Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Aus für Wilsdruffer Lkw-Verbot

Weil eine Staatsstraße nicht gesperrt werden kann, kommen die Schilder bald weg. Anwohner sind entsetzt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Als es vor einem Jahr aus dem Wilsdruffer Rathaus hieß, dass die Innenstadt auch künftig für durchfahrende Lkw gesperrt bleibe, herrschte allgemeine Erleichterung. Zu groß waren in den Jahren vor dem Verbot die Belastungen gewesen. „Bei mir haben die Gläser in den Schränken geklirrt“, schildert Brigitte Görner, die in der Freiberger Straße ein Haus hat.

Lärm, Abgase, Verkehrsaufkommen – all das dürfte bald wieder zunehmen. Denn die Umleitung soll aufgehoben werden. Spätestens zum 31. Dezember 2016, heißt es aus dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv), werden die Schilder an den Ortseingängen abmontiert. Bürgermeister Ralf Rother (CDU) kann das nicht nachvollziehen. „Die Lkw-Umleitung hat gut funktioniert, es gab dagegen keine Klagen und Beschwerden.“ Mit Einführung des Durchfahrverbots war der Anteil des Schwerlastverkehrs über 3,5 Tonnen um 25 Prozent gesunken. Das hätten Messungen ergeben, heißt es aus dem Rathaus. Warum die Schilder nicht stehen bleiben können, erschließe sich ihm nicht, moniert der Stadtchef.

„Das ist eine riesengroße Enttäuschung. Ich bin entsetzt“, sagt auch Ulrich Klein. Klein ist Kopf einer Bürgerinitiative Verkehr, die sich jahrelang für mehr Ruhe in Wilsdruffs Zentrum eingesetzt hat. Sie zählte Verkehrsströme, befragte Experten, machte Vorschläge zu einer Entlastung für die Stadtstraßen, klopfte bei zuständigen Behörden an. Die Umleitungs-Regelung, wonach Lkw über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht in beide Richtungen zwischen Wilsdruff und Grumbach über die Bundesstraße 173 und Kesselsdorf gelenkt werden, ist maßgeblich auf das Wirken der Bürgerinitiative zurückzuführen.

Nach vielen Diskussionen zwischen Stadt, Landkreis, Straßenbauamt und Polizei wurde das Verbot im Oktober 2013 eingeführt – als Verkehrsversuch. Dieser war zunächst auf 18 Monate angelegt und sollte bis zum März 2015 dauern. Anschließend wurde die Regelung verlängert, bis Ende 2016.

Ein Umstand aber sprach von Anfang an gegen eine dauerhafte Lkw-Umleitung. Die Strecke durch Wilsdruff ist eine Staatsstraße – die S 192. Und Staatsstraßen dürfen nicht ohne Weiteres für einen Teil des Verkehrs gesperrt werden. „Per Definition müssen sie den überörtlichen Verkehr schnell und flüssig abführen“, sagt Isabel Siebert, Sprecherin des Landesamts. Dafür würden solche Straßen unterhalten. Lediglich wenn zwingende Sachgründe vorliegen – beispielsweise Straßenschäden oder marode Brücken –, können Tonnagebegrenzungen anordnet werden. „In Wilsdruff ist dies aber nicht der Fall“, argumentiert Siebert. Deshalb werde der Verkehrsversuch nun beendet.

„Zwingende Sachgründe“ – Ulrich Klein hält das für einen Ermessensspielraum. „Die Lebensqualität der Anwohner, die leidet; die alte Bausubstanz, die von durchfahrenden Lkw erschüttert wird; Schulwege, die unsicherer werden – das sind wohl keine zwingenden Sachgründe?“, fragt er. Und er nennt Beispiele, wo der Lkw-Verkehr teils großräumig umgeleitet wird. „Durch Dresden dürfen keine Lkw fahren. Auch die Bundesstraße 170 in Richtung Grenze ist ab zwölf Tonnen für den Verkehr gesperrt“, zählt er auf. Es gab sogar eine Chance, die Lkw-Umleitung dauerhaft einzurichten. Wenn die Staatsstraße keine Staatsstraße mehr, sondern eine Gemeindestraße ist, kann die Stadt über das Verbot eigenständig entscheiden. Deshalb signalisierten die Wilsdruffer schon vor drei Jahren, die Straße übernehmen zu wollen.

Dass es bisher dazu nicht gekommen ist, liegt am Zustand der Fahrbahn. Zwischen Grumbach und dem Kleinbahnhof in Wilsdruff ist die Straße stark sanierungsbedürftig, ein Ausbau seit Jahren geplant. Eine kaputte Straße will die Stadt aber nicht übernehmen. „Das machen wir nur, wenn die Projektierung fertig ist, das Baurecht vorliegt, ein finanzieller Ausgleich für die Übernahme zugesichert ist und der Bau mit Fördermitteln unterstützt wird“, zählt Rother auf. Solange es dazu keine verbindlichen Zusagen gäbe, könne sich die Stadt solch ein Risiko nicht aufbürden. Allein die Baukosten werden laut Stadt auf fünf Millionen Euro veranschlagt.

Viele sind nun enttäuscht. „So stehen wir wieder genau da, wo wir vor dem Verkehrsversuch schon waren“, sagt Anwohnerin Görner. Sie, viele Geschäftsleute und Anlieger befürchten, dass mehr Verkehr Wilsdruffs Innenstadt nur schaden wird. Görner: „Die Anwohner werden leiden, die Mieter wegziehen, die Häuser den Erschütterungen nicht standhalten.“