbau und an der Sparkasse, fangen noch einige wilde „Jurops“ und „Rihorns“ und beenden unsere Pokémon-Tour schließlich beim Pokéstop an der Blumenuhr.

Wir haben beobachtet, dass Zittau vom Pokémon-Virus befallen ist. Besonders diejenigen, die schon in ihrer Kindheit Pokémon gespielt haben und sich jetzt in ihren Zwanzigern befinden, sind von dem Handyspiel begeistert. Ob es sich hierbei nur einen kurzweiligen Hype handelt, bleibt abzuwarten.