Keine Arzt-Sprechstunden mehr in Purschwitz

Kubschütz. Die Tage der Arztsprechstunden in Purschwitz sind gezählt: Ende März dreht Dr. Wolfgang Sickert zum letzten Mal den Schlüssel in seiner Nebenstelle im Herrenhaus herum. Was im Ort schon seit einiger Zeit die Runde macht, bestätigt der mit seiner Praxis in Malschwitz ansässige Allgemeinmediziner. „Ja, ich führe künftig meine Sprechstunden nur noch in Malschwitz durch“, erklärt Dr. Sickert am Telefon.
Zur Begründung führt er bauliche Mängel in seinen Purschwitzer Praxisräumen an: „Aufgrund des schweren Schimmelbefalls kann ich den Weiterbetrieb im Hinblick auf die gesundheitlichen Risiken nicht verantworten.“ Es müsste „sehr gründlich“ saniert werden, um eine weitere Nutzung der Räume zu ermöglichen.
Dem Bürgermeister der Gemeinde Kubschütz, Olaf Reichert (parteilos), ist die Problematik bewusst. „Die Arztpraxis im Purschwitzer Schloss wurde 2014 eröffnet, und seitdem verbindet uns eine sehr gute Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Sickert. Insofern bedaure ich es sehr, dass er die Nebenstelle in Purschwitz nicht mehr betreiben möchte“, erklärt er.
Isolierung der Räume wäre sehr teuer
Ursprünglich hatte der Mediziner Räume in der Alten Schule genutzt, die aber nicht mehr zeitgemäß waren. „Wir haben dann im Schloss investiert, um ihm dort Praxisräume anbieten zu können“, so der Bürgermeister. Um die von Dr. Sickert angesprochenen Mängel zu beseitigen, müssten die Räume nach unten isoliert werden - „das wäre sehr teuer, und wir können es finanziell nicht darstellen.“
Olaf Reichert sieht die „Schwierigkeit, die nur an zwei halben Tagen in der Woche genutzten Räumlichkeiten zu bewirtschaften.“ Der Kubschützer Bürgermeister verweist auf die Bemühungen, „die sehr hohen Anforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung zu erfüllen“, und auf die gut ausgestattete Praxis in Malschwitz, die sich „in zumutbarer Entfernung“ befinde. Zudem führe Dr. Sickert auch Hausbesuche durch. In jedem Fall bedankt sich Olaf Reichert „für die gute Zusammenarbeit über diesen langen Zeitraum.“
Daraus, dass es ab April keine Arztsprechstunden mehr gibt, lassen sich laut dem Kubschützer Bürgermeister jedoch keine Rückschlüsse auf die Situation des Purschwitzer Schlosses im Allgemeinen ziehen. „Es befindet sich in einem gut nutzbaren Zustand, und es wird auch rege genutzt“, betont er und ist auch gern bereit, dies vor Ort zu zeigen.

Der dafür ausgewählte Tag erweist sich als günstig: Es sind Winterferien, und im Mehrzweckraum finden gerade die vom evangelisch-lutherischen Kirchspiel Gröditz organisierten Lego-Tage statt. Etwa 50 Jungen und Mädchen im Grundschulalter tummeln sich in dem erst 2018 sanierten früheren Schul-Speisesaal, dem die großen Fenster und die geschickt in die Saaldecke integrierte Beleuchtung ein freundliches Ambiente verleihen.
Die Kinder stehen an großen Tischen und erschaffen gemeinsam Bauwerke aus den beliebten dänischen Stecksteinen. „Die Lego-Tage haben bei uns schon Tradition, und die Bedingungen hier sind optimal“, freut sich Betreuer Christoph Zieschang. Auch die anderen Räume im Erdgeschoss machen keinen luxuriösen, aber doch einen ordentlichen Eindruck, und dies gilt auch für die Ecken des Mauerwerks.
„Der Heimat- und Kulturverein sowie der Seniorenverein nutzen das Herrenhaus und verfügen hier über eigene Räume“, erläutert Bürgermeister Olaf Reichert. In der Corona-Zeit sei auch dies stark eingeschränkt gewesen. Für eine – durchaus wünschenswerte – grundlegende Sanierung des auch historisch bedeutsamen Gebäudes wäre jedoch eine noch intensivere und kontinuierliche Nutzung erforderlich. „Wir haben dafür zwar Ideen, aber noch kein Projekt in der Schublade."
Bürgermeister: Verkauf kommt nicht in Frage
Auf alle Fälle soll das Herrenhaus den Purschwitzern als Treffpunkt, eben als Dorfgemeinschaftshaus, zur Verfügung stehen. „Eine Veräußerung kommt für die Gemeinde Kubschütz nicht in Betracht“, versichert der Bürgermeister.
Die Geschichte des Purschwitzer Herrenhauses geht laut der für die 800-Jahr-Feier in Arbeit befindlichen Ortschronik auf den Gutsbesitzer von Doering zurück, der das Rittergut Purschwitz 1842 übernahm. Anders als in den meisten anderen Dörfern hatten die Purschwitzer Gutsbesitzer nur geringen Einfluss auf das Geschehen im Ort, weiß die Chronik zu berichten. Der letzte Besitzer Eberhard Jaeckel wurde demnach 1945 enteignet.
Eigentlich sollte das Herrenhaus 1948 abgerissen werden. Die damalige Gemeindeverwaltung konnte dies jedoch abwenden, da im Schloss Umsiedler wohnten. Später fanden Gemeindeamt, Zahnarztstation, Kinderkrippe, Schulküche, Jugendzimmer und Schwesternstation Platz im Schloss. Von 1963 bis 1990 diente es als Schule.
Von einer besonderen Episode weiß die Chronik noch zu berichten: In den Jahren 1996 bis 1998 wohnten hier portugiesische Arbeiter, die am Ausbau der Autobahn mitwirkten. Neben den Vereinsräumen beherbergt das Herrenhaus auch ein kleines Schulmuseum.