SZ + Bautzen
Merken

Eine Japanerin dirigiert das Osterblasen in Bautzen

Am Sonnabend spielen rund 100 Bläser zum traditionellen Osterblasen auf dem Protschenberg in Bautzen. Dirigiert werden sie von Yuko Ikeda. Die Kantorin kommt aus Japan, lebt gern in Bautzen, vermisst aber vor allem zwei Dinge.

Von Anne Semlin
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Als Kantorin der Kirchgemeinde Sankt Michael in Bautzen leitet Yuko Ikeda das Osterblasen auf dem Protschenberg in Bautzen.
Als Kantorin der Kirchgemeinde Sankt Michael in Bautzen leitet Yuko Ikeda das Osterblasen auf dem Protschenberg in Bautzen. © Steffen Unger

Bautzen. Seit über 80 Jahren kommen am Karsamstag Bläser zum Osterblasen auf dem Bautzener Protschenberg zusammen. Geleitet wird es 2024 von Yuko Ikeda. Die gebürtige Japanerin wird die rund 100 Bläser bereits zum zweiten Mal dirigieren. „Ich freue mich, dass ich so einen großen Posaunenchor leiten darf, auch weil ich weiß, dass das Osterblasen für die Bautzener und die Bläser aus der Umgebung ein wichtiges Ereignis ist“, sagt die 32-Jährige.

Im November 2018 kam sie nach Bautzen und ist seitdem Kantorin der Kirchgemeinde Sankt Michael. „Ich kannte Bautzen vorher nicht“, sagt sie. Nach ihrem Studium der Kirchenmusik in Halle/Saale bewarb sie sich deutschlandweit. Auch von den Sorben hatte sie bis dahin noch nicht gehört. „Erst im Bewerbungsgespräch sagte man mir dann, dass ich auch sorbische Gottesdienste begleiten müsse, und ich wusste damit erstmal nichts anzufangen", verrät sie.

Sorbische Sprache und Kultur interessieren die Kantorin

Inzwischen kennt und mag Yuko Ikeda die sorbische Kultur. „Ich finde die Tänze, die Sprache, die Kleidung und die Gesänge interessant. Es ist schön, dass man die sorbischen Traditionen bewahrt und dass ich das musikalisch unterstützen kann.“ Sorbisch sprechen kann sie nicht, „aber ich verstehe einige liturgische Begriffe aus den Gottesdiensten inzwischen.“ Auch im Kirchenchor, den sie leitet, werden teils Lieder auf Sorbisch gesungen.

Neben der Leitung des Kirchen- und Posaunenchors und eines Instrumentalensembles der Gemeinde begleitet sie sonntags die Gottesdienste. „Höhepunkte sind für mich auch das Orgelkonzert zu Silvester oder die Nachmittagsorgelkonzerte in Sommer“, sagt Yuko Ikeda.

Seit Ende Februar 2024 bereitet sie mit den 19 Bläsern des Posaunenchores, den sie leitet, das Osterblasen vor. „Es sind recht einfache Stücke, denn es kommen ja viele andere Bläser und es gibt vorher keine gemeinsame Probe.“ Eingeladen werden die Bläser über die Sächsische Posaunenmission, zu der aktuell 426 Posaunenchöre aus den Kirchgemeinden und Kirchspielen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gehören.

Die Kirchenmusik brachte sie nach Deutschland

Ursprünglich kommt Yuko Ikeda aus einer Großstadt im Südwesten von Japan. „Aber ich finde auch das Leben in einer kleinen Stadt wie Bautzen schön“, sagt die Kantorin. In ihrer Heimat gehört sie gewissermaßen zu einer seltenen Spezies: Sie wuchs in einer evangelischen Familie mit Orgel- und Kirchenmusik auf. In Japan ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerung christlich. „Ich habe in Japan ein Orgeldiplom gemacht und musste mir dann überlegen, wie ich weitermache“, sagt sie.

Ihr Vater, der selbst Organist ist und in Hamburg studiert hat, kannte die Kirchenmusik in Deutschland und riet ihr zu dem Studium. „Ich fand die Idee gut. Aber von Kirchenmusik kann man in Japan nicht leben, sodass für mich klar war, dass ich nach dem Studium in Deutschland bleibe.“

Aber sie lebe gern hier. Nur das japanische Essen vermisse sie. Und die pünktliche Bahn. „Als ich im Februar in Japan war, war ich ganz verwundert, wie pünktlich die Züge alle fuhren“, sagt sie lachend. Den Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden in ihrem Heimatland hält sie ansonsten über Internet und Telefon.

Andacht hält Superintendent Tilmann Popp

Die haben inzwischen auch schon sorbische Ostereier geschenkt bekommen. „Ich habe selbst viele davon in meiner Wohnung und habe dann auch welche im Flugzeug mit nach Japan mitgenommen. Zum Glück sind sie nicht kaputt gegangen“, sagt sie lachend. Auch das Osterreiten schaut sie sich gern jedes Jahr an, direkt an der Straße oder vom Balkon des Gemeindehauses aus.

Die Andacht hält am Ostersonnabend Superintendent Tilmann Popp auf dem Protschenberg. „Ich freue mich, dass er es macht, denn er macht eine bläserfreundliche Andacht.“ Was sie damit meint? „Musik und Wort wechseln sich ab. So haben die Bläser ein paar Pausen für ihre Lippen, die aber nicht zu lang sind, denn sie müssen ja immer stehen“, erklärt sie. Auch für das Publikum sei diese Abwechslung sicher ganz angenehm.

Kollekte in diesem Jahr für Hospizarbeit bestimmt

Gespielt und gesungen werden österliche Kirchenlieder. Dazu hat Yuko Ikeda unter anderem Stücke aus dem neuen Bläserheft „Glorie“ ausgewählt. Die werden auch zum Deutschen Evangelischen Posaunentag gespielt, der dieses Jahr in Hamburg stattfindet.

Neben den ehrenamtlichen Musikern aus der Region beteiligen sich Konfirmanden am Osterblasen. Sie verteilen die Blätter zum Mitsingen und sammeln eine Kollekte. Die ist in diesem Jahr für die Hospizarbeit bestimmt. „Ich bin dankbar, dass viele Ehrenamtliche das Osterblasen unterstützen“, sagt Yuko Ikeda.

Aufgeregt ist sie vor dem Dirigieren des Osterblasens nicht. „Das macht mir einfach Spaß. Es macht mir mehr aus, wenn ich weiß, dass ich irgendwo sprechen muss“, verrät sie. Zwar lebt sie seit zehn Jahren in Deutschland, „aber feine Nuancen in der Sprache finde ich immer noch schwierig.“