SZ + Freital
Merken

Streit um geplantes Wohngebiet in Possendorf eskaliert

Das Bebauungsvorhaben kommt ins Wanken - und die Gemeinde Bannewitz steht vor einem finanziellen Desaster.

Von Gabriele Fleischer
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
So sieht der jetzt vorliegende Plan mit den Mehrgeschossern zwischen Windmühlenweg und Rippiener Straße aus. Aus drei größeren Gebäuden in der zweiten Reihe sind vier geworden.
So sieht der jetzt vorliegende Plan mit den Mehrgeschossern zwischen Windmühlenweg und Rippiener Straße aus. Aus drei größeren Gebäuden in der zweiten Reihe sind vier geworden. © Ökowert

Die Stimmung im Possendorfer Rathaus war am Montagabend am Kochen. Und das nicht wegen der Schwüle vor den Fenstern. Vielmehr lag das am Thema, zu dem die Gemeindeverwaltung Bürger eingeladen hatte.

Es ging um die geplante Bebauung des ehemaligen BHG-Geländes zwischen Windmühlenweg und Rippiener Straße.

Nachdem Bürgermeister Heiko Wersig (parteilos) in Widerspruch zu einem im Juli von den Gemeinderäten mehrheitlich und mit seiner Gegenstimme nachträglich beschlossenen Bebauungsplan gegangen war, appellierte er jetzt an die Vernunft und stellte Montagabend einen überarbeiten Planungsentwurf der Ökowert-Firmengruppe vor. Mit viel Gegenwind.

Unter anderen Vorzeichen gekauft

Ökowert hatte das etwa 9.000 Quadratmeter große Gelände 2018 für 1,1 Millionen Euro von der Gemeinde für den Bau von Mehrfamilienhäusern erworben. Notariell beglaubigt und in Abstimmung mit der Bauaufsichtsbehörde nach Paragraph 34 Baugesetzbuch, also ohne Bebauungsplan, der eine langwierige Vorplanung mit Beteiligung der Öffentlichkeit verlangt. Genau das bleibt der Streitpunkt.

Eine Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange und eine Prüfung vor dem Einreichen eines Bauantrages schließe ein Paragraph 34 nicht aus, sagte Markus Kirchner, Baufachbereichsleiter der Gemeinde. Von Ökowert war nach Absprache mit der Gemeindeverwaltung zur Versammlung niemand gekommen.

Kaum Gehör für den Bürgermeister

Bürgermeister Wersig erklärte anhand der Pläne, dass die in der Juli-Gemeinderatssitzung kritisierte Riegelbebauung in der zweiten Reihe aufgelöst ist. Aus bisher drei Wohnblöcken sind vier geworden, aus 72 Wohnungen maximal 68.

Zudem seien die zweistöckigen Gebäude wegen der Sichtachsen nur teilweise mit Dachgeschoss geplant. Es entstehe eine 6,50 Meter breite Erschließungsstraße zur Rippiener Straße, die einen Fußweg bekommt.

Kaum einer der Anwesenden, von denen die meisten Anwohner waren, machte sich aber offenbar die Mühe, den Worten des Bürgermeisters zu folgen. "Was hat sich denn da geändert?" So ein erster Zwischenruf. Andere folgten, auch unsachliche. "Haben Sie sich denn auch mit der Verwaltung beraten?", wurde Bürgermeister Wersig persönlich angegriffen.


Nimmt der Gemeinderat Bannewitz den Beschluss über einen Bebauungsplan für das einstige BHG-Gelände in Possendorf nicht zurück, macht Sascha Hippe von Investor Ökowert Forderungen geltend.
Nimmt der Gemeinderat Bannewitz den Beschluss über einen Bebauungsplan für das einstige BHG-Gelände in Possendorf nicht zurück, macht Sascha Hippe von Investor Ökowert Forderungen geltend. © Karl-Ludwig Oberthür

Frank Hering vermisste einen Erschließungsplan. Der sei für ihn und die anderen Anwohner der Rippiener Straße, die bei Starkregen von Überschwemmungen betroffen sind, wichtig. Alles andere als ein Bebauungsplan sei aus seiner Sicht rechtlich bedenklich.

All das aber werde im Austausch mit dem Investor geregelt, versuchte Kirchner wieder zu beschwichtigen. Gehör bekam er nicht.

Bürger sprechen von Erpressung

Selbst die Mahnung, dass nicht nur 40.000 Euro für die Aufstellung eines Bebauungsplanes auf die Gemeinde zukommen würden, sondern auch ein jahrelanger Rechtsstreit und eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit immensen Kostenforderungen, stimmte die Anwesenden nicht um. Ökowert-Geschäftsführer Sascha Hippe sprach am Dienstag von knapp sieben Millionen Euro.

Von Erpressung war die Rede. "Die Forderungen, die Ökowert gegenüber der Gemeinde beziffert, sind haltlos und nicht untersetzt", sagte Elke Heller, die 25 Jahre in der Bauverwaltung der Gemeinde gearbeitet hatte und wegen ihrer Kenntnisse quasi zur Sprecherin der Bürgerinitiative zum Bauvorhaben geworden ist.

Anwohner beharren auf Beschluss

Sie beharrt wie alle anderen Anwohner auf dem B-Plan-Aufstellungsbeschluss. Denn die im Geltungsbereich des Plangebietes liegenden Flurstücke seien dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich gemäß Paragraph 35 Baugesetzbuch zuzuordnen.

Zudem entspreche die Bebauung nicht jenem Gemeinderatsbeschluss, wonach für Possendorf eine weiterführende ländliche Bebauung vorgesehen sei.

Was Heller verschweigt: Der Investor hat das Gelände unter anderen Vorzeichen gekauft. Er kann von seinem Rückgaberecht und Schadenersatzforderungen Gebrauch machen. Das werde er auch tun, sagte Sascha Hippe am Dienstag auf Nachfrage von Sächsische.de.

Gleichzeitig erklärte er, dass er Architekturbüros für eine umfangreiche Begrünung und die Erschließung beauftragt hätte und ohne solche Details eine Bauantrag gar nicht gestellt werden könne. Frühestens Ende nächsten Jahres werde mit dem Bau begonnen. Ein B-Plan würde das um einiges verzögern. Angesichts dann weiterer öffentlicher Beteiligung sei eine nochmalige Reduzierung der Bebauung unvermeidbar und wirtschaftlich nicht mehr tragbar.

Gemeinderäte müssen nun abwägen

Unsachlich wurde es auch, als von einer Missachtung der Interessen der Possendorfer die Rede war. Das erboste CDU-Gemeinderätin Angela von Havranek: "Wir sind für Gesamt-Bannewitz angetreten und nicht nur für einzelne Ortsteile."

Für die anwesenden Gemeinderäte, die Dienstagabend über eine eventuelle Rücknahme des B-Planes entscheiden müssen, keine leichte Aufgabe. "Für mich ist ein Bebauungsplan an dieser Stelle eigentlich zwingend nötig", sagte Grünen-Gemeinderätin Sabine Pelz, die sich bei der Abstimmung über den B-Plan enthalten hatte.

Ganz klar sei es ein Versäumnis der Verwaltung gewesen, im Kaufvertrag die Bebauung nach Paragraph 34 zu verankern, obwohl dies nicht im damaligen Gemeinderatsbeschluss stand. Ihrer Meinung nach könne man aber einen B-Plan auch in einem Jahr abhandeln. Allerdings räumte sie ein, dass Bannewitz Millionen-Forderungen nicht stemmen und über Jahre nicht auf Investitionen verzichten könne.

Nach zwei Stunden versuchter Annäherung waren die Fronten noch verhärteter. Die Diskussionen gingen vor dem Rathaus weiter.

Die für Dienstagabend anberaumte Entscheidung des Gemeinderates zum Bebauungsplan stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest.