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Ausspähen geht gar nicht

Hat der US-Geheimdienst das Handy der Kanzlerin angezapft? Die Kanzlerin ist sichtlich empört. Und in der EU wird beim Gipfel laut über Konsequenzen nachgedacht.

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© dpa

Marion Trimborn und Christian Böhmer

Brüssel. Nach dem vermuteten US-Lauschangriff auf das Handy von Kanzlerin Angela Merkel will sich Europa wehren. Die Forderungen reichen von einer Unterbrechung der Freihandelsgespräche mit den USA bis hin zur Kündigung von Abkommen zur Datenweitergabe an die Amerikaner. Beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel schlug die Empörung unter Europas Politikern hohe Wellen. Merkel kritisierte die amerikanischen Verbündeten ungewöhnlich scharf: „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, sagte sie vor dem Treffen.

Das habe sie auch schon US-Präsident Barack Obama bei seinem Berlin-Besuch im Juni gesagt und in einem Telefongespräch am Mittwoch bekräftigt, erklärte Merkel. „Dabei geht es nicht vordergründig um mich, es geht um alle Bürgerinnen und Bürger.“ Das Vertrauen müsse „jetzt wieder neu hergestellt werden.“

EU-Parlamentschef Martin Schulz verlangte, die Gespräche mit den USA über eine Freihandelszone auszusetzen. „Ich glaube schon, dass wir jetzt mal unterbrechen müssen“, sagte der SPD-Politiker. „Das ist kein Arbeiten auf gleicher Augenhöhe.“

Wie sicher ist die Regierungskommunikation?

Was genau haben die Amerikaner angeblich bei Merkel überwacht?

Nach dpa-Informationen hatten es die US-Geheimdienstler wohl auf Merkels Diensthandy abgesehen, nicht auf ein privates Mobiltelefon. Nach diesen Erkenntnissen spricht manches dafür, dass sowohl SMS mitgelesen als auch Telefonate mitgehört wurden. Konkrete Nachweise zu diesen Details gibt es bislang nicht. Das Problem: Solche Ausspähaktionen hinterlassen keine Spuren. Unklar ist auch, über welchen Zeitraum Merkels Handy im Visier der Amerikaner gewesen sein könnte. Die US-Regierung hat nur versichert, „dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden“. Zur Vergangenheit kein Wort. Den offenen Fragen will die Bundesregierung nun nachgehen.

Was genau haben die Amerikaner angeblich bei Merkel überwacht?

Nach dpa-Informationen hatten es die US-Geheimdienstler wohl auf Merkels Diensthandy abgesehen, nicht auf ein privates Mobiltelefon. Nach diesen Erkenntnissen spricht manches dafür, dass sowohl SMS mitgelesen als auch Telefonate mitgehört wurden. Konkrete Nachweise zu diesen Details gibt es bislang nicht. Das Problem: Solche Ausspähaktionen hinterlassen keine Spuren. Unklar ist auch, über welchen Zeitraum Merkels Handy im Visier der Amerikaner gewesen sein könnte. Die US-Regierung hat nur versichert, „dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden“. Zur Vergangenheit kein Wort. Den offenen Fragen will die Bundesregierung nun nachgehen.

Welche Kommunikationsmittel nutzt Merkel generell?

Ihr liebstes Kommunikationsmittel ist das Mobiltelefon. Die Kanzlerin und CDU-Chefin ist auch zu viel unterwegs, als dass sie die Regierungsgeschäfte nur vom Festnetz aus führen könnte. Merkel ist dafür bekannt, dass sie zu einem erheblichen Teil Politik per Handy macht. Wenn es hoch hergeht, schickt sie ein paar Dutzend SMS-Nachrichten am Tag, heißt es in ihrem Umfeld. Seitdem 2010 ein SMS-Wechsel mit SPD-Chef Sigmar Gabriel bekannt wurde, weiß die Öffentlichkeit auch, wie Merkel eine solche Nachricht abschließt: „Herzliche Grüße am“. Merkel hat auch einen Tablet-Computer. Diesen nutzt sie aber mehr zur Information als zur Kommunikation.

Wie ist die Telefon-Kommunikation der Regierungsmitglieder gesichert?

Zuständig für die Sicherheit der Regierungskommunikation ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit Sitz in Bonn. Die Regierungsmitglieder haben geschützte, sogenannte Krypto-Handys, mit denen sie verschlüsselt telefonieren können. Früher hatten sie einfache Handys - nur zum Telefonieren und SMS-Schreiben. Inzwischen wurde aufgerüstet: Die Regierung hat neue Sicherheits-Smartphones bestellt. Mit diesen Geräten soll erstmals ein Telefon für sichere Gespräche und Internet-Nutzung eingesetzt werden können. Bisher waren dafür zwei verschiedene Geräte nötig. Die neuen Smartphones werden erst seit einigen Wochen an die Regierung geliefert.

Wie ist ein geschütztes Regierungshandy überhaupt zu knacken?

Verschlüsselte Gespräche zwischen zwei geschützten Mobiltelefonen sind nach Einschätzung von Fachleuten so gut wie gar nicht abzufangen. Problematisch ist aber beispielsweise, wenn jemand von einem gesicherten Handy auf einem ungesicherten Gerät anruft oder andersherum. Merkel hat nicht immer nur mit Gesprächspartnern zu tun, die ein gesichertes Telefon haben. „Solche Gespräche finden praktisch auf dem offenen Draht statt“, sagt ein Experte aus der Sicherheitsbranche.

Ein weiteres Problem: Nicht alle Kabinettsmitglieder halten sich an die strengen Sicherheitsvorkehrungen. Der scheidende Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) gestand vor einigen Monaten auf seiner USA-Reise im Silicon Valley: Ja, streng genommen dürften Minister und Beamte zwar nur bestimmte Handys und Laptops benutzen, die aufwendige Sicherheitschecks bestanden hätten. Aber: „Jeder weiß, dass wir unsere privaten Telefone benutzen, obwohl es verboten ist.“

Kommt die mögliche Überwachung überraschend?

Dass die Amerikaner ausgerechnet Merkels Handy überwacht haben sollen, bringt der NSA-Affäre eine völlig neue Wendung. Allerdings haben mehrere Kabinettsmitglieder schon zuvor gemutmaßt, dass auch die Regierung Opfer von Ausspähaktionen wird. Die scheidende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) etwa sagte vor einigen Wochen, sie sei generell vorsichtig mit ihrer Kommunikation. Am Telefon passe sie sehr auf, was sie sage. „Ich nenne da oft keine Namen, sondern berede das lieber im direkten Gespräch. Das mache ich schon länger so.“ Und der amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte nun: „Ich rechne seit Jahren damit, dass mein Handy abgehört wird. Allerdings habe ich nicht mit den Amerikanern gerechnet.“

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Die EU verhandelt mit Washington seit Sommer über die Schaffung der weltgrößten Freihandelszone mit gut 800 Millionen Einwohnern. Experten hoffen auf bis zu zwei Millionen neue Arbeitsplätze. Das EU-Parlament redet in der Handelspolitik mit, weil es den Pakt billigen muss.

Europäische Maßnahmen sind nötig

Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger betonte: „Man kann besonders zwischen befreundeten Ländern nicht einfach jemand anderen abhören, Daten absaugen, verarbeiten, ohne dass es dafür wirklich eine gemeinsame Grundlage gibt.“ Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nannte es „natürlich inakzeptabel“, wenn Telefongespräche von Regierungschefs abgehört würden. „Dieses systematische Ausspionieren ist nicht hinnehmbar“, sagte auch Belgiens Regierungschef Elio Di Rupo. „Es sind nun europäische Maßnahmen nötig.“ Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte: „Ich habe keine Hinweise, dass ich abgehört werde“ - und fügte hinzu, dass man da nie sicher sein könne.

Bereits am Vortag hatte das Europaparlament die Kündigung des Swift-Abkommens gefordert, das den US-Geheimdiensten seit 2010 den gezielten Blick auf Kontobewegungen von Verdächtigen in Europa erlaubt. Auch der in Belgien ansässige Finanzdienstleister Swift, der Überweisungen von Bankkunden weltweit abwickelt, soll im Visier der NSA gewesen sein.

Auf dem offiziellen Programm des zweitägigen EU-Gipfels stehen die Internetwirtschaft, die Bankenunion und das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer.

Die neuesten Enthüllungen geben auch der Datenschutzreform neuen Schwung, über die die EU seit Anfang 2012 diskutiert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verwies auf diese Pläne, die Europas Bürgern mehr Rechte an ihren Daten im Internet - etwa gegenüber US-Konzernen wie Google und Facebook - geben sollen.

Datenschutz muss für alle gelten

EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderte, beim EU-Gipfel den Weg für die Datenschutzreform freizumachen. „Wir brauchen jetzt großen europäischen Datenschutz gegen große Lauschohren“, sagte sie der „Bild-Zeitung“. Datenschutz müsse für alle gelten. „Egal, ob es um die E-Mails der Bürger oder das Handy von Angela Merkel geht.“

Barroso unterstrich die Bedeutung des Datenschutzes: „Wir sehen das Recht auf Privatsphäre als ein Grundrecht an. (...) Das ist sehr wichtig, nicht nur für Deutschland.“ Er erinnerte an die Erfahrungen mit der Stasi in der damaligen DDR. Der Datenschutz stand bereits in allgemeiner Form auf der Gipfelagenda.

Die EU-Kommission hält die Mobiltelefone der EU-Kommissare für abhörsicher. „Wir haben keinen (...) Zweifel an der Tatsache, dass diese Telefonleitungen vollständig geschützt sind“, sagte ein Kommissionssprecher. Im Sommer war bekanntgeworden, dass die NSA die EU als Spionageziel führt und deren Einrichtungen ausspähte.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande wollte laut Diplomaten beim Gipfel aus seinem Ärger über NSA-Spähaktivitäten keinen Hehl machen. Nach Medienberichten spionierte die NSA auch Personen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Frankreich aus. (dpa)