Merken

Autohaus muss VW-Käufer Schadenersatz zahlen

Mehrere Autobesitzer aus dem Landkreis Görlitz sind im Abgasskandal vor Gericht gezogen – zum Teil mit Erfolg.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Von Jens-Rüdiger Schubert, Romy Altmann-Kühr und Jana Ulbrich

Die Zivilkammer des Landgerichts in Görlitz hat im Zuge des VW-Abgasskandals vor Kurzem ein Urteil gesprochen, das Signalwirkung hat: Ein Autohaus aus der Region muss einem VW-Käufer aus Niesky Schadensersatz zahlen. Der Nieskyer hatte 2012 für knapp 29 000 Euro einen VW Tiguan gekauft. Das Fahrzeug war mit einer Software ausgestattet, die die Emission von Stickoxiden minimiert. Die Angaben des Schadstoffausstoßes aber waren manipuliert. Das Gericht befand, dass das Fahrzeug damit schon beim Kauf einen wesentlichen Mangel hatte. Diesen Mangel jedoch hatte das Autohaus verschwiegen. Deshalb gab das Gericht dem Kläger recht und sprach ihm Schadensersatz zu.

Wie

viele Fälle gibt es aktuell in den Kreisen Bautzen und Görlitz?

Der Fall des Nieskyers ist nicht der einzige in der Region, bei dem ein VW-Diesel-Käufer im Zuge des Abgasskandals mit Erfolg vor Gericht gezogen ist. So sind allein am Landgericht Görlitz in jüngster Zeit acht Fälle verhandelt worden oder noch anhängig. In vier Fällen sind die Autokäufer mit ihren Klagen auf Schadensersatz oder die Rückabwicklung ihres Fahrzeugkaufs erfolgreich gewesen. Drei Verfahren laufen noch. Nur in einem Fall hatte das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Autobesitzer aus Großschönau hatte ein neues Auto als Ersatz für sein Dieselfahrzeug verlangt. Die Entscheidung ist aber noch nicht endgültig, sondern liegt bei der nächsten Instanz, dem Oberlandesgericht.

Am Landgericht in Bautzen sind ebenfalls mehrere Klagen von VW-Diesel-Käufern anhängig, bestätigt Gerichtssprecher Reinhard Schade. Entscheidungen habe es aber noch nicht gegeben. „Es ist ein schwieriges Feld“, sagt der Richter. Denn bisher urteilten die Landgerichte bundesweit sehr unterschiedlich. Auch gibt es in der Frage, wie die Fälle von Autokäufern, die sich vom VW-Konzern getäuscht sehen, vor Gericht behandelt werden, noch kein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs, an dem die Landgerichte sich orientieren könnten.

Wie reagieren die betroffenen Autokonzerne auf die Klagen?

Die Gerichte warten offensichtlich auch ab, wie die Volkswagen AG sich weiter verhalten wird. Derzeit gehe der Konzern auf Händler auch in der Region zu und bietet Vergleichsgespräche an. Man wolle sich außergerichtlich mit den Kunden einigen, erklärt ein Sprecher des Görlitzer Landgerichts. Außerdem bietet der Konzern für VW und Audi ein Software-Update an.

Doch auch zu letzterem Thema gibt es Kritik. Denn der eigentliche Betrug werde dadurch ja nicht beseitigt, so urteilte im März zumindest das Oberlandesgericht in Köln. Ein Käufer hatte einen Audi A4 erworben und ein vom VW Konzern entwickeltes Software-Update durchführen lassen. Anschließend stellte er Leistungsverlust fest, führte das auf das Update zurück und wollte vom Kaufvertrag zurücktreten. Das Gericht entschied zugunsten des Audi-Fahrers. Die Entscheidung macht deutlich, dass ein Rücktrittsrecht vom Kauf auch dann zustehen kann, wenn ein Software-Update durchgeführt wurde.

Wie reagieren die Autohäuser in der Region?

In den Autohäusern der Region wird über das Thema offenbar in der Öffentlichkeit nicht gern gesprochen. Zwei schriftliche Anfragen der SZ jedenfalls blieben unbeantwortet. Aufgrund laufender Verfahren könne man sich zu dem Thema zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern, hieß es.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Dieselfahrer jetzt noch?

Wie die erfolgreich geführten Klagen auch in der Oberlausitz zeigen, können sowohl Kaufverträge rückabgewickelt als auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Auch die Neulieferung eines Fahrzeugs ist theoretisch gerichtlich durchsetzbar, wie Beispiele erfolgreicher Klagen zeigen. Dieselfahrer, die noch Ansprüche geltend machen wollen, müssen sich aber beeilen: Ende 2018 werden alle Ansprüche gegen VW verjähren.

Darüber hinaus könnte es demnächst die Möglichkeit geben, sich einer Sammelklage anzuschließen. Eine entsprechende Gesetzesvorlage, die das ermöglicht, ist bereits beschlossen und soll spätestens ab November in Kraft treten. Dann wäre eine sogenannte Musterfeststellungsklage, zum Beispiel gegen VW, möglich. Schadensersatzansprüche müssten dann nicht mehr durch einzelne Verbraucher, sondern könnten durch bestimmte Verbände geltend gemacht werden.