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Aufruhr in der Idylle

RB Leipzig gründet die erste Frauenmannschaft und startet in der Landesliga. Das sorgt für Proteste und eine Spielabsage.

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© RB Leipzig

Von Daniel Klein

Wenn die Frauen in der Landesliga kicken, sind sie meistens unter sich. Weder Zuschauer noch Medien interessieren sich sonderlich für die vierthöchste Spielklasse. Das kann man bedauern, oder aber von einer beschaulichen Fußballidylle sprechen: Hier ist alles noch familiär, hier ist die Basis.

Am vergangenen Wochenende begann die neue Saison, mit der Idylle ist es erst einmal vorbei. Es herrscht Aufruhr. Einige Vereine rebellieren, verschicken offene Briefe und Protestschreiben. Der SV Johannstadt legte Widerspruch gegen eine 0:7-Niederlage im Sachsenpokal ein, der Bischofswerdaer FV trat zum ersten Punktspiel nicht an. Gegner war in beiden Fällen RB Leipzig. Der Klub gründete im Sommer seine erste Frauenmannschaft. Die Aufregung ist beinahe so groß wie bei der Vereinsgeburt vor neun Jahren.

Wer den Wirbel um die weiblichen Bullen verstehen will, muss tief einsteigen in die Gemengelage des Leipziger Frauenfußballs. Dort gibt es seit knapp zehn Jahren ein Nachwuchsleistungszentrum des Sächsischen Fußballverbandes (SFV). Der übertrug es aufgrund knapper Kassen an Vereine. Drei durften sich bereits versuchen, der letzte, der FFV Leipzig, geriet in finanzielle Schieflage, RB sprang ein und übernahm die Talentschmiede zum 1. Juli.

Aus Sicht der Rasenballer ein logischer Schritt. Der Klub sichtet alljährlich bei einem großen Turnier Talente, und dabei nicht nur Jungen. Mädchenmannschaften wurden gegründet, der älteste Jahrgang steht jetzt vor dem Wechsel in den Frauenbereich. Da die Anzahl der Spielerinnen für eine eigene Mannschaft nicht reichte, gründete RB eine Spielgemeinschaft mit dem Leipziger FC 07. An dieser Stelle beginnen die Probleme – und die unterschiedlichen Sichtweisen.

Bei der Staffeltagung Anfang Juli überraschte der Verband damit, dass die neue Spielgemeinschaft in der Landesliga antreten soll, für die sich keiner der beiden Vereine sportlich qualifiziert hatte. Den „altersbedingt aus dem Leistungszentrum ausscheidenden Spielerinnen“ wolle man so „eine Perspektive“ bieten, erklärt SFV-Vizepräsident Christoph Kutschker auf Anfrage der SZ. Bis auf den TSV 1861 Spitzkunnersdorf folgten alle Anwesenden dieser Argumentation, sehen sich nun aber getäuscht.

Der Bischofswerdaer FV zählte zum Saisonauftakt beim Gegner „eine ehemalige B-Jugendliche in der Startelf“ und entschied zehn Minuten vor dem Anpfiff der Partie, nicht anzutreten. Aus Sicht der Schiebocker wurde „die Grundlage für das Abstimmungsverhalten“ nicht erfüllt, sie fordern nun „eine erneute Abstimmung“. Die Wertung des Spiels ist ein Fall fürs Sportgericht des SFV, dass RB drei Punkte zugesprochen bekommt, gilt als sicher.

Der Protest, dies formuliert das Präsidium von Bischofswerda ganz am Anfang der offiziellen Stellungnahme, „richtet sich nicht gegen die Spielerinnen und auch nicht gegen den Verein“, gemeint ist RB. Der Adressat ist der sächsische Verband. Mehrere Vereine hatten den aufgefordert, Stellung zu beziehen, bis kurz vor dem Anpfiff wartete man in Schiebock vergeblich auf eine Reaktion.

Beim SV Johannstadt wundert man sich, dass bei der Pokalauslosung noch der Leipziger FC 07 auf dem Zettel stand, nun aber RB antrat. Deshalb legten die Dresdnerinnen Protest gegen die 0:7-Niederlage ein. Auch darum muss sich das Sportgericht jetzt kümmern. Der Verband gibt sich in dem Fall ahnungslos: „Warum die Spielgemeinschaft noch vor Saisonbeginn aufgelöst wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Das darf man zumindest anzweifeln.

Der Leipziger FC hatte, so ist zu hören, wenige Stunden vor Meldeschluss eine eigene Mannschaft angemeldet, und damit gegen Paragraf 71 der Spielordnung verstoßen. Dort steht, vereinfacht formuliert, dass keiner der beiden Stammvereine in einer Liga unterhalb der Spielgemeinschaft antreten darf. Fakt ist: RB steht im Frauenfußball nun auf eigenen Füßen – und ist der Favorit in der Landesliga.

Der FFV Leipzig gab aufgrund der drohenden Insolvenz nicht nur das Nachwuchszentrum ab, sondern löste auch sechs Mannschaften auf, darunter den bisherigen Zweitligisten. Ein Großteil kam bei RB unter. Bischofswerda formuliert das als „fast komplette Eingliederung in die Landesliga“, sieht darin „eine Wettbewerbsverzerrung“ sowie einen Verstoß gegen den Fair-Play-Gedanken.

RB sieht das – wenig überraschend – anders. „Da wir das Leistungszentrum übernommen hatten, sind automatisch viele Spielerinnen des FFV an uns herangetreten, um bei uns eine neue Heimat zu finden“, betont Thomas Albeck, der Leiter der Talentschmiede. „Wir haben elf Nachwuchsspielerinnen des Jahrgangs 1999 in den Kader integriert. Dass der Sprung für sie in den Frauenbereich nicht so leicht ist, ist ganz normal. Wir sind gewillt, den Mädchen die Zeit zu geben, die sie brauchen.“

Und wie lange lässt sich RB für den Sprung in die Bundesliga Zeit? Offiziell will sich dazu niemand äußern. In der Landesliga jedenfalls wird sich der Neuling wohl nicht lange aufhalten.