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Ausgesetzte Schildkröte sonnt sich im Volksbad

An der Neiße und ihren Armen tauchen die Tiere immer wieder auf. Obwohl sie im Landkreis Görlitz nicht heimisch sind, können sie gut überleben – sogar den Winter.

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© Nikolai Schmidt

Von Sabrina Winter

Auf einem Holzsteg im Volksbad Görlitz sitzt eine Schildkröte und sonnt sich. Sie bleibt nahe am Wasser, sodass sie bei Gefahr schnell hineingleiten und fortpaddeln kann.

Eine Passantin erlebte diesen ungewöhnlichen Anblick in der vergangenen Woche, als sie mit ihrem Hund spazieren ging. Vor zwei Jahren habe sie an der gleichen Stelle schon einmal zwei Schildkröten gesehen, sagt sie. Das ist ein großer Zufall, denn die Tiere zeigen sich nicht oft. Thomas Lübcke, Leiter des Vivariums im Senckenbergmuseum, erklärt: „Schildkröten haben einen hohen Fluchtinstinkt. Vielleicht sind die im Volksbad auch schon an Publikumsverkehr gewöhnt.“ Das würde erklären, warum sich die Schildkröte von der Passantin nicht beeindrucken und sogar fotografieren ließ.

Thomas Lübcke hat selbst noch keine Schildkröte an der Neiße oder am Volksbad entdeckt. Doch die Leute melden sich hin und wieder deswegen bei ihm. Pro Jahr gebe es circa eine Sichtungsmeldung, schätzt Lübcke. Nach einem Blick auf das Foto der Volksbad-Schildkröte weiß er: „Das ist eine amerikanische Schmuckschildkröte.“ Die Art werde meist in Zoohandlungen als Haustier verkauft. Manchmal bieten auch Gartenmärkte die Tiere für den Teich oder fürs Aquarium an. Sie werden als Babys verkauft, wenn sie noch klein und niedlich sind. Doch die Tiere werden schnell groß. „Eine amerikanische Schmuckschildkröte kann bis zu 30 Zentimeter lang werden. Dann passt sie nicht mehr ins Aquarium“, sagt Lübcke. Viele Leute setzen sie dann aus. Dass die Schildkröten im Volksbad ausgesetzt wurden, ist also sehr wahrscheinlich. Eine andere Theorie: Sie ist weggelaufen, zum Beispiel aus einem Gartenteich. An Land sind die Tiere jedoch nicht schnell, da es sich bei der Art im Volksbad um Wasserschildkröten handelt. Obwohl sie von einem anderen Kontinent kommen, könnten die Tiere hier überleben – allerdings nur, wenn die Winter mild sind. Thomas Lübcke erklärt dazu: „Die Schildkröten buddeln sich im Winter in die Erde ein und verfallen dann in ihre Winterstarre.“

Wer selbst eine Schildkröte entdeckt und sie beobachten möchte, sollte sich ruhig verhalten, rät Lübcke. Denn die Tiere sind wachsam. Sie einzufangen ist darum schwierig. In Deutschland gibt es nur eine heimische Schildkrötenart: die Sumpfschildkröte. Sie kommt sehr selten vor und ist stark gefährdet.