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Warum die neue Chefin im Possendorfer Kindergarten nicht alles umkrempelt

Der Generationswechsel ist in Bannewitz in vollem Gang. Zwei Frauen erzählen, was sich bei der Erziehung ändert und was bleibt - und welche Probleme es gibt.

Von Gabriele Fleischer
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Ein gutes Team: Die neue und die bisherige Leiterin der Kindereinrichtung "Windmühle" in Possendorf: Stefanie Jung (l.) und Regina Effenberger, hier mit, Ubbe, Bruno und Rosa (v. l.).
Ein gutes Team: Die neue und die bisherige Leiterin der Kindereinrichtung "Windmühle" in Possendorf: Stefanie Jung (l.) und Regina Effenberger, hier mit, Ubbe, Bruno und Rosa (v. l.). © Daniel Schäfer

Die beiden Frauen verstehen sich. Das spürt man sofort. Die eine, Stefanie Jung, ist 34 und nach zwölf Jahren als Erzieherin seit vergangenen Monat die Chefin in der Kindereinrichtung "Windmühle" in Possendorf. An der Wand hängt noch ein von den Kollegen gestalteter Glückwunsch. Offenbar sind sie froh darüber, dass eine aus ihren Reihen aufgestiegen ist und sich schon gut auskennt.

Die andere, Regina Effenberger, ist 64 und hat die Leitung nach 19 Jahren abgegeben. Begrüßt wird sie immer noch so, als wäre sie täglich da. Sie kennt wie jeder der Erzieher hier, alle Kinder, jedes der 92 Mädchen und Jungen zwischen einem und sechs Jahren.

Ein Generationswechsel, wie er gerade in vielen Kindereinrichtungen vollzogen wird und eben auch in den Ortsteilen von Bannewitz. "Bereits im Sommer war Ilona Wrobel, langjährige Leiterin des Bannewitzer "Kinderlandes", in den Ruhestand verabschiedet worden", sagt Bürgermeister Heiko Wersig (parteilos). "Im nächsten Februar tritt Gerlinde Sprenger aus dem Kinderland Boderitz ihre Rente an."

Für die alte und die neue Chefin ist es ein Traumberuf

Alles hat seine Zeit. Das sieht auch Regina Effenberger so, die gerade Bruno und Rosa, begrüßt. Gleich posieren die beiden Kindergartenkinder für ein Foto. Sie strahlen, als sie die einstige Leiterin sehen, die so wie Stefanie Jung heute auch als Chefin immer in den Gruppen ausgeholfen hat.

Ihr Herz hängt noch am Beruf. Dabei sei der Abschied nach 45 Dienstjahren für sie kein Problem gewesen, sagt sie. Manches fiel ihr schon schwerer als noch vor zehn Jahren. Das Aushalten des fröhlichen Kindergeschreis war und ist es nicht. Deshalb freut sie sich auch bei ihrem Besuch über die lauten Stimmen der Kleinen, die gerade vom Spielen im Freien wieder ins Haus kommen.

Ja, es sei ihr Traumberuf gewesen, da lässt Regina Effenberger, die mit ihrem Lockenkopf nicht wie eine Rentnerin wirkt, keinen Zweifel. Schon als Schülerin war sie im Klub Junger Pädagogen, musste sich vor der Ausbildung auch einer Stimmprüfung unterziehen und begann vor mehr als 45 Jahren die Ausbildung zur Erzieherin. Der Enthusiasmus sei bis zum Schluss geblieben, sagt sie.

Mit Babysitten hat alles begonnen

So wie bei Stefanie Jung, die ein paar Jahrzehnte später den Beruf gewählt hat und übers Babysitten und ihre Mutter, die Schulleiterin war, ihr Faible für die Betreuung von Kindern entdeckt hatte, aber ohne Stimmprüfung in den Beruf kam. Dass sie einmal hoch hinaus in die Leitung will, das hätte sie schon während der Ausbildung gewusst, sagt die ehrgeizige junge Frau. Gerade absolviert sie noch ein Online-Bachelor-Studium, was sie als Leiterin qualifiziert. Eine Zusatzbelastung, die sie gern auf sich nimmt.

Unterstützt wird sie dabei von ihren Kollegen und der Gemeindeverwaltung. "Ein Bachelorstudium brauchte ich vor 19 Jahren nicht, aber eine Qualifikation schon", sagt Effenberger, die zunächst neben der Kindereinrichtung in Hänichen noch den Hort mitzubetreuen hatte. Heute gehört der nicht mehr zum Aufgabengebiet der Kita-Leiterin.

Was hat sie als Chefin besonders gefordert? Das seien erst Baumaßnahmen bei laufendem Betreuungsbetrieb und die letzten Jahre während der Pandemie gewesen. Immer neue Bestimmungen, wenig Kontakt zu den Kindern, Absagen an die Eltern. "Das war nervenaufreibend", sagt die 64-Jährige.

Die Wende war eine Herausforderung

Und als Erzieherin war natürlich die Wende für sie besonders aufregend. "Keiner wusste erst einmal, was noch richtig war und was nicht", sagt sie. "Dabei haben wir versucht, genau dort weiterzumachen, wovon wir etwas verstanden, bei der Betreuung der Kinder. Inwieweit die Ideologie bei Betreuung zu DDR-Zeiten eine Rolle gespielt hat, das hätte auch manches Mal im Ermessen jeder einzelnen Erzieherin gelegen.

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag sei damals sehr straff gewesen und musste 1:1 umgesetzt werden. Jetzt gebe es mehr Freiräume. "Aber wir hatten alle die gleiche Ausbildung. Das war einfacher als heute, wo der eine oder andere aus anderen Berufen kommt. Oft gehe das gut, aber es brauche länger zum Eingewöhnen", so Effenberger.


Dass zu ihrer Zeit jede Kindergärtnerin und jeder Kindergärtner ein Instrument lernte, war eine feine Sache. Das fehle heute manchmal, auch wenn das gemeinsame Singen immer noch eine große Rolle spielt.

Ziel: Kinder spielerisch auf die Schule vorbereiten

Aber gerade die Beschäftigungsangebote, daran halte die Einrichtung heute noch fest, sagt Effenberger. Stefanie Jung nickt. "Dass die Kinder spielerisch und altersgerecht auf die Schule vorbereitet werden, ist weiterhin unser Ziel."

Dafür haben wir immer noch einen Plan. "9 Uhr sollten die Kinder da sein", wenn wir Projekte planen. "Wie damals, nur mit neuen, frischen und eben zeitgemäßen Ideen", so Effenberger. "Zahlenland" für die Großen und "Entenland" für die Kleinen zum Beispiel. "Hier lernen die Kinder beim Spielen Farben, Formen und Zählen", sagt Jung. Einmal in der Woche beschäftigen sich alle damit.

Und was ist gerade ihre größte Herausforderung? "Auch mich beschäftigt noch Corona oder besser die Zeit danach. Elternkontakte und Zusammenkünfte - vieles muss wieder belebt werden", sagt die neue Chefin. Jetzt freue sie sich erst einmal auf den in den vergangenen Jahren ausgefallenen Weihnachtsmarkt - für Kinder, Eltern und Erzieher. Gelegenheit auch miteinander ins Gespräch zu kommen und über neue Ideen zu sprechen.

Tablets und Whatsapp sind heute selbstverständlich

"Ich nutze die Erfahrungen von Frau Effenberger. Warum soll ich ändern, was sich bewährt hat", sagt Jung und überlegt. "Sicher gehören für uns heute technische Geräte mehr zum Alltag als früher." Das sei anders, sagt Jung. Fotos auf Tablets anstatt in Mappen zum Beispiel. Auch E-Mail- und Whatsapp-Gruppen mit den Eltern seien für sie normal. Einmal im Monat gebe es zudem den Tag des gesunden Frühstücks. "Da dürfen die Kinder alles mitmachen vom Einkauf bis zur Zubereitung. Oder sich auch mal Haferflocken selbst herstellen. Alles natürlich mit unserer Hilfe. "

Regina Effenberger, die heute vielleicht einiges anders machen würde, findet doch immer wieder Parallelen. Sie ist sicher, dass Stefanie Jung noch viele neue Ideen entwickeln wird und weiß ihre Kinderschar bei der jungen Kollegin in besten Händen. Und die hat dann doch noch einen Wunsch: Ein, zwei Erzieher mehr würden der Arbeit mit den Kindern guttun. Gruppenstärken von 15 bis 20 ließen nicht viele Freiräume. Wenn jemand ausfällt, wird es ganz prekär.

Die Liebe zum Beruf bleibe trotzdem. Und wie ist es mit dem Rat der Vorgängerin? "Du kannst mich jederzeit anrufen", sagt Effenberger. Ein Abschied für immer war ihr Eintritt ins Rentenalter dann eben doch nicht.